Mindful oder mind full – Achtsam und nachhaltig auf Kongressen und Fortbildungen
Kongresse, Tagungen und Co. bieten uns vielfältige Möglichkeiten: neue Impulse, Denkanstöße, Kontakte, Vernetzungsmöglichkeiten und Informationsaustausch. Sie sind aber auch trubelig, eng durchgetaktet und am Ende des Tages fallen wir oft mit rauchendem Kopf platt ins Bett. Ein paar Anregungen bleiben vielleicht hängen, aber ein Großteil der Informationen, mitgenommenen Broschüren und Flyern wartet danach geduldig in der Schublade darauf, dass man sich ihrer nochmal annimmt. Wie gelingt es, Kongresse, Fortbildungen und Tagungen achtsam und nachhaltig für sich zu nutzen?
Was sind meine Ziele?
Bereits die Entscheidung, an einer bestimmten Fortbildung teilzunehmen, ist wahrscheinlich durch gewisse Motive beeinflusst. Vielleicht steht die Fortbildung unter einem bestimmten Thema, das dich interessiert? Weil es dein Steckenpferd ist und du es vertiefen möchtest? Oder weil du noch nicht viel über das Thema weißt und mehr darüber lernen willst? Möglicherweise geht es dir aber gar nicht um das Thema an sich, sondern vielmehr um die Vernetzung: für eine mögliche Zusammenarbeit, für Informationsaustausch oder einfach als Anregung. Eine dritte Option ist, dass du zu der Tagung fährst, um dort zu arbeiten: einen Vortrag zu halten oder eine Diskussion zu moderieren. Zu guter Letzt wäre auch vorstellbar, dass deine Teilnahme ganz extrinsisch motiviert ist, weil du die Fortbildungspunkte brauchst.
Egal welche Motive du für deine Anmeldung hattest: es ist gut, sich dieser bewusst zu werden, denn sie bestimmen deine Prioritäten!
Prioritäten setzen
Wenn du dich also mit dem Kongressprogramm hinsetzt und überlegst, welche Vorträge oder Workshops du konkret belegen möchtest (es klingt alles super interessant, nicht wahr? Wenn man sich nur dreiteilen könnte...), behalte deine Prioritäten im Hinterkopf:
Themen konkret raussuchen
Du bist für Thema x zum Kongress gekommen? Dann such dir vor allem Vorträge und Workshops mit dem Thema x aus, und lasse y und z erst mal beiseite (auch wenn sie spannend sind; falls du hinterher mehr Zeit hast als gedacht, kannst du sie immer noch besuchen).
Austausch zielgerichtet gestalten
Du willst dich austauschen und vernetzen? Dann sind Frontalvorträge vielleicht nicht so hilfreich. Podiumsdiskussionen, Austauschrunden und World Cafés könnten passender für dich sein.
Schaue bereits im Vorfeld des Kongresses, welche Personen dich interessieren und schreibe sie ein paar Tage vorher an, um ihnen dein Anliegen vorzustellen und ein kurzes Treffen zu verabreden. Selbst wenn an dem Kongress selbst wenig Zeit für eine ausführliche Besprechung ist, kannst du so leichter anknüpfen und auf den Kern deines Anliegens zu sprechen kommen.
Selbstfürsorglich dem Job nachgehen
Wenn du auf der Tagung oder dem Kongress selbst arbeiten musst, bist du sicherlich in einer anderen Position als „normale“ Teilnehmer. Immerhin hast du auch einen Job zu erledigen, der mehr Fokus, Konzentration und evtl. auch Vorbereitung und Aufregung kostet. Gehe fürsorglich mit dir um! Wenn du selbst einen Vortrag hältst, kann es sehr stressig werden, bis 10 Minuten vorher noch andere Workshops zu besuchen. Gönne dir daher mehr Pausen rund um deinen Vortrag. Was würde dir jetzt gut tun? Noch in Ruhe einen Tee trinken, in einer Nische deinen Vortrag noch mal durchgehen – oder eine Runde ums Tagungshaus gehen? Dann mach das. Und nimm dir auch hinterher etwas Zeit zum Reflektieren und Belohnen.
Go with the flow
Vielleicht ist deine Priorität auch, keine Priorität zu haben, dich einfach inspirieren und treiben zu lassen. Warum nicht! So bleibst du in jedem Fall offen für spontane Entscheidungen, zufällige Begegnungen und neue Themen. Bleibe dennoch achtsam und schaue von Moment zu Moment, wie es dir geht und wonach dir ist.
Achtsamkeits-Anker nutzen
Wie merkst du, dass es dir zu viel wird? Oder dass du eine Pause brauchst? Oder dass du lieber ein großes Glas Wasser anstelle eines dritten Kaffees trinken solltest? Nimm dir immer wieder mal einen Moment, um zwischen Vorträgen und Workshops kurz innezuhalten und wahrzunehmen, wie es dir geht. Wie fühlst du dich? Was brauchst du gerade? Du kannst dabei verschiedene Achtsamkeitsübungen für dich nutzen:
- Nutze den Weg von einem Seminarraum zum nächsten, um dich durch achtsames Gehen auf dich zu besinnen. Wenn du merkst, dass du hastig gehst, verlangsame deine Bewegung ganz bewusst.
- Suche dir eine ruhige Ecke, schließe kurz die Augen und atme 3x tief ein und aus.
- Gehe eine Runde um das Tagungsgebäude und besinne dich auf das, was du um dich herum siehst, hörst oder sonst noch wahrnimmst.
- Wenn du dir deinen Pausenkaffee gönnst, trinke ihn nicht nebenher, sondern nimm dir ganz bewusst Zeit dafür. Nimm wahr, wie der Kaffee (oder ein sonstiges Getränk deiner Wahl) riecht, wie er schmeckt und welches Gefühl er bei dir auslöst.
- Während du im Seminar sitzt, richte dich in deiner Körperhaltung bewusst auf. Spüre dabei, wie dein Brustraum sich öffnet und sich die verspannten Muskeln etwas lockern.
Mut zur Lücke
Viel Zeit hat man auf den meisten Tagungen und Kongressen wahrlich nicht. Ein Vortrag oder Workshop jagt den nächsten. Zwischendurch 20 Minuten Kaffeepause, die reichen sollen, um sich sowohl an der Toilettenschlange als auch an der Kaffee- und Kuchentheke anzustellen. Da kann man schon mal schnell den Überblick und sich selbst im Trubel verlieren.
Auf einem eben solchen trubeligen Kongress merkte ich irgendwann nachmittags, dass mir die Puste ausging. Ich hatte bereits mehrere Stunden Vorträge, Workshops, Austausch und Input hinter mir. Mein Kopf war voll. Richtig aufnehmen konnte ich eigentlich nichts mehr. Doch unbarmherzig stand der nächste Tagespunkt (noch ein Workshop) auf dem Programm. Uff! Aber da muss man durch – oder? Immerhin hat man ja Geld bezahlt und „muss das meiste aus so einem Tag rausholen“...
Echte Pausen, um nachhaltig wach zu bleiben
Nein, musst du nicht! Das war an diesem Nachmittag auch meine Entscheidung. Während sich meine Kollegen in den nächsten Workshop setzten (obwohl sie ebenso platt waren wie ich), suchte ich mir mit einem Kaffee ein ruhiges, sonniges Plätzchen vor dem Tagungsgebäude und machte Pause. Ich genoss die Sonnenstrahlen, das Vogelgezwitscher, atmete tief ein und aus. Ich ließ den Vormittag etwas sacken, sortierte meine Gedanken. Ich entspannte mich und kam zur Ruhe. Kurzum: ich konnte wieder Energie auftanken.
Wäre ich in den Workshop gegangen, wäre ich weder mir selbst, dem Thema noch den Referenten gerecht geworden. Wir wissen es alle und doch setzen wir es nicht immer um: weniger ist manchmal mehr. Erst durch Pausen (echte Pausen, keine, in denen man in einer vollen Halle darauf wartet, dass man an den Kuchen kommt), wird man wieder offen, um Neues zu lernen.
Meine Kollegen beneideten mich später für meine Pause. Sie kamen völlig platt und enttäuscht aus dem Workshop (der leider nicht mal gut gewesen war). Alles richtig gemacht, würde ich sagen.
Nimm dir Zeit zur Nachbereitung
Der Kongress ist geschafft. Du hast deine Prioritäten gesetzt, das mitgenommen, was du mitnehmen wolltest, trotzdem auf dich geachtet und auch mal eine größere Pause gemacht, wenn es notwendig war. Jetzt bist du zuhause und der Alltag hat dich ganz schnell wieder. Reserviere dir konkret etwas Zeit in deinem Kalender, um ein paar Tage später den Kongress noch mal zu reflektieren: was sind die Essentials, die du mitgenommen hast? Gibt es Themen oder Kontakte, die du weiterverfolgen möchtest? Wenn ja, wie und wann möchtest du das tun?
Nach dem Kongress ist im Übrigen vor dem Kongress: wie ist es dir ergangen? Welches Gepäck hast du im Nachhinein nicht benötigt? Welche Zeitplanung war vielleicht doch zu eng? Oder wovon hättest du gerne mehr gehabt? Notiere dir das ruhig. Dein zukünftiges Ich kann von deinen Erfahrungen lernen und den nächsten Kongress noch fürsorglicher nutzen.