Filmkritik: Finsteres Glück
Von der Beziehung zwischen dem achtjährigen Vollwaisen Yves und seiner Traumatherapeutin Eliane erzählt die Buchverfilmung „Finsteres Glück“. Es geht um Menschlichkeit, Abgrenzung und Berufsethik und darum, wie die Grenzen zwischen Beruf und Privatleben verschwimmen können.
Bei einem Autounfall verliert der achtjährige Yves seine Eltern und seine beiden älteren Geschwister. Als einziger Überlebender wird er in ein Krankenhaus gebracht, wo er auf die Psychologin und Traumatherapeutin Eliane trifft. Schnell fasst er Vertrauen zu ihr, und zwischen den beiden entsteht eine Bindung. Als Yves nicht länger im Krankenhaus bleiben kann und die Frage seiner Unterbringung noch nicht geklärt ist, nimmt Eliane ihn übergangsweise bei sich zu Hause auf.
Es beginnt eine Gratwanderung der Psychologin zwischen therapeutischer Arbeit und Privatleben. Denn Eliane lebt mit ihren beiden pubertierenden Töchtern Helen und Alice zusammen und schafft es privat nicht immer, angemessen auf deren Bedürfnisse zu reagieren. Die Wohnsituation gestaltet sich deshalb nicht gerade harmonisch. Zudem wird die Psychologin durch die Arbeit mit dem schwer traumatisierten Jungen mit ihren eigenen ungelösten Konflikten und Verletzungen aus ihrer Vergangenheit konfrontiert. Trotzdem schaffen es Eliane, Helen und Alice, Yves Stück für Stück neue Zuversicht und ein Gefühl der Geborgenheit zu geben und ihn langsam aus seinem Kokon herauszuholen. Gleichzeitig bewirkt Yves Anwesenheit auch Veränderungen in Elianes Familie. Das gemeinsame Ziel, Yves zu helfen, schweißt Mutter und Töchter wieder enger zusammen. Auch das Verhältnis zwischen Eliane und ihrem Ex-Mann Adrian verbessert sich. Während Eliane überlegt, ihren therapeutischen Auftrag abzugeben und Yves dauerhaft bei sich aufzunehmen, führen die verbliebenen Angehörigen des Jungen einen erbitterten Sorgerechtsstreit, bei dem seine Wünsche leider keine Beachtung finden....
Romanverfilmung in Originalsprache
„Finsteres Glück“ basiert auf dem gleichnamigen Roman des Schweizer Schriftstellers Lukas Hartmann. Regisseur Stefan Haupt sowie die Darsteller kommen ebenfalls aus der Schweiz. Der Film wurde nicht synchronisiert, sondern läuft auf Schweizerdeutsch mit deutschen Untertiteln in den Kinos.
Sehr facettenreich
In „Finsteres Glück“ werden verschiedene Facetten der Geschichte beleuchtet, was den Film sehr vielschichtig macht: Neben der Darstellung von Yves Trauma und dessen verschiedenen Phasen - Verdrängung, Trauer, Aggression bis hin zu dissoziativen Symptomen – erfährt man im Verlauf des Films auch immer mehr über die dunkle Vergangenheit und Familiengeschichte des Jungen. Aber auch die persönliche Betroffen- und Befangenheit der Therapeutin sowie ihre eigene Lebensgeschichte spielen eine große Rolle. Darüber hinaus wird die rechtliche Problematik der Unterbringung und Beurteilung des Kindes angedeutet.
Großartige Hauptdarsteller
Die beiden Hauptdarsteller spielen die Rollen von Yves und Eliane sehr glaubwürdig. Man kann gut nachempfinden, wie der Fall die Psychologin immer mehr belastet, ihr die Kraft raubt und sie dazu bringt, sich zum Teil irrational und aus therapeutischer Sicht unangemessen zu verhalten. Insbesondere der Kinderdarsteller von Yves verkörpert den traumatisierten Jungen sehr beeindruckend.
Der Film verdeutlicht, dass Berufsethik und Menschlichkeit nicht immer Hand in Hand gehen.
Abgrenzung und Berufsethik in der therapeutischen Beziehung
„Finsteres Glück“ zeigt nicht, wie eine Traumatherapie idealerweise ablaufen sollte. Ganz im Gegenteil: Bei vielen Szenen möchte man hier aus psychologischer Sicht die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Das bedeutet allerdings nicht, dass das Verhalten von Eliane nicht nachvollziehbar wäre. Der Film verdeutlicht, wie schwierig es ist, sich als Therapeut – insbesondere in der Traumatherapie – abzugrenzen, die eigenen Schwächen und Konflikte aus der Behandlung auszuklammern, und dass Berufsethik und Menschlichkeit nicht immer Hand in Hand gehen.
Ab dem 16.08.2018 kannst du dir „Finsteres Glück“ in den deutschen Kinos ansehen.