Mutterglück? Mutterglück! So stärkst du Frauen und Paare rund um die Geburt eines Kindes

Glück und Liebe, Trauer und Angst – die Mutterschaft wird häufiger von sich widersprechenden Gefühlen begleitet als angenommen. (Foto: Shelby Deeter – Unsplash.com)

Unsicherheiten, Zweifel, Erschöpfung, Trauer – die Rolle als frischgebackene Eltern ist nicht so leicht, wie es oft dargestellt wird. Umso schambehafteter kann es für Frauen und Paare sein, wenn sie anstatt Elternglück Überforderung, Verlust und Angst verspüren. Wie du sie als Berater stärken kannst, zeigt dir unsere Autorin Melanie Wegerer.

Eine Frau in blütenweißer Bluse füttert lächelnd ein fröhliches Baby. Kein Fleck am Strampler des neuen Erdenbürgers, kein Anflug von Müdigkeit im Gesicht der Mutter. So sieht es aus, das perfekte Mutterglück! Doch nicht nur in Werbung oder Ratgebern begegnet Müttern das Bild der Frau, die scheinbar alles so mühelos bewältigt. So manch eine fragt sich: „Wie schafft es diese eine Frau in der Krabbelgruppe nur ständig so entspannt zu wirken?“ „Kennt denn keine außer mir diese grundlose Trauer oder die zum Reißen angespannten Nerven?“

Vielleicht bist du selbst Mutter und kennst ähnliche Gedanken. Oder du möchtest als Beraterin junge Mütter bzw. Eltern begleiten. Hier findest du heraus, welche Hindernisse sich auf dem Weg zum Mutterglück zeigen können und wie du junge Mütter und Eltern stärken kannst.

positiver Schwangerschaftstest

Gute Ratschläge und die eigene Intuition

Vom positiven Schwangerschaftstest bis zum ersten Tag in der Kinderkrippe sind unzählige Entscheidungen zu treffen. Welche vorgeburtlichen Untersuchungen sollen wahrgenommen werden? Entbinden im Geburtshaus oder in der Klinik? Der beste Schnuller, die sicherste Kindermatratze, die gesündeste Säuglingsnahrung. Für das eigene Kind will selbstverständlich jeder nur das Beste. Und was mir junge Mütter immer wieder bestätigen: wenn es ums Kinder kriegen geht, scheint plötzlich jeder im Umfeld Experte zu sein und mit gut gemeinten Ratschlägen wird oft nicht gespart. Dazu kommt, dass auch Meinungen von Ratgebern und Mama-Bloggerinnen sich häufig unterscheiden oder sogar widersprechen. Dass junge Eltern hier mit Verunsicherung reagieren, ist wenig verwunderlich. Beim Blick auf die reichlich bestückten Babyartikel-Regale im Drogeriemarkt drängt sich auch mir manchmal der Gedanke auf: „Wie sollen es Mütter bei all den Optionen überhaupt richtig machen können?“ Die Antwort lautet jedoch: Es gibt mehrere Arten, die Sache für sich und sein Kind gut zu machen! Hilfreich ist es deshalb, wenn du junge Mütter darin stärkst, auch ihrer eigenen Intuition und Meinung zu vertrauen.

Baby bekommt Kuss von Mama

Was für eine Mutter möchte ich sein?

Schon in der Schwangerschaft oder lange davor stellt sich die Frage „Was für eine Art Mutter möchte ich sein?“ Die Orientierung an gängigen Rollenmodellen kann für manche hilfreich, häufig aber auch blockierend sein. Begleite Frauen darum besser beim Entwerfen ihres eigenen Modells von Mutterschaft. „Wer bleibt beim Kind und wann gehe ich wieder arbeiten?“ „Kann und möchte ich stillen?“ „Welche Krabbelgruppe passt zu mir und wo habe ich das Gefühl, auch mit all meinen Unsicherheiten da sein zu können?“ Als Beraterin kannst du Frauen dazu ermutigen, sich vom Bild der „perfekten Mutter“ zu verabschieden und sich auf den Weg zu machen, eine „good enough mother“ zu sein. Dabei bedeutet Elternschaft auch Anpassung an ständige Veränderung. Der Tagesablauf, der gestern noch gut funktioniert hat, kann morgen durch ein sich ständig weiter entwickelndes Kind schon unpassend werden. Der in der Theorie am besten klingende Entwurf der eigenen Mutterschaft kann sich dann in der Praxis vielleicht doch als eher unpassend für einen selbst erweisen. Mütter brauchen hier Mut zur Improvisation und einen wohlwollenden Blick auf die eigenen Entwicklungsbereiche – Aspekte, die wir unseren Klientinnen nicht nur im Gespräch vermitteln, sondern auch als Modelle vorleben können.

Ermutige junge Eltern darin, auch Hilfe von anderen in Anspruch zu nehmen. (Foto: Johnny Cohen – Unsplash.com)

Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen.

Nicht nur die Rolle der Mutter will gestaltet werden. Wenn die erste Zeit mit Kind bewältigt ist, meldet sich bei vielen Frauen eine Stimme, die da sagt: „War da nicht auch noch etwas anderes?“ Eine junge Mutter kann deshalb auch deine Unterstützung dabei brauchen, wieder ihre anderen Rollen, wie zum Beispiel Partnerin, Freundin oder – so sie will – auch berufstätige Frau zu leben. Nicht nur deshalb ist es hilfreich, wenn du junge Eltern darin ermutigst, in der Kinderbetreuung auch Hilfe von anderen in Anspruch zu nehmen – sei es aus dem eigenen Umfeld oder auch professionelle Angebote. Ausgeruht fällt es Müttern wieder leichter, feinfühlig auf die Bedürfnisse ihres Kindes einzugehen.

Für Mütter kann das Ansprechen ambivalenter Gefühle entlastend wirken. (Foto: Paul Hanaoka – Unsplash.com)

Ambivalente Gefühle ansprechen

Selbst wenn das Kind geplant und erwünscht war, sind ambivalente Gefühle in Bezug auf das Kind und die Mutterschaft eher die Regel als die Ausnahme. Neben der Liebe zum Kind erleben Frauen zum Beispiel auch Wehmut über den Verlust früherer Freiheiten, Trauer über das Hintanstellen beruflicher Selbstverwirklichung oder auch Eifersucht darüber, die Zuneigung des Partners nun mit einem neuen Menschen teilen zu müssen. Von flüchtigen Gedanken bis zu quälenden Gefühlen können solche Reaktionen ganz unterschiedliche Ausmaße annehmen. Im Kern sind sie völlig menschliche Reaktionen auf die Herausforderungen der Elternschaft. Das Aussprechen all dieser Gefühle kann für Mütter eine entscheidende Entlastung darstellen. Dennoch ist es für viele sehr schambesetzt. Für junge Eltern ist es deshalb häufig hilfreich, wenn du mögliche ambivalente Gefühle aktiv erfragst.

Hauptsache das Kind ist gesund!

Die Geburt eines Kindes stellt für Frauen sowohl körperlich als auch psychisch eine Grenzerfahrung dar. Gefühle von Stolz und Euphorie, aber auch Angst, Ausgeliefertsein und Kontrollverlust können das Geburtserleben begleiten. Alleinig das subjektive Erleben der Frau ist entscheidend dafür, ob eine Geburt als psychisch belastend oder sogar traumatisch zu erachten ist. Im Zuge der #MeToo-Debatte wurden auch erlebte Unachtsamkeiten bis hin zu Gewalterfahrungen im Kreißsaal zunehmend thematisiert. Aber zum Beispiel auch ein ungeplanter Kaiserschnitt stellt für viele eine enorme Belastung dar und kann – insbesondere bei sehr leistungsorientierten Frauen – auch ein Gefühl des eigenen Versagens erzeugen. Gut gemeinte Aufmunterungsversuche wie „Sei doch froh! Hauptsache, du und das Kind seid gesund!“ werden hier oft als sehr verletzend wahrgenommen. Nimm Enttäuschungen über den Geburtsverlauf daher auf jeden Fall ernst und ermögliche der Frau, ihre Gefühle darüber auszudrücken.

Kind mit Teddy

Geister der Kinderstube

Rund um die Geburt eines Kindes werden Erinnerungen an die eigene Kindheit aktiviert. Positive Erlebnisse mit den eigenen Eltern, aber auch Verletzungen bis hin zu Traumatisierungen rücken nochmals verstärkt ins Bewusstsein der jungen Eltern. Du kannst Mütter hier unterstützen, indem du ihnen dabei hilfst, eigene Verletzungen auszudrücken und das eigene „innere Kind“ gut zu versorgen. Von einer traumakonfrontativen Behandlung solltest du jedoch in der Zeit rund um die Geburt eher absehen.

Wenn alles zu viel wird…

Manchmal finden junge Mütter trotz Erschöpfung nicht mehr in den Schlaf. Oder es treten aggressive Impulse dem Kind gegenüber, Suizidgedanken oder auch psychotische Symptome auf. Spätestens dann muss ein spezialisierter Psychiater oder eine psychiatrische Mutter-Kind-Abteilung zu Rate gezogen werden. Die Sicherheit von Mutter und Kind erfordert hier aktives Handeln. Und: Frauen und ihre Angehörigen brauchen deine Ermutigung und neutrale Information. Denn häufig hindern Befürchtungen wie die, vom Kind getrennt zu werden, oder Ängste vor der Jugendwohlfahrt junge Eltern daran, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dabei sind psychiatrische Krisen rund um die Geburt in aller Regel gut behandelbar.

Familie vor einer Mauer in grau

Und wo bleibt der Vater?

Schätzungen gehen davon aus, dass nicht nur 10-15% der Mütter, sondern auch etwa 5-10% der Väter rund um die Geburt eines Kindes an Depressionen erkranken. Selbst wenn psychische Krisen nicht das Ausmaß einer Erkrankung annehmen, stellt die neue Elternrolle selbstverständlich auch Männer vor entscheidende Herausforderungen. Psychologische Begleitung kann deshalb auch für Väter gleichermaßen hilfreich sein. Bezieh sie in deine Überlegungen mit ein und gehe im Zweifelsfall auch einen Schritt aktiv auf sie zu.

Eine Mutter von drei Kleinkindern hat mir einmal erzählt: „Wann immer eines unserer Kinder Geburtstag hat, gratulieren meine Freundinnen und ich auch uns gegenseitig dazu, dass wir unser Kind ein weiteres Jahr großgezogen haben.“ Das ist vielleicht eines der wichtigsten Dinge, die wir als Beraterinnen für Eltern tun können: Sie erinnern, loben und anerkennen für all das Vollbrachte – sei’s die Mühen der Geburt, die Geduld bei den ersten Zähnen oder das Wiegen in den Schlaf.

Weitere Informationen findest du hier:

http://marce-gesellschaft.de/

https://www.fruehehilfen.de/

https://www.fruehehilfen.at/