Stärke dich fürs neue Jahr!
Denkst du jetzt auch: „Endlich ist dieses Jahr vorbei“? Das vergangene Jahr hat das psychische Immunsystem unserer Klient*innen und Patient*innen ganz schön strapaziert – aber auch unser eigenes! Was du tun kannst, um gestärkt ins neue Jahr zu starten, hat der Psychologe und Journalist René Träder für dich zusammengestellt. In seinem Buch beschreibt er acht Resilienzfaktoren. Hier erfährst du sie im Überblick und bekommst eine Audioübung zum Mitmachen.
Die Resilienz bezeichne ich gerne als das psychische Immunsystem. Wir alle kennen das körperliche Immunsystem: Es wird von Bakterien und Viren angegriffen – und wenn es sich eine Weile mit ihnen auseinandergesetzt hat, ist es teilweise sogar immun gegen einige Krankheitserreger. Um das Immunsystem zu stärken, schlucken Menschen Vitaminpillen, ernähren sich gesund, achten auf Bewegung, Entspannung und ausreichend Schlaf. Unser psychisches Immunsystem wird dagegen von Alltagsstress, Problemen, Krisen und Schicksalsschlägen angegriffen – das war in den vergangenen Monaten für alle von uns sehr spürbar. Finden wir für diese kleineren und größeren Probleme Lösungen, können wir gestärkt daraus hervorgehen. Resilienz kann uns helfen, besser mit den Belastungen des Lebens umzugehen. Resilienz ist im Krisenfall sinnvoll, aber auch vorbeugend. Daher lohnt sich die Frage: Was könnte der apple a day für die Psyche sein? Was kannst du im neuen Jahr tun, um dich und deine psychische Immunabwehr zu stärken?
Diese Frage ist für alle Menschen wichtig, da Stress, Krisen und Schicksalsschläge zum Leben dazugehören. Psychotherapeut*innen, Coaches und Berater*innen sind davon natürlich nicht ausgenommen – und am besten stärken wir andere, indem wir uns zuerst um unsere eigene Resilienz kümmern. Die gute Nachricht lautet: Resilienz ist trainierbar. Wir können täglich etwas dafür tun – und das sollten wir auch. Hier habe ich acht Resilienzbausteine für dich, die dir helfen können, im neuen Jahr etwas für deine psychische Immunabwehr zu tun. Der Jahreswechsel kann ein guter Zeitpunkt sein, sie sich ins Gedächtnis zu rufen und ins Reflektieren zu kommen. Also, los geht’s:
(1) Übernimm Verantwortung
Was für Superman Kryptonit ist, ist für uns Menschen die Opferhaltung. Sie schwächt uns und lässt uns passiv werden. Egal was im alten Jahr passiert ist oder im neuen Jahr passieren wird, erst wenn wir die volle Verantwortung für unser Leben, unsere Ziele, Wünsche und Bedürfnisse übernehmen, können wir etwas gestalten und verändern. Im Kleinen wie im Großen frage dich immer wieder: Was willst du eigentlich? Was sind z. B. deine Ziele, Wünsche und Bedürfnisse fürs neue Jahr? Wie möchtest du das neue Jahr gestalten? Mehr dazu erfährst du weiter unten in der Audioübung. Hör gerne mal rein!
(2) Lerne loszulassen
Solange wir nicht akzeptieren, was passiert ist oder passieren wird, leben wir in einer Phantasiewelt. Wir sind dann nicht handlungsfähig und übersehen Lösungsmöglichkeiten. Lerne loszulassen. Loslassen ist oft nicht leicht, denn das, was wir loslassen, fühlt sich häufig wie ein Teil unserer Identität an, z. B. Ziele, Personen oder auch Verhaltensweisen. Leichter fallen kann das, wenn man sich bewusst macht, dass Akzeptieren ein anderes Wort für Loslassen ist. Loszulassen und zu akzeptieren kann für neue Perspektiven und Energie sorgen. Lass z. B. alte Geschichten, negative Emotionen, toxische Beziehungen und Selbstzweifel los. Akzeptiere, was geschehen ist, was gerade ist und was geschehen wird.
(3) Schaue nach vorne
Nach vorne zu schauen und Ziele zu entwickeln, bedeutet sich selbst und dem Schicksal neue Chancen zu geben. Je klarer man weiß, was man will, desto klarer kann man sein Denken und Tun danach ausrichten. Der Klassiker zum Jahreswechsel: Manchmal nehmen wir uns komische Dinge aus falschen Gründen vor und wundern uns, wieso wir sie nicht durchziehen oder sie uns nicht glücklich machen. Setze dich stattdessen intensiv mit deinen Werten auseinander: Was ist dir wirklich wichtig? Was inspiriert oder erfüllt dich? Versuche täglich nach deinen Werten zu leben. Dadurch entstehen passende Ziele (fast) von allein.
(4) Denke lösungsorientiert
Über Probleme zu reden ist leicht. Schnell verfangen wir uns dann aber in unkonstruktiven Grübeleien. Besser ist es, sich immer wieder selbst daran zu erinnern, konstruktiv zu denken und zu handeln. Was sind deine aktuellen Schwierigkeiten und Bausteine? Und angenommen, es würde nicht um dich, sondern um einen lieben Menschen aus deinem Umfeld gehen: Welche Lösungen würden dir zu deinem Problem einfallen? Oder was würde dir Barack Obama wohl raten? Denke kreativ!
(5) Sei optimistisch
Wer optimistisch ist, traut sich nach vorne zu gucken, Ideen zu entwickeln, mutige Entscheidungen zu treffen und kommt eher ins Handeln. Optimismus gibt uns Kraft und kann sinnstiftend sein. Eine Möglichkeit optimistischer zu sein, ist sich jeden Tag zu fragen, wofür man dankbar ist. Das können echt viele Dinge sein, die wir im Alltag und vor allem in Krisenzeiten häufig nicht wahrnehmen. Versuche eine Dankbarkeitspraxis zu entwickeln, z. B. ein Dankbarkeitstagebuch zu führen. Oder frage dich abends vor dem Schlafen, was heute schön und gut war.
(6) Baue dir ein Netzwerk auf
Gute zwischenmenschliche Beziehungen sind für unser Glück wichtiger als ein Lottogewinn. Wir sind soziale Wesen. Andere Menschen geben uns Halt, machen unser Leben schöner und helfen uns – und wir helfen ihnen. Es ist dabei nicht entscheidend, wie viele Freunde wir haben, sondern dass es mindestens einen Menschen gibt, bei dem wir so sein dürfen, wie wir sind, und dem wir vertrauen. Vielleicht gibt es auch Kolleg*innen oder eine Intervisionsgruppe, die dich unterstützen und dir in schwierigen Fällen Halt geben? Vielleicht magst du dem Menschen, der dir gerade in den Sinn gekommen ist, direkt „Danke!“ für euer Miteinander sagen.
(7) Werde dir deiner Kompetenzen bewusst
Viel zu oft denken wir darüber nach, was wohl wäre, wenn wir selbstbewusster wären. Selbstwirksamkeit ist cooler. Damit ist nämlich gemeint, dass man aus sich selbst heraus wirksam ist, dass man also etwas verändern kann. Frage dich: Was weiß ich und was kann ich, um ein Problem zu lösen oder eine Herausforderung zu meistern? Was sind meine Stärken im Beruf? Welche Fertigkeiten habe ich, um meinen Klient*innen und Patient*innen zu helfen? Werde dir deiner Kompetenzen bewusst und setze sie ein. Und falls dir ein bestimmtes Wissen/Können fehlt: setze dich damit ganz konkret auseinander.
(8) Tanke Energie auf
Unser Handy stecken wir jeden Tag mehrmals in die Steckdose. Doch wie steht es um unsere Energie? Selbstfürsorge ist so wichtig! Gerade in stressigen oder belastenden Zeiten neigen wir dazu, unsere wahren körperlichen und psychischen Bedürfnisse zu ignorieren. Achtsame und regelmäßige Erholungsstrategien helfen uns, bewahren uns vor Überforderung. Insbesondere als Psychotherapeut*innen, Coaches und Berater*innen ist es wichtig, die eigenen Batterien immer wieder aufzuladen. Mein persönlicher Lieblingstipp: Atme! Das ist eine der ältesten Entspannungsmethoden, die Menschen schon seit Tausenden von Jahren nutzen. Die einfachste Atemtechnik ist, doppelt so lange auszuatmen, wie man eingeatmet hat.
Sei der Gestalter deines Lebens
Resilienz bedeutet „ja“ zu sagen, wenn das Leben „nein“ sagt. Vielleicht hast du ja Lust, in diesem Sinne ein „Ja-Sager“ zu sein und dadurch auch andere zum „Ja“-Sagen zu ermuntern, sei es im privaten oder aber im beruflichen Kontext.
Zum Download: Wenn du Lust hast, lass uns gemeinsam eine kleine Resilienz-Übung machen. In diesem Audio stelle ich dir einen Zaubersatz vor, der dir bei Belastungen hilft, in die Reflexion zu kommen, Lösungsideen zu entwickeln und Mut zu schöpfen, um ins Handeln zu kommen. Diese Übung lässt sich auch prima mit deinen Klient*innen und Patient*innen durchführen – auch schon mit Kindern und Jugendlichen.
Zum Weiterlesen
Träder, René (2020). Das Leben so: nein! Ich so: doch! Wie du besser mit Stress, Krisen und Schicksalsschlägen umgehst. Berlin: Ullstein & als Hörbuch bei argon erschienen.