Spirituelles Coaching – Mit Be-how zu einer vertieften Wahrnehmung
Als Coach unterstützt du deine Klienten dabei, Ziele zu erreichen oder Probleme zu lösen. Viele Menschen suchen aber nicht nur nach Lösungen, sondern auch nach Sinn und Vollständigkeit. Ein spiritueller Coachingansatz hilft, beides zu verbinden. Dazu brauchst du als Coach eine erweiterte Vorgehensweise. Worin besteht sie?
Stell dir folgende Situation vor: Eine erfolgreiche Geschäftsfrau in den Vierzigern kommt ins Coaching, um an ihrem Stress und ihren Zukunftsängsten zu arbeiten. Beruflich läuft es für sie zwar gut, aber sie macht sich Sorgen, dass ihre Kompetenzen im Zuge der Digitalisierung nicht mehr gebraucht werden. Sie hatte deshalb begonnen, beruflich noch mehr Gas zu geben. Den Stress hatte sie in Kauf genommen, um sich wieder sicherer zu fühlen, all ihre Anstrengungen halfen ihr jedoch nicht dabei, ihre Ängste zu bewältigen. Im Coaching möchte sie nun herausfinden, wie sie wieder mehr innere Ruhe finden und berufliche Herausforderungen entspannter bewältigen kann.
In mehreren Sitzungen kommt sie in Kontakt mit verschiedenen Persönlichkeitsanteilen: ihrem Antreiber, ihrem inneren Kritiker und ihrer Verletzlichkeit. Im Dialog mit diesen Anteilen wird ihr deutlich, wie sehr sie ihre empfindsame Seite ausgeblendet hat, um zu funktionieren. Sie lernt im Verlaufe mehrerer Sitzungen, dieser Seite mehr Raum zu geben. Zum ersten Mal stellt sie auch die Sinnfrage in ihrem Leben. Wofür macht sie das alles? Was bringt ihr der Erfolg? Allmählich ändern sich ihre Prioritäten. An erste Stelle stellt sie sich nun selbst. Sie will herausfinden, was sie wirklich braucht. Irgendwann, sagt sie, habe sie vergessen, dass es bei all dem ja um sie selbst gehe. Sie beginnt zu meditieren und findet einen Ruhepol im Alltagsstress, erlebt Augenblicke der Stille und des Einklangs mit sich selbst.
Know-how und Be-how
Worin unterscheidet sich der spirituelle Coachingansatz nun von anderen? Auch hier geht es um die professionelle Anwendung von Coachingtools. Es ist die Art deiner Begleitung, die das Spektrum deiner Möglichkeiten als Coach erweitert. Es geht um die Qualität deiner Wahrnehmung nach innen und außen. Diese Qualität ist unabhängig davon, mit welchen Themen oder Methoden du arbeitest.
Im Spirituellen Coaching geht es neben methodischem Know-how um Be-how. Mit Know-how entscheidest du, was du tust, mit Be-how wird dir bewußt, wie du es tust. Beim Know-how geht es um Wissen und Werkzeuge. Beim Be-how um deinen inneren Zustand, wenn du coachst. Dazu übst du im ersten Schritt, präsent im Hier und Jetzt zu sein. Wie gelingt das? Mit der praktischen Anwendung von Prinzipien der Meditation im Coachingprozess. Während du in Kontakt mit deinem Coachee trittst, beginnst du gleichzeitig auch, dich selbst zu beobachten. Du merkst beispielsweise, wie du mit eigenem Stress und Druck umgehst und kannst üben, gelassener zu bleiben. So bereicherst du deine methodische Kompetenz durch fokussierte und zugleich entspannte Aufmerksamkeit.
Vertiefte Wahrnehmung
Wenn du als Coach mit einem Coachee arbeitest, bist du auf dessen Themen und Ziele fokussiert, gleichzeitig aber auf einer subtilen energetischen Ebene mit ihm oder ihr verbunden. Diese Ebene ist uns nicht immer bewusst. Damit verschenken wir wertvolle Möglichkeiten, denn vieles wird nur energetisch kommuniziert. Im spirituellen Coaching geht es deshalb darum, diese Ebene bewusst einzubeziehen.
Für dich als Coach bedeutet das, dass du neben Fachkompetenz und Erfahrung außerdem die Fähigkeit zu vertiefter Wahrnehmung brauchst. Diese richtet sich einerseits auf das Gegenüber, gleichzeitig aber auf dich selbst. Sie ist eine doppelte Wahrnehmung – nach außen und nach innen gerichtet. Zum Beispiel kann es sein, dass du im Gespräch leicht genervt denkst, dein Coachee sei festgefahren oder lasse sich nicht wirklich ein. Diesen Gedanken nimmst du vielleicht kaum wahr, trotzdem hat er eine Wirkung, denn er funkt im Gespräch dazwischen und kommt beim Gegenüber als nonverbale Botschaft an. Sie oder er fühlt sich bewertet und beurteilt, worauf hin der Rapport abbricht – und du dich vielleicht fragst, was schief gelaufen ist.
Ist aber deine Wahrnehmung gleichzeitig beim Coachee und bei dir selbst, kannst du mit Übung diese unbewussten, nonverbalen Botschaften vermeiden. Du erkennst deine Reaktionsmuster früher. Diese Methode der doppelten Wahrnehmung ist eine alte spirituelle Technik, die in vielen Meditationstraditionen praktiziert wird. Im spirituellen Coaching ist sie ein wesentlicher Bestandteil der Praxis.
Kopf, Herz und Bauch
Wenn sich deine Wahrnehmung für dich und dein Gegenüber vertieft, entdeckst du dein Mitgefühl auf neue Weise. Alles hängt mit allem zusammen. Wenn ich ein Spinnennetz an einer Stelle berühre, bewegt sich das ganze Netz. Auf ähnliche Weise sind auch wir Menschen miteinander verbunden. Wir fühlen mit anderen mit, weil wir gar nicht anders können. Wir sind auf Mitfühlen angelegt. Verbundenheit ist Teil unserer Natur. Seit die Neurowissenschaft neben unserem Kopfgehirn auch ein Herz- und ein Bauchgehirn entdeckt hat, ändert sich unser Weltbild. Was vor einiger Zeit noch als esoterischer Humbug galt, ist heute wissenschaftlich akzeptiert.
Mit neuen Messverfahren ist nachweisbar, dass die Kommunikationssignale zwischen zwei Menschen auf der Herzebene etwa 1000-mal stärker als auf der Kopfebene sind. Die Frequenz, die ein Mensch dort aussendet, kann sogar im Herzgehirn des Kommunikationspartners gemessen werden. Mitgefühl ist also eine Alltagsrealität und hilft dir, eine vertrauensvolle Verbindung im Coachingkontakt aufzubauen. Im spirituellen Coaching beziehst du sie bewusst ein und übst das Senden und Empfangen auf den drei Ebenen Kopf, Herz und Bauch.
Die Suche des Coachee
Deine Wahrnehmung weitet sich auch für die unausgesprochenen Themen hinter einem Coachinganliegen. Wenn du dich auf Kopf-, Herz und Bauchebene auf deinen Coachee eintunst, nimmst du nicht nur das Thema ernst, sondern auch die Themen hinter dem Thema. Denn Ziele oder Probleme sind Ausdruck einer inneren Suchbewegung. Was sucht dein Coachee in seinen Lösungen und Ergebnissen? Einklang mit sich selbst, Sinnerleben, Zufriedenheit oder Vollständigkeit? Wenn du erkennst, worum es eigentlich geht, kannst du deinem Coachee eine Themenerweiterung anbieten.
Entspannt coachen
Ein weiterer Aspekt des spirituellen Coachings nützt dir selbst: Coaching als angewandte Meditation. So wie du in einer Meditation deine Körperempfindungen, Gefühle und Gedanken beobachtest, so kannst du lernen, dir selbst im Coachinggespräch entspannt zuzuschauen. Deine Interventionen werden unangestrengter. Du bemühst dich nicht mehr, „gut“ zu sein. Das wiederum kommt dem Coachee zugute, denn nichts verdirbt einen Coachingprozess gründlicher als die Bemühung, ein „guter Coach“ sein zu wollen.
Um mehr innere Stabilität und Ausgeglichenheit zu erreichen, sind auch Elemente aus der asiatischen Kampfkunst Teil der Ausbildung im Spirituellen Coaching. Sie ermöglichen dir, Selbstzentrierung und bewusste Präsenz ganz praktisch zu erfahren. Du entdeckst deinen „inneren Samurai“. Ein Samurai ist völlig entspannt, während er mit vollständiger Aufmerksamkeit alle Bewegungen seines Gegenübers registriert. Er verliert keine Energie mit unnötiger Aufregung. Stattdessen handelt er im richtigen Moment intuitiv aus seiner Mitte heraus. Die Kunst, im „Hara“, im Unterbauch, zentriert zu sein, schenkt auch Coaches inneres Gleichgewicht und die Intuition, im richtigen Moment das Geeignete zu tun.
Spirituelles Coaching verbindet auf praktische Weise professionelle systemische Coachingmethoden mit Bewusstheit und Meditation. Es ermöglicht dir, Menschen in beruflichen, persönlichen und spirituellen Fragen kompetent und verantwortungsvoll zu begleiten.
Zum Weiterlesen:
Horn, K. (2007). Spirituelles Coaching. Bewusstseinsentwicklung mit menschlichem Maß. Berlin: Ullstein-Allegria.