Patientenrechtegesetz: 5 typische Irrtümer im Fakten-Check
Mit Sicherheit kennst du das Patientenrechtegesetz und hältst dich wahrscheinlich auch daran. Doch im Praxisalltag führt die konkrete Umsetzung immer wieder zu Unsicherheiten. Als Justiziar des BDP berate ich seit vielen Jahren Psychotherapeut:innen und Psycholog:innen zu berufsrechtlichen Themen – und kenne daher die häufigsten Fragen, aber auch typische Irrtümer, die mit dem Patientenrechtegesetz einhergehen. Über fünf häufige Fehlannahmen möchte ich dich heute aufklären.
1. „Die Behandlungsdaten gehören den Patient:innen, also können sie diese löschen lassen“
In der Behandlungsakte stehen selbstverständlich die Gesundheitsdaten der jeweiligen Patient:innen. Daten, welche Behandelnde auf hohem Niveau schützen müssen. Dennoch „gehören“ diese Daten den Patient:innen nicht, jedenfalls nicht insoweit, dass sie darüber bestimmen dürften, dass sie gelöscht werden.
Dass die Behandlungsdaten in der Akte 10 Jahre gespeichert bleiben müssen, steht nicht zur Disposition der Patient:innen. Denn die Behandlungsdokumentation erfüllt eine Reihe von Zwecken, und diese dienen nicht nur den Patient:innen selbst:
- Mit den Daten können Behandelnde die fachgerechte Behandlung nachweisen.
- Die Daten dienen potenziell der Information von Weiterbehandelnden.
- Indirekt bieten die Daten auch die Grundlage der Überprüfbarkeit einer notwendigen Behandlung, denn nur eine solche soll von der Gemeinschaft der gesetzlich Krankenversicherten finanziert werden.
2. „In der ePA sind alle Behandlungsdaten gespeichert“
Die elektronische Patientenakte (ePA) beschäftigt aktuell das Gesundheitssystem und auch die Psychotherapielandschaft, denn ab Januar 2025 erhalten alle gesetzlich Krankenversicherten eine ePA, wenn sie nicht widersprechen (Opt-out).
Die ePA ist jedoch nicht mit den Behandlungsakten bei den jeweiligen Behandler:innen gleichzusetzen. Primär gibt es weiterhin in jeder besuchten Praxis eine Behandlungsakte für alle Patient:innen. Daneben wird es die ePA geben, in der bestimmte, meist nur strukturierte Daten, also solche Daten, die explizit für eine Weiterverarbeitung aufbereitet sind (z. B. Laborberichte oder Röntgenbilder), digital zusammengefasst werden. Es sind also vorerst nur einige Behandlungsdaten in der ePA zu finden, nicht alle.
3. „Heilbehandelnde müssen den Facharztstandard erfüllen“
Das stimmt meistens, weil die meisten Heilbehandelnden approbiert und in Fachgebieten weitergebildet sind und laut ihren Berufsordnungen im Fachgebiet hohe fachliche Kompetenzen erfüllen müssen. Das Patientenrechtegesetz gilt allerdings auch für Heilpraktiker:innen: Für diese gibt es keine gesetzlich oder kammerrechtlich definierten Standards – und erst recht nicht den Facharztstandard. Das Patientenrechtegesetz spricht deshalb auch nur vom „fachlichen Standard“, der unterschiedlich sein kann.
4. „In Psychotherapien passieren kaum Fehler, deshalb gibt es auch fast keine Behandlungsfehlerprozesse“
Dass es fast keine Behandlungsfehlerprozesse bei Psychotherapien gibt, scheint zwar zu stimmen. Auch sind die Beiträge zu den Haftpflichtversicherungen für Berufsangehörige der Psycho-Berufe vergleichsweise niedrig.
Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass (fast) keine Fehler in Psychotherapien passieren würden. Es scheint nur so zu sein, dass betroffene Patient:innen Behandlungsfehler nicht als solche bemerken oder Gesundheitsschäden oder Leiden nicht mit Behandlungsfehlern in Psychotherapien in Zusammenhang bringen. Zwar müssen alle Behandler:innen über mögliche Risiken informieren und aufklären aber trotzdem scheinen Behandlungsfehler für Patient:innen kaum bewusst wahrnehmbar.
5. „Patient:innen müssen bei Behandlungsfehlern ihren daraus entstandenen Gesundheitsschaden beweisen“
Das Patientenrechtegesetz hat ein ausgeklügeltes Beweislastverteilungssystem verankert, dass durch Rechtsprechung weiterentwickelt wird. Häufig können Gesundheitsschäden als Folge eines Behandlungsfehlers kaum bewiesen werden, so dass Patient:innen die meisten Prozesse verlieren würden. Umgekehrt könnten aber auch Behandler:innen kaum beweisen, dass ihr Handeln für einen Schaden nicht ursächlich war. Deshalb verliert einen Behandlungsfehlerprozess häufig diejenige Partei, an der die Beweislast „hängen bleibt“. Im engen Sinne muss daher nicht Beweis geführt werden, sondern es geht darum, welche Partei warum die Beweislast trägt und diese Partei wird letztlich den Prozess verlieren. Die gute Dokumentation dient ohnehin allen Beteiligten, aber sie dient auch den Behandler:innen erheblich bei der Beweislastverteilung.
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