Der neueste Buchtipp von Christoph Ahrweiler

Buch: „Warum normal sein gar nicht so normal ist ... und warum reden hilft“ von Dominique de Marné

Scorpio Verlag

„Psychische Probleme zu haben, ist normaler als wir denken“ - keine ganz neue Erkenntnis, trotzdem hat sich in unserer Gesellschaft diesbezüglich insgesamt nicht genug geändert: noch immer werden Menschen mit psychischen Erkrankungen als „Verrückte“ abgestempelt, deren Leiden totgeschwiegen oder bagatellisiert werden. Betroffene strampeln sich weiterhin häufig allein ab, damit niemand mitbekommt, was mit ihnen los ist.

Dominique de Marné hat sich als selbst Betroffene die Aufgabe gesetzt, Menschen mit psychischen Erkrankungen zu entstigmatisieren und das Thema an sich in den gesellschaftlichen Diskurs zu bringen. Sie betreibt seit vielen Jahren die Website und den Blog (www.travelingtheborderline.com) und ist als Mental Health Advocate in ganz Deutschland unterwegs.

Die Wünsche der Autorin:

  • Dass wir über psychische Probleme so alltäglich, so normal reden, wie über körperliche Beschwerden.
  • Dass Betroffene keine Angst mehr haben müssen sich zu outen – weder im Privat- noch im Berufsleben.
  • Dass Prävention flächendeckend wird; dass die Auseinandersetzung mit seelischer Gesundheit fest in den schulischen Lehrplan integriert wird.
  • Dass es Erste-Hilfe-Kurse auch für die Psyche gibt und wir alle lernen, wie wir helfen können.
  • Dass die Politik mehr Kassenzulassungen vergibt, um die schlechte Versorgungssituation in Deutschland endlich etwas zu verbessern.
  • Dass wir verstehen, dass es nicht den einen Weg zu psychischer Gesundheit gibt; dass viele Komponenten mit reinspielen, dass jede Erfahrung individuell ist, dass der Mensch und nicht die Buchstaben seiner Diagnose(n) zählen, dass Hilfe und Helfer bei jedem anders aussehen können.
  • Dass wir es schaffen, ein bisschen mehr Kindness, Verständnis, Toleranz und Respekt gegenüber unseren Mitmenschen zu zeigen.

Eine authentische Autobiografie

In ihrem jüngst erschienenen Buch schildert sie ihre eigene Geschichte mit Depressionen, Borderline- und Suchterkrankung. Einerseits sehr berührend, aber gleichzeitig auch sehr sachlich und ohne Effekthascherei beschreibt sie die Fertigkeiten, die ihr am meisten geholfen haben, heute einen anderen Umgang mit den Symptomen zu finden, die natürlich durch die Therapien nicht alle gänzlich verschwunden sind.

Eindrucksvoll ist dabei der umfangreiche Anhang mit vielen hilfreichen Hinweisen für Betroffene, Angehörige und Freunde. Auch an Behandler richtet sich ihr Buch, von denen sie sich wünscht, sie mögen doch aufhören, perfekt wirken zu wollen und stattdessen mehr über eigene Erfahrungen mit psychischen Problemen zu sprechen. Auch wer immer schon mal wissen wollte, wie die Dialektisch-behaviorale Therapie (DBT) funktioniert, findet hier eine leicht verständliche Beschreibung aller Therapiemodule. Auch für mich, der viele Jahre mit DBT gearbeitet hat, war es eine Bereicherung, diese einmal aus der Sicht einer Betroffenen präsentiert zu bekommen.

Ein ehrliches, aufrichtiges, ein erstaunliches Buch. Ein Buch, das Mut macht, und eine Autorin, die so sympathisch rüberkommt, dass wir als Buchhandlung (www.buchhandlung-kayser.de) sie gleich zu zwei Veranstaltungen nach Rheinbach und Wesseling eingeladen haben.

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