Humor öffnet neue Horizonte

Mit einer guten Portion Humor lebt es sich leichter. (Foto: Taylor Nix - Unsplash)

Es ist wieder so eine Stunde: Dein Klient sitzt resigniert vor dir und fühlt sich wie in einer Sackgasse. Ein Perspektivwechsel muss her! Aber wie kann der gelingen? Über Humor, sagt unsere Autorin Nanni Glück. Denn über Lachen und Spiel können wir leichter in positive Emotionen kommen und neue Denkansätze finden. Erfahre hier, wie du als Coach selbst mehr Humor in deinen Alltag und deine Coachingstunden bringen kannst.

„Der sieht ja den Wald vor lauter Bäumen nicht.“ Bestimmt kennt der eine oder die andere von euch eine solche Situation: Euer Klient fühlt sich verzagt, hoffnungslos und sieht keine neuen Denkansätze oder Handlungsoptionen, die eine Erleichterung der Situation versprechen könnten. Wie in einem Tunnel richtet sich der Fokus nur auf das Problem, überall tauchen plötzlich Hindernisse auf, jeder Weg scheint eine Sackgasse. Gelingende Gedanken, Zuversicht und Optimismus werden unter all den aufsteigenden Sorgen und Ängsten immer tiefer begraben. Eine Negativspirale entsteht, in deren Strudel der Betroffene immer weiter in den Abgrund der Ausweglosigkeit gerissen wird. Was kann in einer solchen Situation helfen?

Erlebt ein Mensch eine positive Emotion, dann erweitert sich sein Blickfeld und er wird offen für neue Denk- und Handlungsmöglichkeiten. (Foto: Laura Pratt, Unsplash)

Positive Emotionen erweitern das Blickfeld

Barbara Fredrickson, US-amerikanische Psychologin, hat mit ihren bahnbrechenden Erkenntnissen nicht nur die Entwicklung der Positiven Psychologie beeinflusst. Sie hat auch für uns Coaches und Berater eine Grundlage geschaffen, auf der wir unsere Klienten schneller und nachhaltiger in ihre Selbstwirksamkeit bringen können.

Die Grundlage, um die es hier geht, ist die Broaden-and-Built-Theory of Positive Emotions, deren Aussagekraft Fredrickson in vielen Studien nachgewiesen hat. Erlebt ein Mensch eine positive Emotion, dann erweitert sich sein Blickfeld und er wird offen für neue Denk- und Handlungsmöglichkeiten. Mit diesen neuen Perspektiven steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Mensch Lösungswege für Herausforderungen erfolgreich beschreiten kann, was wiederum ein positives Gefühl auslöst. Dadurch entsteht eine Aufwärtsspirale, in der sich der Mensch als wirksam, gestaltend und gelingend wahrnimmt – genau das, was wir bei unseren Klienten erreichen möchten.

Durch Humor erleben wir positive Gefühle

Die Aufgabe, die sich nun stellt, ist, den Klienten dazu zu bringen, eine positive Emotion zu erleben. Ich möchte an dieser Stelle klarstellen, dass es nicht darum geht, mit dieser positiven Emotion negative Gefühle zu überdecken. Im Gegenteil: Die negativen Gefühle und Gedanken müssen da sein dürfen, sie müssen akzeptiert und anerkannt werden. Das Erleben der positiven Emotion dient „nur“ dazu, die Person zu stärken und ihr Blickfeld zu öffnen, um so den wichtigen Perspektivwechsel einzuläuten. Und hier kommt der Humor ins Spiel! Denn Humor hilft uns, eine andere Sichtweise einzunehmen und uns dabei gut zu fühlen. Erleben wir Humor, erleben wir ein positives Gefühl.

Wenn wir als Coach oder Berater gezielt Humor einsetzen, um unsere Klienten zu ermuntern, ihre Situation aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, tragen wir in diesem Moment dazu bei, dass sich unser Klient besser fühlt, weil er vielleicht lachen oder schmunzeln muss. Damit wird er offen für neue Sichtweisen und Handlungsmöglichkeiten und er erlebt sich als Mensch, der gestalten und einwirken kann.

Bitte lächeln! Humortraining ist kraftvolle Ressource. (Foto: Wyron a tm, Unsplash)

Was ist dein eigener Sinn für Humor?

Um Humor im Coaching oder in der Beratung sinnvoll einsetzen zu können, ist es zunächst einmal wichtig, deinen eigenen Sinn für Humor zu kennen. Fällt es dir schwer, dich und dein eigenes Leben humorvoll zu betrachten oder nutzt du für dich selbst Humor nicht oder nur sehr selten als „natürliche“ Coping-Strategie, empfehle ich dir nicht, ohne vorheriges Humortraining diese kraftvolle Ressource bei den Klienten einzusetzen. Humor funktioniert nur, wenn er wertschätzend und authentisch ist. Damit dies gelingen kann, solltest du selbst damit vertraut sein. Paul McGhee, ebenfalls ein US-amerikanischer Psychologe, hat ein siebenstufiges Humortraining entwickelt, das sich gut in Eigenregie durchführen lässt und auch viele Anregungen bietet, wie du deine Klienten zu einem humorvolleren Umgang mit dem Leben animieren kannst.

Worüber kannst du lachen? (Braydon Anderson, Unsplash)

7 Schritte, um den eigenen Humor zu kultivieren

  1. Bewusst mit Humor umgeben. Worüber kannst du lachen? Versuche, möglichst viel davon jeden Tag zu erleben. Triff dich mit Freunden, die dich zum Lachen bringen, oder schau dir lustige Filme und Cartoons an.
  2. Spielerische Haltung im Alltag. Beobachte Kinder und Tiere beim Spielen, sei albern und überlege, was du einfach nur so aus Spaß an der Freude tust, ohne dass es einen Sinn oder einen Zweck verfolgt. Ganz wichtig: Schaff dir einen Reminder, der dich immer wieder freundlich daran erinnert, in den Spielmodus zu kommen.
  3. Lachen trainieren. Versuche, wenn dir danach zumute ist, laut und herzlich zu lachen. Halte danach kurz inne und spüre in dich hinein: Wie fühlt sich der Körper jetzt an? Was ist anders? Während du bewusst viel öfter kräftig und herzlich lachst, trainierst du auch deinen Optimismus. Um dies zu unterstützen, führe ein Glückstagebuch, in das du all die schönen, positiven und lustigen Dinge notierst, die dir heute widerfahren sind.
  4. Wortwitz. McGhee hatte eine besondere Vorliebe für Wortwitz. So dreht sich die vierte Stufe ganz allein um dieses Thema: Wortspiele, Mehrdeutigkeiten, verdrehte Sprichwörter… alles, was paradox oder inkongruent ist, wirkt komisch.
  5. Humor im Alltag finden. Werde kreativ, brich Tabus oder schärfe deinen Sinn für Ironie. Selbst am grauesten Tag lässt sich einiges zum Schmunzeln und Lachen entdecken.
  6. Über dich selber lachen. Du merkst schon, langsam wird es anspruchsvoller. Über sich selbst zu lachen, erfordert etwas Mut, denn dafür musst du dir all deine Schwächen, Fehler und „negativen“ Eigenschaften eingestehen. Lustig wird es, wenn du übertreibst, dich selbst nicht zu ernst nimmst und den Mut zum Scheitern beweist!
  7. Die Königsdisziplin: Humor bei Stress. Hier helfen Methoden der humoresken Reduktion, des Katastrophisierens, dem wohlwollenden und schmunzelnden Rückblick auf Vergangenes oder den Blick in die Glaskugel: Kann ich den morgigen Humor in der Krise von heute entdecken?

Humor und Achtsamkeit gehen Hand in Hand

Inspiriert von Fredrickson und McGhee entwickelte ich eine Theorie: Gelänge es, in stressigen Situationen, statt eines meist automatischen negativen Reaktionsmusters, erst einmal bewusst innezuhalten und dann – sozusagen als Erstreaktion – in sich selbst eine positive Emotion zu evozieren, würde sich der Horizont öffnen und neue Denkweisen und Handlungsmöglichkeiten würden leichter zugänglich.

In meinem sechswöchigen Training, das ich vor diesem Hintergrund konzipiert habe, waren neben Humor auch Achtsamkeit und positive Körperarbeit wichtige Wirkfaktoren. Die Teilnehmer meiner Trainings erlebten danach signifikant mehr positive Emotionen am Arbeitsplatz als davor. Besonders die Verspieltheit erhöhte sich – laut McGhee eine wichtige Voraussetzung, um zukünftig Humor noch besser als Coping-Strategie einsetzen zu können. Auch haben die Teilnehmenden das Training sehr genossen. Sie hatten alle den Eindruck, mehr Leichtigkeit und Zuversicht gewonnen zu haben und fühlten sich gestärkt und viel lebendiger als vor Trainingsbeginn.

Animiere das innere Kind zum Herumtollen. (Foto: Pexels)

1-fix-3 zu Freude über Fehler

Eine ganz einfache Übung, um schnell aus dem rationalen Denken herauszukommen und das innere Kind zum Herumtollen zu animieren, ist folgende: Man steht sich paarweise gegenüber und beginnt abwechselnd von 1-3 zu zählen. Kommt man bei 3 an, beginnt man sofort wieder von vorne. Bei jedem „Fehler“ wird wieder bei 1 begonnen. In der Regel entsteht hier schnell eine ausgelassene und heitere Stimmung.

Sollte das noch keine durchschlagende Wirkung erzielt haben, kannst du auch „Dick und Doof“ spielen: Auch hier steht man sich paarweise gegenüber, einer ist Dick und bläht die Backen ganz weit auf. Der andere ist Doof und macht einen entsprechend übertrieben dümmlichen Gesichtsausdruck. Ein Spielleiter klatscht rhythmisch und bei jedem Klatschen werden die Rollen getauscht. Ziel des Spiels ist es, nicht zu lachen!

Perspektivwechsel leicht gemacht

Eine ganz einfache Übung, die auch im Eins-zu-Eins-Coaching sehr gut funktioniert, sind Kontra-Assoziationen. Du gibst deinem Klienten Begriffe vor, zu denen er Gegenteiliges assoziieren soll – und zwar unmittelbar, ohne lange zu überlegen. Diese Übung kann sehr schnell zu großer Erheiterung führen und öffnet dem Klienten auf spielerische und lustige Art ganz neue Horizonte.

Durch Humor und solche kleinen, spielerischen Übungen unterstützt du deine Klienten, positive Emotionen selbst zu induzieren und besser mit den Herausforderungen des (Berufs-)Alltags zurechtzukommen. Indem sie in Situationen, die unangenehm oder gar schmerzhaft sind, bewusst nach Dingen Ausschau halten, die absurd, verwunderlich oder zum Staunen sind, wechseln sie ihre Perspektive und ein neuer Horizont voller Möglichkeiten öffnet sich ihnen.