Mit Life Design Coaching ins Tun kommen

Zwei Workshopteilnehmerinnen und zwei Coaches arbeiten zusammen vor einem Schaubild.

Ist das Leben ein Masterplan, den man durchdenken und genau festlegen kann? Natürlich nicht – und dennoch fällt es vielen Menschen schwer, vom Denken ins Handeln zu kommen. Im Life Design Coaching wird das Leben als gestalterische Aufgabe begriffen: kreativ, experimentell und immer im Fluss. Das Credo: „Act first, think later”! 

Der Raum gleicht einer Mischung aus Werkstatt, Labor und Kunstatelier. Hunderte bunte Post-its bedecken die Wände. Dazu kommen große Foto-Collagen und Skizzen. Selbst Fenster und Fußboden sind mit ihnen bedeckt. Und mittendrin die Workshopteilnehmer*innen, die vertieft in ihre Arbeit sind. Was hier wie kreatives Chaos anmutet, folgt einer klaren Struktur und einer zielgerichteten Methodik: Life Design. Der auf dem Design Thinking basierende Coaching-Ansatz macht die Coachees zu aktiven Gestalter*innen des eigenen Lebens. 

Mit dabei an diesem Tag ist auch Regina Winther. Die Produktgestalterin und Mutter von zwei Kindern ist seit einiger Zeit sehr unzufrieden mit ihrer beruflichen Situation. „Ich wollte unbedingt etwas ändern“, erinnert sie sich im Rückblick. „Meine Ideen waren allerdings sehr vage und ich wusste nicht, in welche Richtung ich gehen sollte.“ Herausforderungen, die auch die anderen Teilnehmer*innen an diesem Tag beschäftigen. Neben dem Problem der Entscheidungsfindung ist das vor allem die Frage, wie die gewünschte Veränderung in der Praxis auch wirklich umgesetzt werden kann, statt in alte Muster zurückzufallen oder an inneren wie äußeren Widerständen zu scheitern.

Ein Schaubild visualisiert verschiedene Aktivitäten oder Ressourcen, die einem im Leben wichtig sind.

Leben als gestalterische Aufgabe 

Life Design Coaching bietet hier praktische und konkrete Hilfe. Im Zentrum der von uns erstmalig im deutschsprachigen Raum angewandten Methode steht die Idee, das eigene Leben als gestalterische Aufgabe zu begreifen – kreativ, experimentell, spielerisch und immer im Fluss. Oft ein krasser Gegensatz zur Haltung unserer Klient*innen, die der Vorstellung folgen, das eigene Leben nach einem ausgefeilten Masterplan abarbeiten zu können. Eine Illusion, die immer öfter in einen Zustand großer Überforderung und Hilflosigkeit führt. Verschärft wird das durch gesellschaftliche, soziale und technologische Veränderungen, die im Begriff der VUCA-Welt zusammengefasst werden.

Das Akronym steht für Volatilität (Volatility), Ungewissheit (Uncertainty), Komplexität (Complexity) und Mehrdeutigkeit (Ambiguity). Es beschreibt eine Welt, die durch permanenten Wandel, den Mangel an Berechenbarkeit und Verlust alter „Gewissheiten“ geprägt ist und damit tiefe Verunsicherung, Irritation und Ängste auslöst. Im Life Design Coaching wollen wir Fähigkeiten (wieder) ausbilden und stärken, die das Individuum in die Lage versetzen, in dieser Umwelt zu navigieren, Handlungsfähigkeit und Autonomie zurückzugewinnen. Hierzu zählt vor allem das bewusste Wahrnehmen der eigenen Bedürfnisse und der stetige Abgleich mit externen Erwartungen. Im Life Design wollen wir der VUCA-Welt ein Mindset und Methoden gegenüberstellen, die den Menschen aus der passiven, reaktiven Haltung in die Rolle des aktiven Gestalters versetzen.
 

Veränderung wird zur körperlich-sinnlichen Erfahrung 

Der Ursprung dieses neuen Coaching-Ansatzes liegt im Design Thinking. Diese Innovationsmethode aus dem Silicon Valley boomt derzeit weltweit, wenn es darum geht, innovative Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Doch anstatt ein neues Smartphone oder eine Banking-App zu designen, geht es beim Life Design um die Gestaltung des eigenen Lebens – die Planung und Umsetzung von biographischen Entscheidungen als gestalterische Herausforderung. 

Klient*innen sollen dabei möglichst schnell in die Handlung gebracht werden. Langes Grübeln und Abwägen oder das oft jahrelang eingeübte „Umkreisen“ eines Problems werden durchbrochen und Handlungskompetenz zurückgegeben. In unserer Ingenieurkultur neigen wir dazu, ein Problem immer zuerst möglichst genau zu durchdenken, bevor wir aktiv werden. Das mag beim Bau eines Hauses oder eines Autos auch stimmen, im echten Leben hingegen hindert uns diese Haltung. Im Life Design folgen wir eher dem Credo: Act first, think later”. Denn erst über die Erfahrung ist Reflektion überhaupt möglich. Die Professorin der London Business School, Herminia Ibarra (2004), fasst das wie folgt zusammen: 

Wir lernen, wer wir sind, indem wir die Realität testen, nicht indem wir nach innen schauen. Um neu zu starten, müssen wir aus unseren Köpfen herauskommen. Wir müssen handeln."

Eine junge Frau sitzt nachdenklich an einem Tisch.

Vom Problem- in den Lösungsraum wechseln 

Eine wichtige Rolle spielt hierbei der Prozess des Life Designs, bei dem wir uns gedanklich zwischen zwei verschiedenen „Räumen“ hin und her bewegen: dem Problemraum und dem Lösungsraum. Im Problemraum starten wir mit dem ersten Schritt des Coachings, der Analyse. Hier gilt es, die Bedürfnisse und Wünsche, aber auch die Sorgen und Ängste der Coachees zu verstehen. Am Ende der Analyse steht die Formulierung eines sogenannten Problem-Statements, das die gewonnenen Erkenntnisse aus Phase Eins pointiert in einer Fragestellung zusammenfasst. Diese bildet den Übergang vom Problem- in den Lösungsraum und den Ausgangspunkt für den nächsten Schritt: die Ideation. Hier geht es darum, Möglichkeiten zu kreieren und Chancen zu eröffnen. Die Leitfrage lautet: Was wäre, wenn…? Es werden Lösungsansätze für die vorab definierte Frage kreiert. Dabei wird nicht die eine perfekte Lösung gesucht, sondern es werden eher möglichst viele unterschiedliche Ansätze geschaffen. Aus dieser Auswahl werden im Anschluss einzelne Ideen rausgepickt, um mit ihnen in die nächste Phase zu gehen: das Prototyping. In dieser Phase sollen die Ideen – die bislang noch Hypothesen waren – in der Praxis getestet werden. Solche Prototypen haben das Ziel, eine Idee in der Praxis auf Herz und Nieren zu prüfen, um zu sehen, zu spüren und zu erleben, ob eine Idee auch wirklich zu mir passt.  
 

Ins Tun kommen 

Neben dem Prozess spielt die Haltung des Life Designers eine ganz entscheidende Rolle. Essenziell sind die folgenden Faktoren:

  • Vorwärts scheitern: Große Veränderungen vollziehen sich nicht über Nacht. Life Design ist daher auch selten ein linearer Prozess von der Problemdefinition hin zur Lösung. Coachees durchlaufen oftmals mehrere Schleifen, in denen sie einzelne Phasen wiederholen, um eine für sie passende Lösung zu finden. Wenn eine Idee sich beispielsweise im Prototyping als nicht passend erweist, ist das kein Scheitern, sondern ein Hinweis darauf, neue Ideen zu entwickeln und diese wiederum zu testen. Wenn wir wiederum feststellen, dass wir keine ansprechenden Ideen kreieren können, sollten wir vielleicht noch einmal die Analyse vertiefen. Wir können jederzeit im Prozess zurückspringen und über dieses iterative Vorgehen zu immer relevanteren Ergebnissen kommen. 

Zwei Frauen und ein Mann schauen auf einen Laptop.
  • Auf den Ideen der anderen aufbauen: Neue Sichtweisen kennenzulernen und frische Perspektiven auf die eigenen Fragestellungen zu erhalten, ist im Life Design essenziell. Wir fördern daher die Ko-Kreation und Kollaboration in Form von Gruppenworkshops oder ermutigen die Coachees sich selbst solche zu schaffen.  

  • Ins Tun kommen: Ein Prinzip des Life Design Coachings ist es, dass Coachees in der Arbeit mit den Tools so gut wie immer das Gefühl haben „noch nicht fertig zu sein“. Dieser Zeitdruck ist immanent und von uns bewusst gewollt. Dahinter steht die Haltung, dass es keine perfekten Ergebnisse gibt und diese auch gar nicht erstrebenswert sind. Wir möchten stattdessen jede Idee möglichst schnell in die Praxis bringen, um sie als Prototyp zu testen.  
     

Life EQ: Was macht für dich ein gutes Leben aus? 

Die Tools im Life Design sollen dabei unterstützen. Indem sie spielerisch aufgebaut sind und einfachen Bildern folgen, machen sie die Arbeit am eigenen Life Design sinnlich erlebbar. Es ist eine sehr körperliche Methode, die neben Augen, Mund und Ohren auch Hände und Füße einbezieht – und das ist mit Life Design Tools auch in Zeiten von Corona problemlos in virtuellen Kontexten möglich. Eine Methodik, die das verdeutlicht, ist der Life EQ – was für Life Equalizer steht. Das Tool geht drei zentralen Fragen nach: 

  • Welche „Zutaten“ machen für mich ein glückliches Leben aus? 

  • Inwieweit sind diese Bedürfnisse aktuell für mich erfüllt? (Status-Quo-Analyse)  

  • Und wie würde ein in der Zukunft liegendes Idealbild aussehen? (Idealzustand) 

Mit Schiebereglern werden verschiedene Alltagselemente individuell gewichtet in einem Schaubild.

Die Methode fordert die Klient*innen aktiv auf, einzugreifen und die Regler, wie beim Equalizer der Stereoanlage, hoch- und runterzuschieben – und damit zwischen Status Quo (Standortbestimmung) und Zukunftsbild zu wechseln. Die Grundfragen lauten: Wo stehe ich heute? Wie möchte ich in Zukunft leben? Und was muss ich tun, um dieses Ziel zu erreichen? Der Life EQ hilft dabei, diesen Prozess spielerisch und visuell ansprechend zu begleiten. Dynamik und Haptik, die durch das Verschieben der Regler entstehen, lassen bei den Coachees einen neuen Zugang zu den eigenen Bedürfnissen entstehen. Veränderung wird zu einer körperlich-sinnlichen Erfahrung. 

Regina Winther hat ihr Life Design inzwischen komplett neugestaltet: Aus der ehemaligen Angestellten ist inzwischen eine Gründerin mit einem eigenen Label für nachhaltige Yoga-Taschen geworden. „Mir hat das Konzept des Prototypen-Baus geholfen, mit dem ich neue Ideen Schritt für Schritt getestet habe, um einen ersten Schritt zu machen und ins Handeln zu kommen“, fasst Regina ihren Prozess zusammen

 

Quellen 

Herminia Ibarra (2004). Working Identity: Unconventional Strategies for Reinventing Your Career. Harvard Business Review Press.