Fünf-Elemente-Zirkel der Achtsamkeit: Nicht-Reagieren

Vermutlich ist dir bei der Auseinandersetzung mit dem Element „Nicht-Bewerten“ bewusst geworden, dass im Alltag fast unzählige Bewertungen nahezu automatisch ablaufen. Diese Bewertungen lösen wiederum oft entsprechende gedanklich-verbale Reaktionen und Handlungsimpulse aus.

Nicht-Reagieren

„Nicht-Reagieren“ bedeutet die Hemmung der Tendenz, sofort und impulsiv zu reagieren und einzugreifen. Natürlich ist es in vielen Situationen sehr hilfreich und angemessen, spontan zu reagieren und zu handeln. „Nicht-Reagieren“ bezieht sich auf automatisch ablaufende Reaktionen und Handlungsimpulse, die in einer Situation eher unangemessen und wenig hilfreich sind. Das kann z.B. ein schnippischer Kommentar zu der kritischen Bemerkung eines Klienten sein (leicht gekränkt-aggressives Auftreten) oder ein allzu leichtes Nachgeben auf überhöhte Forderungen eines Patienten (eher submissiv). In der Rolle des Beraters oder Therapeuten wäre in beiden Situationen ein selbstbewusster, dominant-freundlicher Interaktionsstil angemessener und lösungsorientierter.

Ziel ist es zunächst, diese Impulse vor der Umsetzung ganz bewusst zu erkennen. Beim „Nicht-Reagieren“ soll weder handlungsmäßig noch innerlich gedanklich-verbal reagiert werden. Unterstützend wirkt dabei das achtsame konzentrierte Beobachten und Benennen des Handlungsimpulses, ohne diesem nachzugeben. Häufig ist es so, dass sich der Handlungsimpuls nach einer gewissen Zeit der Beobachtung abschwächt. Darüber hinaus entsteht Raum für eine der Situation angemessene und zielführende Reaktion. Eine achtsame Grundhaltung hilft dabei, den inneren und äußeren Reizstrom durch Entautomatisierung zu steuern. Damit entsteht eine zunehmende Möglichkeit, Reizantworten bewusst zu wählen.

Achtsamkeitsübung

Nimm dir für diese Übung einige Minuten Zeit. Zeit, in der du – abhängig von der Tageszeit, zu der du sie durchführst – entweder den vergangenen Tag von morgens bis abends Revue passieren lässt oder den bevorstehenden Tag vorwegnimmst:

  • Welche Aufgaben und Tagesaktivitäten hast du dir vorgenommen?
  • Worum wurdest du von deinem Partner bzw. deiner Partnerin, deinen Kindern oder einer anderen Person gebeten?
  • Welche Erledigungen stehen noch aus?
  • Welche Vorhaben sind im Tagesverlauf hinzugekommen oder kommen jetzt hinzu, wenn du an den bevorstehenden Tag denkst?
  • Und welche Aufgaben sind schon länger geplant, aber immer noch unerledigt?

Während du auf diese Weise auf deinen vergangenen Tag zurückblickst oder den bevorstehenden Tag antizipierst, beobachte, welche Impulse auftauchen, wenn du vor allem an die noch unerledigten Aufgaben denkst. Vielleicht kommt der Impuls, dir während der Übung „mal eben“ einen Stichpunkt zu einer Erledigung zu notieren, die du auf keinen Fall vergessen willst. Oder es kommt der Impuls, die Übung kurz zu unterbrechen, um „schnell“ noch eine E-Mail an einen Klienten oder Kollegen zu schicken, weil du es den ganzen Tag über vorgehabt, aber noch nicht umgesetzt hast. Möglich ist auch, dass unabhängig von der Übung gerade der Impuls aufkommt, das Fenster zu schließen, weil die von draußen hereindringenden Geräusche deine Aufmerksamkeit immer wieder auf sich ziehen oder weil die einströmende Luft dir zu kalt vorkommt, wenn du so ruhig dasitzt. Vielleicht fällt dir auch ein, dass du diesmal dein Telefon nicht ausgestellt hast und dass du es deshalb jetzt noch tun solltest, damit du nicht in der Übung gestört wirst. Vielleicht klingelt es jetzt sogar und du hast den Impuls, nachzusehen, wer anruft, oder sogar den Impuls, den Anruf entgegenzunehmen. Oder es ist der Impuls da, die Zeit, die du gerade für die Übung aufwendest, doch lieber zu nutzen, um endlich eine lang aufgeschobene Tätigkeit durchzuführen.

Egal, ob einer dieser exemplarisch aufgeführten Impulse oder vielleicht auch ganz andere auftreten – nimm den jeweiligen Impuls wahr. Du kannst ihn auch kurz als „Impuls“ oder „Impuls, ...xy... zu tun“ benennen. Wichtig ist, dass du den Impuls einfach nur wahrnimmst, aber ihm nicht nachgibst. Bleibe beobachtend.

Welche körperlichen Reaktionen treten auf, wenn du den Impuls nicht (sofort) in eine Handlung umsetzt? Gibt es Gedanken, die dadurch auftreten? Und was bemerkst du noch, wenn du deinen Impuls einfach beobachtest, ohne auf ihn zu reagieren?

Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit mit Gerhard Zarbock und Silka Ringer.

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