Was bitte ist Soziotherapie?

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Wenn das soziale Umfeld oder eine fehlende Alltagsstruktur den Therapieerfolg blockieren, reicht der psychotherapeutische Arm oft nicht weit genug. Soziotherapeuten können hier in gemeinsamer Absprache alltagsnah unterstützen.

Hattest du schon mal einen Patienten, der so antriebslos war, dass er seinen Alltag nicht mehr selbstständig strukturieren konnte? Oder einen Patienten, der ambulante Termine bei dir immer wieder vergessen hat, weil seine Planungsfähigkeit nicht ausreichte? Vielleicht kennst du auch einen Patienten, der immer wieder in starke Konflikte geriet und diese nicht alleine erkennen oder lösen konnte?

Solche Situationen werden in Psychotherapiesitzungen natürlich aufgegriffen und besprochen - aber geht der Patient aus der Praxistür, ist er auf sich alleine gestellt. Daher reicht der psychotherapeutische Arm oftmals nicht weit genug. Verhaltensveränderung, die in der Therapiestunde als wichtig erkannt wurden, können möglicherweise vom Patienten alleine nicht umgesetzt werden oder werden im sozialen Umfeld immer wieder blockiert.

Soziotherapeuten unterstützen alltagsnah

Genau an diesem Punkt kann es hilfreich sein, einen Soziotherapeuten hinzu zu ziehen. Gemeinsam mit dem Soziotherapeuten werden soziale, häusliche und berufliche Faktoren identifiziert, die möglicherweise zu einer Aufrechterhaltung der Erkrankung führen. In einem zweiten Schritt können Soziotherapeuten die Patienten alltagsnah und praktisch dabei unterstützen, die Woche zu strukturieren, ambulante Termine wahrzunehmen oder Aktivitäten aufzubauen, um so langfristig eine selbstständige Alltagsbewältigung zu ermöglichen.  

 

Wer kann Soziotherapie erhalten?

Als Psychotherapeut kannst du die Soziotherapie bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) beantragen. Als Kinder- und Jugendpsychotherapeut geht dies nur für Patienten zwischen dem 18. und 21. Lebensjahr.  Für eine Verordnung muss eine Diagnose aus dem Bereich der psychischen Störungen vorliegen und zusätzlich mindestens eine der folgenden Voraussetzungen:

  • Relevante psychiatrische Komorbiditäten wie zum Beispiel Persönlichkeitsstörungen oder Suchterkrankungen, oder somatische Komorbitäten wie zum Beispiel Einschränkungen der Mobilität oder chronische Schmerzerkrankungen,
  • eine stark eingeschränkte Fähigkeit zur Planung, Strukturierung und Umsetzung von Alltagsaufgaben oder
  • eine stark eingeschränkte Wegefähigkeit.

Die Global Assessment of Functioning Scale

Die oben genannten Beeinträchtigung des Patienten werden auf der Verordnung durch den sogenannten GAF-Wert zusammengefasst. Dieser Wert steht für die Global Assessment of Functioning Scale und reicht von 100-91 („hervorragende Lebensfunktion in allen Bereichen“) bis zu 01-10 („ständige Gefahr“). Bezieht sich die Verordnung auf eine Indikation aus dem schizophrenen Formenkreis oder kommt es bei schweren Depressionen zu psychotischen Symptomen, so können Betroffene mit einem GAF-Wert bis 50 („ernsthafte Beeinträchtigung“) Soziotherapie erhalten. Bei allen übrigen psychiatrischen Indikationen darf der GAF-Wert 40 („starke Beeinträchtigung in mehreren Bereichen“) nicht unterschreiten.

Ziele werden gemeinsam festgelegt

Ist eine Soziotherapie durch die KV genehmigt, wird in einem gemeinsamen Dreiergespräch mit Psychotherapeut, Soziotherapeut und Patient die bestehende Problematik besprochen. In bis zu fünf Probeeinheiten können sich Patient und Soziotherapeut kennenlernen und dadurch konkretisieren, an welchen Stellen eine zusätzliche Unterstützung sinnvoll sein könnte. Das Ergebnis dieser Überlegungen wird im sogenannten „Betreuungsplan“ zusammengefasst und gemeinsam mit dem Psychotherapeuten besprochen.

Die Wirksamkeit einer ergänzenden Soziotherapie beruht auf einer guten Abstimmung zwischen den Behandelnden. Daher ist es wichtig, dass es auch im weiteren Verlauf regelmäßig zu Abstimmungen und Austausch zwischen allen Beteiligten kommt.

So kannst du weitere Informationen bekommen 

Wenn du als Psychotherapeut einen Soziotherapeuten hinzuziehen möchtest, wirst du mitunter feststellen müssen, dass in deiner Stadt noch kein soziotherapeutisches Leistungsangebot existiert, so etwa in Frankfurt, Düsseldorf, Hannover, Potsdam oder Erfurt. In anderen Städten, wie etwa München oder Hamburg, ist das Angebot noch eingeschränkt. Ob in deiner Region soziotherapeutische Leistungen abrufbar sind, kannst du z.B. bei den Krankenkassen, den sozialpsychiatrischen Diensten und den Landespsychotherapeutenkammern erfragen. Der Bundesverband der Soziotherapeuten hat auf seiner Homepage auch Adressen zusammengestellt.  

Weitere Informationen zur Soziotherapie findest du auch in der Praxis-Info der Bundespsychotherapeutenkammer.