Online-Coaching: Passt die technische Bühne, entsteht Großes
In Zeiten der Digitalisierung findet Coaching immer öfter auch online statt. Was Zeit und Fahrtwege spart, lässt räumliche Distanz entstehen. Kann eine Beziehung über Kamera genauso gut aufgebaut werden wie im klassischen Setting? Auf welche technischen Details sollte man achten, damit das Coaching auch im digitalen Raum spürbar nah bleibt?
Digitalisierung – das heißt rasante Geschwindigkeit und Komplexität, aber auch strapazierte Terminkalender und der Wunsch nach smarten Lösungen. Es ist kein Wunder, dass auch das Coaching-Format heute digitalisiert wird, denn es integriert sich flexibel in den Alltag. Der Zeitaufwand wird auf das Wesentliche fokussiert. Ortswechsel und Reisezeiten entfallen.
Aber wo sind die Fallstricke in der digitalen Coaching-Transformation? Für das emotionale Erleben und den Mut für neue Perspektiven braucht Online-Coaching eine gute Bühne mit dem richtigen Rampenlicht. Online muss man der Beziehung zwischen Coach und Klient noch mehr Aufmerksamkeit schenken – und das kann nur gelingen, wenn der Klient trotz räumlicher Distanz und Technik den Nutzen fühlen kann. Dies verlangt sowohl Konzentration als auch Medienkompetenz.
Equipment und Headset: Der Ton macht die Musik
Du ahnst es vielleicht schon: für gutes Online-Coaching braucht man mehr als nur eine Internetverbindung und einen Computer mit Webcam-Funktion. Ich empfehle dir eine externe Webcam samt Mikrofon mit der Option des 16:9 Formats, denn die Einstellungsmöglichkeiten und Blickwinkel sind flexibler als die integrierten Notebook-Cams. Die Webcam kann so genau auf dich und deine Umgebung eingestellt werden. Auch ein Headset ist ein Muss aus meiner Sicht. Der Lärm in deiner Umgebung wird minimiert und das schont die Konzentration des Klienten. Andernfalls droht Bahnhofs-Atmosphäre und die Beziehungsebene wird belastet. Zuhören und verständliches Sprechen wird zum Kraftakt. Das Headset fördert dagegen Nähe und Vertrauen, deine Stimme wirkt nah und ist in einer sehr persönlichen Art zu hören. Nutze ein Headset mit Kabel, denn die mit Bluetooth-Übertragung sind zu störanfällig.
Hast du dich schon einmal über Mikrofon gehört? Eine Hörprobe lohnt sich. Wichtig: bleibt entspannt, sonst bekommt deine Stimme einen künstlichen oder übertriebenen Touch.
Videoübertragung: Programmwahl – Qual der Wahl
Coaching ist Vertrauenssache, insbesondere für die Daten des Klienten. Im Online-Coaching produzieren wir eine Menge davon und somit rückt der Datenschutz in den Fokus. Meiner Erfahrung nach sind Programme wie Skype daher unpassend und ebenso reine Fernsteuerungs-Softwares, weil die Nutzung für den Kunden „sperrig“ und oft nicht intuitiv ist. Meine Favoriten sind Online-Meeting-Anbieter. Der kostenlose Account bietet bereits viele sinnvolle Features wie web-Whiteboard, Aufnahme der Session, Produktion eigener Videobotschaften an den Klienten und Dokumenten-Sharing. Nachteil: die Coaching-Zeit ist bei den kostenfreien Angeboten meist auf 45 Minuten limitiert. Kostenpflichtige Accounts bieten meist keine Zeitbegrenzungen.
Wenn die Technik zum Störfeld wird
Beim Online-Coaching muss die Beziehungsebene zum Start viel eindringlicher gestaltet werden. Funklöcher oder Technik-Skepsis würden schon jetzt zur Bruchlandung führen. Die IT-Infrastruktur im Online-Coaching sollte daher stabil und störungsfrei funktionieren. Ist die Internetverbindung gut genug? Funktioniert dein Headset? Lassen sich die virtuellen Tools wie web-Whiteboards oder digitale Aufstellungen störungsfrei verwenden? Es kann hilfreich und notwendig sein, deine Kunden im ersten Kontaktgespräch zum Online-Format und den technischen Rahmenbedingungen zu briefen. So kannst du sicher gehen, dass dein Klient weiß, worauf er achten sollte und ihn um einen Technikcheck bitten. Mögliche Fallstricke können so von vorneherein umgangen werden. Funktioniert die Technik, freut sich dein Kunde. Das erste Lächeln ist dir sicher, ebenso das Vertrauen des Klienten in neue Blickwinkel.
Umgebung und Hintergrund
Wir kennen diesen Effekt aus dem Urlaubsflieger: ist der Start gelungen, schauen wir aus dem Fenster des Flugzeuges. Passt der Blick in die Ferne oder zum Boden, steigt die Entspannung. Erkennt unser Auge jedoch Dinge, die nicht in den Kontext zu passen scheinen, ist zwar nicht sofort Panik angesagt, das unpassende Bild lenkt jedoch unsere gesamte Aufmerksamkeit. Über die Webcam und den Audio-Kanal registriert der Klient die Umgebung.
Ein besonderes Augenmerk ist deshalb auf den Hintergrund zu legen. Vermeide für das Auge anstrengende Blickfelder oder auch erklärungswürdige Gegenstände. Entdeckt der Klient einen undefinierbaren Gegenstand in deinem Hintergrund, ist dieses Objekt seine Rätselfrage während des gesamten Coachings. Über Ordnung lässt sich streiten, aber coache daher nie in überfüllten Räumlichkeiten. Im Gegenzug kann die Coaching-Umgebung des Klienten etwas zum Klienten und seinem aktuellen Coaching-Anliegen verraten – Eindrücke, die du im Coaching nutzen kannst.
Meine Erfahrung: der Hintergrund kann auch künstlich über einen sogenannten Green-Screen gestaltet werden. Das ist ein großer, grüner Stoff den man im Hintergrund aufstellt. Am Computer kann man diesen dann mit Bildern, Videos oder einem beliebigen Hintergrund austauschen. Landschaftsbilder oder passende Emotions-Fotos können eine Coaching-Situation unterstützen.
Tageszeit und Licht: Wer lernt schon gerne im Dunkeln
Das Lesen unter der Bettdecke mit Taschenlampe kennen wir aus Kindertagen – und auch den Unterschied zu modernen Leselampen samt Hintergrundbeleuchtung beim eBook. Das Resultat: das Lesen ohne ausreichend Licht wird für das Auge anstrengend, raubt wichtige Konzentration, bremst unsere Motivation und boykottiert den Lerntransfer. Genauso ist es bei Videokonferenzen und Onlinecoachings. Beachte deshalb die Lichtquellen sowie Lichteffekte vor jedem Online-Coaching. Dein Raum sollte gut ausgeleuchtet sein. Ob die Lichtintensität zu stark oder zu schwach ist, kannst du einfach vor dem Coaching mit der eigenen Webcam testen.
Sprache und Gestik im Rampenlicht der Webcam
Im Online-Coaching sind vertraute Kommunikationsteile wie nonverbale Sprache, Gestik oder Mimik minimiert. Dieser Rahmenbedingungen solltest du dir im Online-Coaching bewusst werden und dein Handling damit schärfen. Mache Probeaufnahmen und verschaffe dir einen Eindruck, wie du über die Kamera wirkst. Gestik und Mimik sollten sichtbar sein, das heißt ggf. solltest du auch mit der Positionierung der Kamera und dem Bildausschnitt experimentieren. Da das digitale Format den Konzentrationsgrad belastet, ist es wichtig im Online-Coaching kurz, prägnant und mit wenig Interpretationsspielraum für den Klienten zu sprechen.
Mein Praxis-Tipp: Vor dem Coaching 3 Minuten bequem, aber mit guter Körperspannung stehen und mit harter Aussprache die Buchstaben P, T, K laut aussprechen. Die Sprachtrainer sagen, dass sich so die Aussprache schärft und die Gesichtsmuskeln trainiert werden.
Stimmt die Technik, gelingt Online-Coaching
Durch die Beachtung einiger Basics kann Online-Coaching effizient und effektiv werden. Die räumliche Distanz wird dann zur spürbaren Nähe. Als ich meinen Klienten in einem Zeit-Engpass nur 30 Minuten Online-Coaching anbieten konnte, war sein Feedback am Ende verblüffend: „Ich merke keinen Unterschied zu unserem Live-Coaching – und das in einer Kalender-Lücke von 30 Minuten, super effektiv und spürbar nah“.