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Zyklus für Zyklus: Wenn PMS das Leben beeinträchtigt

Eine Frau liegt auf dem Rücken auf einem grauen Sofa und hält sich die Hände an den Bauch.

Stimmungsschwankungen, Erschöpfung und Schmerzen. Betroffene von PMS „stellen sich nicht nur an“, sind jedoch häufig mit Vorurteilen konfrontiert. Die Beschwerden können zu massivem Leidensdruck und Beeinträchtigungen im Alltag führen. In der ICD-11 wird die „prämenstruelle Dysphorie“ als neue Diagnose aufgenommen. Ein veränderter Umgang mit den Beschwerden kann die Lebensqualität betroffener Frauen erhöhen. 

Stell dir folgende Situation vor: In deine Praxis kommt eine Frau mit deutlich gedrückter Stimmung, Erschöpfung, Schlafstörungen und Appetitveränderungen. Die Symptome sind so schwerwiegend, dass sie sich stark zurückzieht und den Anforderungen im Alltag kaum noch gerecht wird. An welche Diagnose hast du beim Lesen zuerst gedacht? An eine affektive Störung? Dann geht es dir wahrscheinlich wie vielen anderen auch.

Das prämenstruelle Syndrom (PMS) und die prämenstruelle dysphorische Störung (PMDS) können im Erscheinungsbild zunächst ähnlich wirken. Die Beschwerden einer PMS/PMDS zeigen jedoch ein markantes zeitliches Muster und treten ausschließlich in der zweiten Zyklushälfte auf. Bis zu 90 Prozent der Frauen erleben in dieser Zeit zyklusbedingte Veränderungen. Führen diese zu deutlichen Einschränkungen im Alltag, z. B. in Partnerschaft, Familie oder sozialen Kontakten, im Beruf oder Freizeit, spricht man von PMS.

„Eigentlich weiß ich gar nicht, warum das passiert, aber an solchen Tagen endet ein ganz normales Gespräch oft im Streit“, erzählt eine Betroffene im Ratgeber Prämenstruelles Syndrom von Weise und Kaiser (2022, S. 32f.). „Meist sind es diese Tage vor den Tagen, an denen mich meine Arbeit und der viele Kundenkontakt besonders anstrengen. Dann will ich abends eigentlich nur noch auf die Couch und meine Ruhe haben.“

Die Beschwerden klingen mit der Menstruation wieder ab. Danach sind betroffene Frauen mindestens 1 Woche symptomfrei. Die Beschwerden wiederholen sich jedoch Zyklus für Zyklus.

Insgesamt gibt es mehr als 150 prämenstruelle Symptome, die sich in körperliche und psychische Symptome unterteilen lassen.

Körperliche Symptome sind u. a.:

  • Krämpfe
  • Druckempfindlichkeit der Brust
  • Energielosigkeit
  • Schmerzen (in Kopf, Nacken, Rücken, Muskeln)
  • Nächtliches Schwitzen
  • Verdauungsprobleme
  • Herzrasen

Psychische Symptome sind u. a.

  • Anspannung 
  • Angst
  • Depressivität
  • Reizbarkeit
  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • Geringes Selbstwertgefühlt

Welche Beschwerden auftreten, ist dabei von Person zu Person unterschiedlich. Sie können sich auch über die Zeit verändern, z. B. kommen neue Beschwerden hinzu, andere werden dafür weniger.

 

Von PMS zu PMDS 

Bei starken Symptomen sind möglicherweise die Kriterien für eine prämenstruelle dysphorische Störung (PMDS) erfüllt. Diese ist seit 2013 als behandlungsbedürftiges Krankheitsbild nach APA anerkannt. Die Symptome (z. B. depressive Verstimmungen, Ängstlichkeit, Stimmungsschwankungen, Interessenlosigkeit, Energieverlust, Gefühl, außer Kontrolle zu geraten, Heißhungerattacken oder Schmerzen) müssen dabei in den vergangenen 12 Monaten während der Mehrzahl der Menstruationszyklen bestanden haben. Eine Selbstbeobachtung über mindestens zwei Zyklen kann die Diagnose festigen. 

Man sieht von oben auf eine Person, die einen Zykluskalender ausfüllt und auf dem Sofa liegt.

Auch in der neuen ICD-11 wird die prämenstruelle Dysphorie als Diagnose zu finden sein (unter GA34.41 im Kapitel „Krankheiten des weiblichen Genitalsystems“). Es gibt jedoch Fälle, bei denen die Kriterien einer PDMS nicht erfüllt sind, Leidensdruck und Beeinträchtigungen aber dennoch so hoch sind, dass ein Behandlungsbedarf bestehen.

Gut zu wissen: In der zweiten Zyklushälfte kann es auch zu einer sogenannten prämenstruellen Exazerbation kommen, d. h. dass bereits bestehende psychische Erkrankungen, wie eine Depression oder Angsterkrankung, in der zweiten Zyklushälfte schlimmer werden.

 

Welche Ursachen gibt es?

20-40 Prozent der Frauen sind durch prämenstruelle Beschwerden beeinträchtigt, ca. 3-5 Prozent von PMDS. Als Ursachen für PMS/PMDS wird ein Zusammenwirken verschiedener Faktoren angenommen, u. a.:

  • Hormonelle Schwankungen v. a. des Hormons Progesteron, Veränderungen des Serotoninspiegels
  • Eine gewisse Sensibilität gegenüber hormonellen Schwankungen sowie die verstärkte Wahrnehmung und Bewertung körperlicher Veränderungen durch den Zyklus (somatosensorische Amplifikation)
  • Negative Erfahrungen mit PMS z. B. durch Erfahrungen der Mutter oder anderen Familienmitgliedern, Vorurteile aus dem Umfeld oder Konflikte, die im Zusammenhang mit Veränderungen und Beschwerden entstehen
  • Stress

Ziehen sich Betroffene aufgrund der Beschwerden zurück und nehmen eine Schonhaltung ein, kann dies dazu führen, dass sie die Symptome noch früher und stärker wahrnehmen. Die Beschwerden nehmen mit der Zeit immer mehr Raum ein. Sie geraten in einen Teufelskreis. Ein Mechanismus, den du sicherlich auch aus der Behandlung von chronischen Schmerzen oder anderen psychosomatischen Erkrankungen kennst.

Ein Mann und eine Frau sitzen von einander abgewandt und ihrer Mimik und Haltung nach zu schließen verärgert auf einem Sofa.

Wenngleich die PMDS inzwischen in die Diagnosekataloge mit aufgenommen wurde: Betroffene stoßen noch immer auf viel Unwissen und Unverständnis. Sie sind mit Vorurteilen konfrontiert und ihr Leidensdruck wird von außen heruntergespielt.

„Ständig das Gefühl zu haben, dass niemand mich und meine Beschwerden ernst nimmt und mir hilft, hat mich wirklich traurig gemacht“, beschreibt eine Betroffene im Ratgeber Prämenstruelles Syndrom von Weise und Kaiser (2022, S. 11).

 

Den Umgang mit Beschwerden verbessern

PMS/PMDS kann zwar nicht „geheilt“ werden, aber es gibt Ansätze, die dazu beitragen, Beschwerden zu lindern.

Neben folgenden Ansätzen:

  • Medikamente wie hormonelle Präparate oder auch Antidepressiva
  • Pflanzliche Präparate wie Mönchspfeffer oder Johanniskraut
  • Veränderte Ernährung (z. B. ausreichend Vitamine und Mineralien, Flüssigkeitszufuhr, Reduktion von Salz, Zucker, Koffein und Alkohol in der zweiten Zyklushälfte)

kann auch Psychotherapie eine entscheidende Rolle spielen.

Insbesondere Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie erhöhen die Lebensqualität der Betroffenen und verbessern den Umgang mit den Beschwerden.

Folgende Bausteine haben sich in der Behandlung von PM(D)S bewährt:

1. (Zyklus-)Tagebuch führen: Den Zyklus zu beobachten durch einen Zykluskalender oder eine App kann in der diagnostischen Phase sinnvoll sein, um die Beschwerden von anderen psychischen Erkrankungen abzugrenzen („markantes zeitliches Muster“) und den Befund einer PMS/PMDS zu stärken. Es hilft zudem dabei, ein besseres Gefühl für den eigenen Zyklus zu bekommen.

2. Zur Expertin des eigenen Zyklus werden: Es geht darum, zur Expertin des eigenen Zyklus zu werden, also individuelle Einfluss- und Risikofaktoren zu identifizieren und den eigenen „Teufelskreis“ verstehen. Hierbei kann auch Psychoedukation über den Zyklus und hormonelle Zusammenhänge hilfreich sein.

3. Hinderliche Gedanken in Bezug auf die PMS/PMDS identifizieren und hinterfragen: Wenn Veränderungen durch die PMS/PMDS negativ bewertet werden (z. B.: „Keiner möchte mit mir zusammen sein, wenn ich so schlecht drauf bin“; „Ich fühle mich nicht wohl, ich möchte nicht vor die Tür gehen“), können sich der Teufelskreis (vermehrter Rückzug, vermehrte Anspannung, Grübeln usw.) und damit auch die Symptomatik verstärken. Es ist daher wichtig, negative Bewertungen zu identifizieren und deren Einfluss auf Gefühle und Verhaltensweisen (ABC-Schema) zu verstehen.

4. Hilfreiche Bewertungen entwickeln: Statt negativer Kognitionen kann es sinnvoll sein, hilfreichere Gedanken zu entwickeln (z. B.: „Ich darf auch mal schlecht drauf sein, das ist völlig ok“; „Nur weil eine Sache schief ging, heißt das nicht, dass ich das nicht schaffen kann“) und diese im Alltag anzuwenden. Es kann helfen, passende Gedanken sichtbar machen, z. B. auf Klebezetteln notieren oder als Notiz ins Handy speichern.

Eine Frau sitzt im Schneidersitz und mit einer Tasse in der Hand auf einer Decke und füllt ein Mandala aus.

5. Reframing: Durch das vorurteilsbehaftete Bild von PMS stehen die negativen Aspekte oftmals im Vordergrund. Daher kann es spannend sein, auch mal ganz bewusst nach positiven Aspekten und Veränderungen während der zweiten Zyklushälfte zu schauen (z. B. Zunahme von Kreativität, ein besserer Zugang zu eigenen Bedürfnissen und Gefühlen, sich Raum für sich nehmen).

6. Einen veränderten Umgang mit Stress finden: Ein ungünstiger Umgang mit Stress wirkt sich auch auf PMS/PMDS aus. Daher ist es sinnvoll, genau auf die eigenen Stressverstärker zu schauen und die Bewältigungsstrategien im Umgang mit Stress auszubauen oder zu stärken.

7. Achtsamkeit und Entspannung (wie PMR, autogenes Training, Yoga, Meditation) kann zur Stressregulation und zur Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens eine wichtige Rolle spielen. Ebenso kann es wichtig sein, gerade in der zweiten Zyklushälfte befindlichkeitsfördernde Aktivitäten und passende Bewegung einzubauen.

 

Frauengesundheit im Fokus

Mehr Informationen, Tools und Materialien findest du im Ratgeber Prämenstruelles Syndrom von Weise und Kaiser (2022), erschienen im Hogrefe Verlag. Beiden Autor:innen haben mehrere Jahre therapeutisch mit von PMS und PMDS betroffenen Frauen gearbeitet. Der Ratgeber ist ein Instrument zur Selbsthilfe, das du betroffenen Patient:innen sowie Angehörigen zur eigenen oder weiterführenden Vertiefung empfehlen kannst. Der Ratgeber erscheint im Hogrefe Verlag in der Buchreihe „Ratgeber zur Reihe Fortschritte der Psychotherapie“. Mit dieser Reihe wird die allseits bekannte Reihe „Fortschritte der Psychotherapie“ („blaue Reihe“) durch Ratgeber für Betroffene und Angehörige ergänzt.

Der Hogrefe Verlag nimmt Frauengesundheit in den Fokus: Neben dem Ratgeber Prämenstruelles Syndrom findest du auch Ratgeber zu den Themen Wechseljahre und unerfüllter Kinderwunsch sowie eine umfangreiche Buchauswahl für Frauen, Angehörige und Behandler:innen.