Warum Biofeedback als Therapietool bei chronischen Schmerzen hilft

Frau hält aufgrund von Schmerzen ihre Hand an den Rücken

Chronische Schmerzen erzeugen bei Patient*innen massiven Leidensdruck. Das körperliche Erklärungsmodell führt allerdings oft zu geringer Bereitschaft für psychotherapeutische Behandlungsansätze. Biofeedback setzt auf der körperlichen Ebene an und kann so helfen, Motivation und  Selbstwirksamkeit für die Therapie zu erhöhen und chronische Schmerzen zu reduzieren.

Chronische Schmerzen sind weit verbreitet und erzeugen bei Patient*innen massiven Leidensdruck und Hilflosigkeit. Patient*innen haben häufig ein körperliches Erklärungsmodell für ihre Beschwerden, was mit einer geringen Bereitschaft für psychologische und psychotherapeutische Behandlungsansätze einhergeht. Häufig nehmen sie diese erst nach einer langen Odyssee an Arzt- und Therapieversuchen ohne zufriedenstellenden Erfolg in Anspruch. Nicht selten spüre ich im Erstgespräch Widerstand und höre Sätze wie z. B.: „Ich weiß gar nicht, was ich hier soll! Ich bin ja nicht psychisch krank, ich habe nur Schmerzen.“ Diese Skepsis macht die Behandlung zu einer großen Herausforderung.

In diesem Artikel stelle ich dir vor, wie man mit Hilfe von Biofeedback chronische Schmerzpatient*innen dabei unterstützen kann, Therapiemotivation zu entwickeln, die Selbstwirksamkeit zu erhöhen und chronische Schmerzsymptomatik zu reduzieren.

Was ist Biofeedback?

Biofeedback ist eine therapeutische Intervention, die Patient*innen darin unterstützt, zu lernen, wie sie ansonsten eher unbewusst ablaufende Körperfunktionen besser wahrnehmen und willentlich kontrollieren können. So können die Auswirkungen von Körperhaltungen und psychischen Einflüssen auf das Schmerzgeschehen eindrucksvoll deutlich gemacht werden. Ziel ist es, Schmerz auslösende oder aufrechterhaltende Faktoren durch objektive physiologische Messungen aufzuzeigen. Diese können z. B. sein: chronisch erhöhter Muskeltonus im Nacken, Schonhaltungen, ungünstige Atemmuster oder erhöhte Reaktivität des peripheren Nervensystems auf alltägliche Stressoren.

Im nächsten Schritt versucht man, die individuell am besten geeignete Trainingsmethode zu finden, welche die Patient*innen auf Dauer im Alltag ohne Biofeedbackgerät aktiv zur Reduktion ihrer Schmerzsymptomatik einsetzen können.

Ein Arzt und eine Patientin unterhalten sich über Biofeedbackmessung

Um diesen Lernprozess erfolgreich zu verwirklichen, benötigen sie Rückmeldung. Dieses „Feedback“ können Biofeedbackgeräte liefern, indem die Veränderung verschiedener unbewusster Körperfunktionen über Sensoren an einen PC übertragen und am Bildschirm mittels spezieller Software anschaulich dargestellt wird. Typische Messwerte sind dabei z. B. der Hautleitwert, die Fingertemperatur, der Muskeltonus, die Atemfrequenz und Pulsfrequenz. Diese Rückmeldung ermöglicht ein sehr leichtes Verstehen der Zusammenhänge zwischen körperlichen Vorgängen und gedanklichen oder emotionalen Reaktionen.

Akuter vs. chronischer Schmerz

Schmerzpatient*innen sind häufig fixiert darauf, die Ursache für ihre Beschwerden zu finden. Sie glauben, wenn man herausfindet, was in ihrem Körper „kaputt“ ist und dies „repariert“ wird, würden die Schmerzen verschwinden. Dies ist auch ganz nachvollziehbar, da wir in unserem Leben von Kind an solche Erfahrungen mit akuten Schmerzen sammeln. Wenn wir z. B. hinfallen und uns verletzten, erleben wir Schmerz. Aber nach einer gewissen Zeit und entsprechender Behandlung wird es besser und in der Regel verschwindet der Schmerz wieder völlig. Wir können uns sogar kaum an das Schmerzgefühl erinnern.

Bei chronischen Schmerzen ist das anders. Der Schmerz verschwindet nicht bzw. kommt immer wieder und häufig findet sich keine körperliche Verletzung, welche die starken Schmerzen ausreichend erklären würde. Durch verschiedene Chronifizierungsmechanismen hat sich ein körperliches Schmerzgedächtnis ausgebildet. Die Patient*innen machen die Erfahrung, dass man die Ursache nicht findet, fühlen sich ihren Schmerzen hilflos ausgeliefert und resignieren.

Eine Frau umfasst ihre Arme, Blick ist nach unten gesenkt.

Biofeedback wird meist gut angenommen

Wie kann Biofeedback in dieser verzwickten Lage helfen? Biofeedback hat den Vorteil, dass es an der körperlichen Ebene ansetzt und so von Schmerzpatient*innen meist gut angenommen wird. Die Behandlung beginnt mit einer Ausgangsmessung und liefert objektive Ergebnisse. Dabei werden sowohl Handlungsfelder als auch Ressourcen abgebildet. In den meisten Fällen erfüllt das den Wunsch der Patient*innen eine „Erklärung“ für den Schmerz zu finden. Im nächsten Schritt erarbeitet man darauf aufbauend einen Trainingsplan mit den Patient*innen. Dabei erfahren sie, dass die Ergebnisse der Messung nicht in Stein gemeißelt sind, sondern, dass sie diese selbst verändern können. Therapiemotivation und Selbstwirksamkeit können sich wieder entwickeln. Biofeedbackgeräte können Schmerz nicht „wegzaubern“, aber Patient*innen darin unterstützen, neue Wege zu finden mit dem Schmerz besser umzugehen.

Um sich das ganze besser vorstellen zu können, möchte ich abschließend ein Praxisbeispiel schildern.

Fallbeispiel einer Patientin mit chronischen Rückenschmerzen

Frau M., 52 Jahre litt seit 13 Jahren unter chronischen Rückenschmerzen und kam nach einem Klinikaufenthalt zu mir in psychologische Behandlung. Sie wirkte skeptisch und kurz angebunden. Sie versprach sich nicht viel von ihrem Termin. Sie sei nur hier, weil ihr Hausarzt sie geschickt habe. Bei der Anamnese antwortete sie knapp und ungeduldig. Sie klagte, sie habe alles schon so oft erzählen müssen. Entspannung habe sie bereits versucht, das habe ihr nicht geholfen. Da sie berichtete, sie könne wegen ihrer Schmerzen nicht lange sitzen, machte ich eine gekürzte Version der Ausgangsmessung.

Die 4-minütige Messung zeigte, dass Gedanken an ihren Schmerz dazu führten, dass sich ihre Muskelspannung im Nacken deutlich erhöhte, sich ihre Atmung beschleunigte und ihr Hautleitwert als Zeichen einer Stressreaktion des sympathischen Nervensystems anstieg. In der Erholungsphase danach blieben die Werte erhöht. Das heißt sie konnte sich von alleine nicht ausreichend erholen. Allerdings konnte sie sich gut auf die nachfolgende Anleitung zur Bauchatmung einlassen, wodurch auch ihre Muskelspannung wieder sank.

Messung von Biofeedback

Ablauf: 1 Minute Entspannung, 1 Minute Konzentration auf Rückenschmerz, 1 Minute Entspannung, 1 Minute angeleitete Bauchatmung.

Dargestellte Messwerte:

Grüne Line: EMG = Muskelspannung im M. Trapezius (Nacken), Blaue Linie: Atemkurve = Bauchatmung, jede Zacke entspricht einem Atemzug, Gelbe Linie: Hautleitwert = Schweißdrüßenaktivität als Maß des Sympathischen Nervensystems

Beim Nachbesprechen der Messergebnisse wurde ihr das erste Mal der Einfluss ihrer Gedanken und Gefühle auf ihren Körper bewusst. Sie erkannte den Zusammenhang, dass Grübeln über ihren Schmerz dazu führte, dass sich ihre Muskeln verspannten und verspannte Muskeln zu mehr Schmerzen führten. Außerdem sah sie, dass sich Atemübungen positiv auf ihre Muskelspannung auswirkten. Dieses Aha-Erlebnis fand sie derart beeindruckend, dass sie von sich aus begann, lebhaft aus ihrem Alltag zu berichten und Fragen zu stellen. Sie war äußerst interessiert und blieb noch weitere 20 Minuten bis zum Ende der Einheit sitzen, ohne über Schmerzen zu klagen.

Aufgrund der Ausgangsmessung entschied ich mich, mit der Patientin im Rahmen der psychologischen Schmerzbehandlung ein Atemtraining durchzuführen. Dazu bekam sie in den nächsten Trainingseinheiten die Möglichkeit mit Atem-Feedback ihre Bauchatmung zu üben (jeweils 2x10 Minuten mit kurzer Pause dazwischen). Begleitend bekam sie Übungen für zu Hause mit.

Nach sechs Sitzungen hatte sie das Gefühl, die Technik gut zu beherrschen und auch im Alltag gezielt einsetzen zu können, um sich zu entspannen, vom Schmerz abzulenken und „Druck“ von ihren Schultern zu nehmen. Sie fühlte sich selbstbestimmter und hatte an Zuversicht gewonnen. Sie entschied sich die psychologische Behandlung fortzuführen.

Mann mit geschlossenen Augen

Eine Methode mit belegter Wirksamkeit

Eine Vielzahl an systematischen Untersuchungen und Meta-Analysen (z. B. Sielski, Rief & Glombiewski, 2017) belegt die Wirksamkeit von Biofeedback zur Linderung unterschiedlicher Schmerzzustände. Insbesondere für chronischen Spannungskopfschmerz, Migräne und chronischen Rückenschmerz gibt es gut evaluierte und hoch wirksame Trainingsprotokolle.

Daneben eignet sich Biofeedback auch als begleitendes Tool zum Aufbau eines biopsychosozialen Erklärungsmodells im Rahmen der Psychoedukation, Erhöhung der Compliance und Selbstwirksamkeitserwartung sowie zur Messung des Therapieerfolges.

 

Zum Weiterlesen

Martin, A. (Ed.). (2009). Wie wirksam ist Biofeedback? Eine therapeutische Methode. Mannheim: Huber.

Nestoriuc, Y., Martin, A., Rief, W., & Andrasik, F. (2008). Biofeedback treatment for headache disorders: a comprehensive efficacy review. Applied psychophysiology and biofeedback33(3), 125-140.

Sielski, R., Rief, W. & Glombiewski, J. A. (2017). Efficacy of biofeedback in chronic back pain: a meta-analysis. Int. J. Behav. Med., 24, 25–41. https://doi.org/10.1007/s12529-016-9572-9

Windthorst, P., Veit, R., Enck, P., Smolka, R., Zipfel, S., & Teufel, M. (2015). Biofeedback und Neurofeedback: Anwendungsmöglichkeiten in Psychosomatik und Psychotherapie. PPmP-Psychotherapie· Psychosomatik· Medizinische Psychologie65(03/04), 146-158.