Menschen ins Hier und Jetzt begleiten – Yoga-Elemente im Coaching

Den eigenen Kopf beruhigen, Abstand zu den eigenen Gedanken gewinnen, wertfrei mit sich selbst umgehen, den Körper anders erfahren. Vielen Klientinnen unserer Autorin Mirijam Lorch fällt das schwer. Als Coach und Yogalehrerin hat sie daher angefangen, Yogaelemente in ihre Coachings miteinfließen zu lassen. Wie das aussieht, zeigt sie dir in diesem Artikel.

Wenn Du an Yoga denkst, an was denkst du dann? Sich wie eine Brezel verbiegen? Rumliegen und atmen? Im Lotos-Sitz ‚Om‘ singen? Das sind hierzulande gängige Vorstellungen von Yoga und letztlich kommen diese Bilder auch nicht von ungefähr. Die Yoga-Philosophie beschreibt jedoch verschiedene Wege, Yoga zu praktizieren –  auch neben den allseits bekannten Körperhaltungen, die dem Hatha Yoga zugeordnet werden. Über die Jahre habe ich einen Weg gefunden, Elemente dieser überlieferten Tradition in meinen Coachings einzusetzen. Der folgende Artikel soll einen kleinen Einblick geben, wie Yoga und Coaching als Reflexions- und Erkenntnisprozess zusammenwirken.


Mit Selbstbeobachtung eigene Muster kennenlernen

Ein Aspekt des Yoga ist Raja-Yoga. Davon hast du noch nie gehört? Das ging mir am Anfang auch so, als ich erste Einblicke in die yogische Welt erhielt. Raja Yoga erklärt, grob gesagt, wie der menschliche Geist funktioniert und wie wir ihn beherrschen können. Anders ausgedrückt geht es um die Kontrolle des Bewusstseins und des Denkens. In den überlieferten Texten wird davon gesprochen, durch Selbstbeobachtung die eigenen Muster und Verhaltensweisen kennenzulernen. Einfacher gesagt, als getan. Oftmals braucht es dafür ein Gegenüber, z. B. einen Coach. Yoga ist ein Weg der Selbsterkenntnis. Dieser Aspekt ist vielen unbekannt. Wenn wir Coaching als Reflexions- und Erkenntnisprozess verstehen, scheinen Yoga und Coaching gar nicht weit auseinander zu liegen.

Sich den eigenen Gedanken ausgeliefert fühlen

Zur persönlichen Innenschau werden „Tools“ wie Achtsamkeit und Meditation empfohlen. Das kommt dir bekannt vor? Kein Wunder! Das, was heute in aller Munde ist, wurde also schon vor einigen tausend Jahren empfohlen. Da scheint ja was dran zu sein. Aber was heißt es nun, „den Geist beherrschen“ zu wollen? Und warum wollen wir das tun? Klientinnen schildern mir oft, dass sie ihren Geist und Gedanken wenig kontrollieren können. Das geht soweit, dass sie sich den eigenen Gedanken ausgeliefert fühlen und sich machtlos den inneren Vorgängen gegenüber sehen. Daher setze ich, je nach Coachingprozess, Meditation und Achtsamkeit ein. Zum Einstieg wähle ich dabei oft geführte Entspannungs- bzw. Körperreisen. Viele meiner Klientinnen mögen dabei besonders gerne den sogenannten Bodyscan oder Yoga Nidra. Du findest auf Youtube einige schön eingesprochene Versionen. Diese Meditationen werden zwischen den Sitzungen selbstständig zu Hause geübt. In der gemeinsamen Coachingsession besprechen wir dann die Erfahrungen.


Angenehme Distanz zu geistigen Vorgängen

Manchmal werde ich gefragt, was das bringt, zu meditieren? So wie ich es erlebe, hilft diese Art der Meditation, aus dem Kopf in den Körper zu kommen. Der Geist wird sozusagen „runterreguliert“. Das nehmen meine Klientinnen als erleichternd wahr, da sie ihren Geist oft als überaktiv empfinden. Durch diese Meditationen entwickeln sie eine angenehme Distanz zu den geistigen Vorgängen.

Je nach Hintergrund und Wünschen der Klientin, ist die stille Meditation ebenfalls eine gute Methode. Sie ermöglicht es, eine Metaperspektive einzunehmen. Das Denken über das Denken. Was geht mir denn so durch den Kopf? Wie spreche ich eigentlich mit mir selbst? Die wenigsten meiner Klientinnen haben, wenn sie zu mir ins Coaching kommen, ihren inneren Dialog auf diese Art und Weise wahrgenommen. 
 

Den Körper anders erfahren

Um den Prozess „raus aus dem Kopf“ zu unterstützen, bediene ich mich auch  einfacher Dehn- und Streckübungen. Als Yogalehrerin ist mir Körperarbeit bekannt. Und irgendwann habe ich mich gefragt, warum setze ich das eigentlich nicht auch im Coaching ein? Gerade bei sehr kopflastigen Klientinnen kann es unterstützend sein, den Körper anders zu erfahren und neu zu erleben. Manchmal auch überhaupt wahrzunehmen. Daher haben meine Coachingprozesse auch eine körperliche Komponente. Der Körper ist sozusagen ein Coachinginstrument.

Wertfrei beobachten

Neben den Meditationen und Yogaübungen nutze ich auch Achtsamkeitspraxis in meinen Begleitprozessen. Achtsamkeit war die letzten Jahre ein riesiges Schlagwort. Was jeder Einzelne darunter versteht, variiert sicherlich. Ich selbst verstehe darunter zum einen im Hier und Jetzt sein und zum anderen wertfrei wahrzunehmen. Und so nutze ich es auch in meinen Coachings. Es geht darum, dass sich die Klientinnen selbst und ihre eigenen Handlungen wertfrei beobachten.

Das ist gerade zu Beginn sehr oft eine Herausforderung bzw. löst einige Widerstände aus. Die Klientinnen beobachten sich im Alltag und führen ein Achtsamkeitsjournal. D. h. diese Beobachtungen erfolgen zwischen den Coachingsitzungen und werden dann im Coaching besprochen und reflektiert. Hier spannt sich wieder der Bogen zum anfänglich vorgestellten Konzept des Raja Yogas. Kontrolle über das Bewusstsein und das Denken erlangen; weg vom Gefühl des Ausgeliefertseins, hin zu einer neuen Art und Qualität der geistigen Vorgänge.

Yoga im Coaching als Begleitprozess

Das Ganze ist ein Prozess des Übens, in Begleitung einer Person, die bereits Erfahrung damit gemacht hat. Ich selbst sehe mich hier als jemanden, der etwas Licht ins Dunkle bringt, da ich selbst schon ein Stück des Weges gegangen bin. Aus dieser Erfahrung heraus kann ich Hilfestellung geben. So habe ich über die letzten Jahre meine Leidenschaften Yoga und Coaching enger miteinander verknüpft. Das erlaubt mir im Begleitprozess die Kombination der psycho-emotionalen, mental-kognitiven und physisch-strukturellen Ebene. Anliegen können so unterschiedlich betrachtet und „bearbeitet“ werden.