Mut neue Wege zu gehen – Wie ich nach Afrika zog und Onlinepsychologin wurde

Zum Jahreswechsel denken wir oft darüber nach, das neue Jahr anders zu gestalten und neue Wege zu gehen. Eine, die so mutig war, aus der Komfortzone auszubrechen und Neues zu wagen, ist unsere Autorin Romina Reginold. Wie sie nach Afrika zog und Onlinepsychologin wurde, erzählt sie dir im heutigen Artikel.

Ich bin gebürtige Schweizerin mit Wurzeln in Sri Lanka. Noch bis vor anderthalb Jahren habe ich in der Schweiz gelebt, Psychologie studiert, den Fachtitel als Psychotherapeutin erworben und einige Jahre als Psychologin in diversen Institutionen gearbeitet. Mein Leben war geregelt. Ich verfügte über ein sicheres Einkommen, Stabilität und ganz viel Komfort. Bis ich mich dazu entschied, meinem Partner, welcher beruflich im Ausland tätig war, zu folgen. Nach unserem Familienzuwachs setzten wir dieses Vorhaben in die Tat um und zogen mit unserem 6 Monate alten Kind nach Afrika.

Aus der Routine ausbrechen

Aber wieso von einer Industrienation gleich in ein Drittweltland? Ich sah es als Chance, aus dem alltäglichen Hamsterrad auszubrechen, mich dort selbst herauszufordern und neu zu entdecken. Der Drang nach Neuem, eine gewisse Abenteuerlust und der Entdeckergeist wollten befriedigt werden. Da mein Partner bereits aus beruflichen Gründen in Afrika verankert war, hatte ich wenig Bedenken mitzugehen. Wohnung, Bankkonto und ein Vorwissen über das lokale Savoir-Vivre waren bereits gegeben.

In Afrika angekommen, stellte sich aber die Frage, was ich dort machen würde. Neben der Aufgabe als Mutter wollte ich mir etwas Eigenes aufbauen. Ich ging ohne große Erwartung, jedoch mit Offenheit, Neugierde und mit guten Gefühlen daran, mich einer neuen Herausforderung zu stellen. Kreativität und Geduld waren gefragt. Doch die ersten Wochen waren lang und unergiebig. Vieles was in der Schweiz selbstverständlich ist, war im neuen Umfeld mit Mühen verbunden.

Sich seinen Alltag zu organisieren, war täglich eine Herausforderung. Einkaufen und gesunde frische Lebensmittel für mein Kind zu finden, waren eine Tagesaufgabe. Ich lernte schnell, dass Planung sich oft gar nicht lohnte. Die Dinge kamen meist nicht so wie ursprünglich geplant, weil die Verbindlichkeit und Arbeitseinstellung der einheimischen Menschen eine ganz andere war. Zu einem wiederkehrenden, geregelten Tagesablauf kam es deswegen nie. Flexibilität und Spontanität waren gefragt.  

Ich begann eine Vision zu entwickeln

Gerade wenn man den Schritt aus dem gewohnten Umfeld wagt, die Sicherheit und das Vertraute aufgibt, merkt man, was man an seiner Heimat schätzt, auch wie praktisch und bequem das Leben bis dahin war.  

Als therapeutische Psychologin arbeiten zu wollen, gestaltete sich vor Ort schwierig. Einerseits waren da die bürokratischen Hürden, anderseits die Fremdsprache, die ich nicht vollends beherrschte. Ich musste mich anders orientieren. Nach ausgiebiger Recherche stieß ich auf die Möglichkeit der psychologischen Onlineberatung. Zu Beginn war ich selbst skeptisch, ob ich meine Tätigkeit als Psychologin mit derselben Zufriedenheit ausführen könnte, wie in einer Praxis. Würde ich es schaffen, eine gute therapeutische Beziehung zu den Klienten aufzubauen? Würde ich meine Interventionen online auf dieselbe Art und Weise anwenden können, wie face to face? Ich arbeitete mich zunehmend in diese Materie ein. Wissenschaftliche Studien und Fachbücher überzeugten mich allmählich von der Wirksamkeit der Onlineberatung. Ich begann konkret Visionen zu entwickeln, wie ich mich online positionieren und meine Klienten erreichen wollte.
 

Die Chance neue Wege zu gehen

Auf dem Weg zur Selbständigkeit erlebte ich Höhen und Tiefen. Ich investierte viel Zeit und Energie. Ausprobieren, Scheitern und Neubeginnen gehörten zur Tagesordnung. Am meisten Nerven kosteten die Gestaltung und der Aufbau der Homepage. SEO, SSL, Google Ads und viele weitere technische Feinheiten waren mir erstmals fremd. Zudem musste ich entscheiden wieviel ich dem „www“  von mir persönlich preisgeben wollte? Wie wollte ich mich online präsentieren? Dazu kamen die vielen rechtlichen und gesetzlichen Abklärungen, die ich treffen musste. Datenschutz online lässt grüssen! Der Austausch mit Freunden und mein inniger Glaube an das Projekt verliehen in schwierigen Momenten Auftrieb.  

Mit dem Dazugelernten stieg allmählich die Erfolgsrate. Die Ausdauer und Hartnäckigkeit hatten sich gelohnt. Inzwischen habe ich mir meine eigene Onlinepraxis aufgebaut. Psychologische Beratungsgespräche per Videochat, Telefon oder Email, Webseitengestaltung, Marketing, Bloggen, online und offline Networking gehören nun zu meinem Alltag. Meine Tätigkeit als Onlinepsychologin kann ich von überall her ausführen. Voraussetzung sind Laptop und Internet. Dies ermöglicht mir mehr Flexibilität und Selbstbestimmung in meinem Leben.

Ich stelle fest, dass ich online ein erweitertes Klientel erreichen kann. Seien es Expats, die mit jemandem in ihrer Muttersprache sprechen wollen, Geschäftsleute die viel unterwegs sind oder jene Personen, die aus privaten Gründen den Weg in eine Offlinepraxis nicht finden. Meine Arbeit mit den Klienten hat sich im Vergleich zur face to face-Behandlung kaum verändert.
 

Die Konsequenz des Ausbruches

Aus der Komfortzone auszubrechen, heißt Vertrautes aufzugeben, Routinen zu unterbrechen, Sicherheit und Stabilität hinter sich zu lassen und Risiken einzugehen. Auch in privater und finanzieller Hinsicht führte mein Vorhaben zu Zurückhaltung. Weiter musste ich mich mit vielen Vorurteilen und ablehnenden Haltungen auseinandersetzen. „Deine jahrelange Ausbildung, deine gute Anstellung als Psychologin gibst du auf, um dann nichts daraus zu machen?“ Oft wurde ich mit dem Vorurteil der „Dauerurlauberin“ konfrontiert. Viele standen meinen Plänen eher skeptisch gegenüber und hinterfragten mein Projekt.

Ein Leben zu leben, welches nicht der gesellschaftlichen Norm entspricht, braucht Mut.

Sich zu rechtfertigen, fiel nicht immer leicht. Trotz dieses Gegenwindes verfolgte ich meine Pläne weiter, denn ich war von der Wirksamkeit der Onlineberatung überzeugt. Ich sah darin die Chance, ein Leben aufzubauen, welches mir mehr Flexibilität, Freiheit und Selbstbestimmung ermöglicht. Zweifel hatte ich persönlich lediglich bei finanziellen Fragen. Reichte mein Startbudget aus, um das Projekt aufzuziehen? Warf es zeitnah auch genügend Ressourcen ab?

Viele meiner Bekannten und Freunde wissen nicht, dass psychologische Beratung auch online möglich ist. Gerade in der Schweiz ist dies noch eher unbekannt.

Ein Leben zu leben, welches nicht der gesellschaftlichen Norm entspricht, braucht Mut – und auch für seine eigenen Bedürfnisse einzustehen, vor allem wenn man selbst noch nicht genau weiß, wohin das Ganze führen wird.

Der persönliche Gewinn

Wenn man mir vor 3 Jahren gesagt hätte, dass ich als Onlinepsychologin tätig sein und mit meiner Familie ausserhalb der Schweiz leben werde, hätte ich dies belächelt. Entscheidend war, dass ich in den letzten Jahren erlebt habe, wie das Leben plötzlich neue Wege gehen kann. Es eröffnete sich mir eine neue Welt, in der ich mir mein Leben neu gestalten durfte. Hilfreich war, dass ich wusste, welche Grundwerte mir im Leben wichtig sind und was ich gerne meinem Kind weitergeben möchte. Dies gab mir auf der Suche nach meinem neuen Lebensstil Orientierung und Halt.

Ich sehe es als Chance, meinem Kind durch diese Internationalität einen offenen Geist für andere Kulturen, Neues und Unkonventionelles zu vermitteln, ohne den Bezug zur eigenen Heimat zu verlieren. Dass ich von überall auf der Welt arbeiten kann und meine Zeit selbständig einteile, ermöglicht es mir, mehr Zeit mit meinem Kind zu verbringen. Mein Kind hat so die Möglichkeit zu sehen, dass es durchaus möglich ist, sich selbst zu verwirklichen, zu arbeiten, die Welt zu entdecken und Zeit mit der Familie zu verbringen. 

Inzwischen haben meine Familie und ich Afrika verlassen und sind über Asien in den Mittleren Osten gezogen. Wohin es uns weiterziehen wird, ist noch offen. Wir lassen es auf uns zukommen.