Filmkritik: Deutschstunde
Düster und bildgewaltig zeigt die Neuverfilmung des deutschen Literaturklassikers, wie autoritäre Regimes persönliche Beziehungen zerstören und ein 11-jähriger Junge in einen unlösbaren Konflikt zwischen Gehorsam und eigenen Wertvorstellungen gerät. Unsere psylife-Redakteurin Eva Elena Kaiser hat sich den Film „Deutschstunde“ vorab für euch angeschaut.
Die Neuverfilmung von Siegfried Lenz‘ Literaturklassiker „Deutschstunde“ handelt von dem Jugendlichen Siggi Jepsen, der kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges in einer Jugendstrafanstalt einen Aufsatz zum Thema „Die Freuden der Pflicht“ schreiben soll. Da er keinen Anfang findet und ein leeres Heft abgibt, muss er zur Strafe den Aufsatz in einer Zelle nachholen. Dort beginnt er wie besessen seine Kindheitserinnerungen aufzuschreiben:
Siggis Vater Jens Ole Jepsen hat als Polizeiposten eine Autoritätsposition in Siggis norddeutschem Heimatdorf direkt am Wattenmeer inne. Zu Kriegszeiten erhält der Polizist den Auftrag, ein Malverbot an seinen Jugendfreund, den expressionistischen Maler Max Ludwig Nansen, zu überbringen und die Einhaltung dieses Verbots zu überwachen. Dieser Aufgabe kommt Jens Ole Jepsen pflichtgetreu und penibel nach und spannt auch den 11-jährigen Siggi bei der Überwachung ein. Siggi findet sich plötzlich zwischen den Fronten der beiden Männer wieder. Denn auch der Maler, zugleich Patenonkel und Vaterfigur für den Jungen, versucht, Siggi für seine Interessen zu gewinnen.
Bildgewaltig und düster
Die Erzählung beginnt ruhig und langsam, es wird kaum Filmmusik eingesetzt. Gleichzeitig ist der Film sehr bildgewaltig. Die düsteren Aufnahmen der rauen, stürmischen Landschaft und der dunklen Häuser mit tiefen Decken sorgen in Verbindung mit den wortkargen Dialogen zwischen den Darstellern für Beklemmung beim Zuschauer. Es wird ein Gefühl des Gefangenseins erzeugt – analog dazu, wie sich auch Siggi Jepsens in seiner Situation fühlen muss.
Zerstörung von Beziehungen und Persönlichkeiten im Fokus
„Deutschstunde“ zeigt, wie durch das autoritäre Regime des dritten Reiches und die Pflichttreue des Polizisten Jens Ole Jepsen Beziehungen zerstört werden und wie die Protagonisten unter den Umständen leiden. Denn nicht nur die Jugendfreundschaft zwischen Max Ludwig Nansen und Jens Ole Jepsen scheint nach der Verhängung des Malverbotes nichts mehr wert zu sein. Auch innerhalb der Familie Jepsen gibt es zahlreiche Konflikte und Siggis älterer Bruder Klaas leidet schwer unter den traumatischen Erfahrungen nach seinem Kriegseinsatz.
Darüber hinaus werden auch die Auswirkungen von autoritären Erziehungspraktiken sehr plastisch dargestellt. Siggi erfährt von seinen Eltern praktisch keine Zuwendung und wird von seinem Vater nur für „Leistung“ im Sinne von Mithilfe bei der Beobachtung des Malers belohnt und anerkannt. Hält er sich nicht an die Abmachungen, wird er seelisch und teilweise auch körperlich hart bestraft. Siggis Mutter, Gudrun Jepsen, hingegen hält sich weitestgehend aus den familiären Differenzen heraus und ist ihren Kindern und ihrem Mann gegenüber die meiste Zeit abweisend. Bemerkenswert sind Siggis trotz allem sehr ausgeprägte Intelligenz und soziale Kompetenz.
Er ist gefangen zwischen Gehorsam seinem Vater gegenüber, der keine Widerworte zulässt, und seinen eigenen, sehr ausgeprägten moralischen Wertvorstellungen, die mit dem Wunsch verbunden sind, dem Maler zu helfen. Denn dieser ist neben Siggis Schwester die einzige Bezugsperson, die freundlich und liebevoll mit ihm umgeht. Dass der Maler ebenfalls versucht, Siggi zu seinem Komplizen zu machen, verschlimmert den Loyalitätskonflikt des Jungen.
Im Verlauf des Films packt einen die Geschichte trotz der langsamen und ruhigen Erzählweise immer mehr. Der Zuschauer leidet immer stärker mit dem Jungen mit, der unter den Geschehnissen zu zerbrechen droht.
Reduzierter Plot
Im Gegensatz zum Buch ist der Film deutlich auf die Kernhandlung reduziert und einige Szenen bzw. Inhalte wurden abgewandelt. Man sollte das Buch nicht direkt vor dem Film lesen, da dann sehr deutlich wird, dass zahlreiche Facetten der Geschichte im Film fehlen. Für sich gesehen ist die filmische Umsetzung jedoch gut gelungen und (nicht nur) für Zuschauer mit psychologischem Hintergrund durchaus sehenswert.
Fanpaket zu gewinnen
Deutschstunde läuft ab dem 03.10.2019 in den Kinos. Wenn du nach der Rezension Lust auf den Film bekommen hast, schau doch am 04.10.2019 mal auf Instagram und Facebook vorbei. Dort verlosen wir ein Deutschstunde-Fanpaket bestehend aus 1x2 Freikarten und der Buchvorlage zum Film.
Wir wünschen dir viel Glück!