Arbeiten in der psychosomatischen Rehabilitation: Das Zusammenspiel von Körper und Seele

Das Zusammenspiel aus Körper und Psyche erfahren wir im Alltag ständig. (Foto: Ashton Bingham – Unsplash.com)

In der Arbeitswelt hat die Bedeutung psychischer Erkrankungen stark zugenommen. Arbeitsplatzbezogene Ängste oder andere chronische Erkrankungen erschweren oft die Teilhabe am beruflichen Leben. Wie können Psychotherapeuten im Rahmen der psychosomatischen Rehabilitation unterstützen? Von ihrem vielseitigen Arbeitsfeld erzählen dir unsere Autorinnen Anne Henning und Beate Muschalla.

 

Eine unangenehme Situation „schlägt auf den Magen“, „der Schreck fährt in die Glieder“ oder ein Problem bereitet „Kopfzerbrechen“ – das Zusammenspiel aus Körper und Psyche erfahren wir im Alltag ständig.
In der psychosomatischen Rehabilitation geht es um die Besserung von Krankheit und Krankheitsfolgen. Dabei werden Wechselwirkungen zwischen psychischen, körperlichen und sozialen Faktoren berücksichtigt.
Wodurch zeichnet sich die Arbeit als Psychotherapeut in der psychosomatischen Rehabilitation aus und was macht sie so spannend? Antworten darauf erhältst du in diesem Beitrag.

Das Spektrum an Erkrankungen in der psychosomatischen Rehabilitation setzt gute diagnostische Fähigkeiten voraus. (Foto: Ihor Saveliev – Unsplash.com)

Psychosomatisch – Ein Begriff, viele Bedeutungen?

Der Begriff „psychosomatisch“ wird in unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet: zum einen im Sinne einer holistischen und personenzentrierten Sichtweise auf die Patientin. Zum anderen werden psychologische Behandlungsansätze somatischer Erkrankungen und somatoformer Störungen (psychische Störungen, die sich durch somatische Symptome äußern, aber nicht auf eine organische Erkrankung zurückführbar sind) als psychosomatisch bezeichnet.

In der psychosomatischen Rehabilitation werden die Krankheitsfolgen bei chronischen Erkrankungen behandelt. Psychosomatische Rehabilitationsmedizin kümmert sich dabei nicht nur um Symptomreduktion, sondern vor allem um die Förderung von Fähigkeiten und Lebensaktivitäten sowie das Finden passender Umgebungsbedingungen (z.B. einem Arbeitsplatz). Ziel ist, dass ein Mensch trotz Krankheit (z.B. Schmerzangst, Stimmungserkrankungen) in der Gemeinschaft teilhaben kann.

Ziel ist es, dass ein Patient, trotz seiner Krankheit an der Gemeinschaft teilhaben und kann und einen passenden Arbeitsplatz für sich findet. (Foto: Matthew Henry – Unsplash.com)

Mit chronischen und komplexen Erkrankungen arbeiten

In einer psychosomatischen Rehaklinik arbeiten wir mit Patienten, die chronische Krankheitsverläufe haben. Hier sind affektive Störungen (Stimmungserkrankungen), Angst-, Anpassungs-, somatoforme und/oder Persönlichkeitsstörungen am häufigsten anzutreffen.

Das Spektrum in der psychosomatischen Rehabilitation weist zwei Besonderheiten auf, die das Arbeiten in diesem Bereich besonders interessant machen. Zum einen sind die Erkrankungen oft recht komplex und es braucht gute diagnostische Fähigkeiten, um herauszufinden was eine Patientin hat. Wenn ein Patient zu viel kontrolliert, wäre zum Beispiel diagnostisch zu klären, ob es sich bei ihm um eine generalisierte Sorgenangst, um einen Zwang oder um eine organisch bedingte Gedächtnisstörung handelt. Zum anderen gibt es bestimmte Beschwerdebilder, die vor allem im psychosomatischen Rehasetting zu finden sind: arbeitsplatzbezogene Ängste und Arbeitsplatzphobie, Teilleistungsstörungen oder auch Verbitterungsstörungen.

Im Vergleich zu psychiatrischen Akutkrankenhäusern treten in der psychosomatischen Reha zudem seltener lebensbedrohliche Notfälle wie eine akute Suizidgefahr auf. Dies trägt dazu bei, dass man die therapeutischen Behandlungen im Voraus besser planen und somit strukturierter und fokussierter arbeiten kann.

Ein holistischer Therapieansatz

Die psychosomatische Rehabilitation basiert auf einem biopsychosozialen Verständnis von Krankheit und Gesundheit und auch in der Therapie wird ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt. Das bedeutet, dass beispielsweise bei einer Migräne auch psychische Faktoren (der Migräneärger) und soziale Faktoren (die Partnerin, das Arbeitsteam) in der Behandlung berücksichtigt werden. So werden auch Probleme am Arbeitsplatz (z.B. Fehlzeiten) oder aufrechterhaltende Faktoren der Störung (z.B. Aufmerksamkeit von Angehörigen für das Krankheitsleiden) einbezogen.

Dieser Ansatz ermöglicht es, die Komplexität von Erkrankungen besser zu verstehen und die Person in ihrer Gesamtheit zu behandeln. Vor allem bei chronischen Erkrankungen ist dies wichtig, denn sie gehen mit Beeinträchtigungen im Alltag oder auf der Arbeit einher und die Folgen dieser Beeinträchtigungen sind für die Patienten oft noch belastender als die Krankheitssymptome an sich. Die Orientierung auf die Lebenswirklichkeit ist daher zentral, damit die Patientinnen ihren Alltag und ihre beruflichen Anforderungen nach der Rehabilitation wieder bewältigen können und ihre Lebensqualität steigt.

Durch den fachübergreifenden Austausch in gemeinsamen wöchentlichen Sitzungen kann ein Rehateam effizient und konstruktiv arbeiten. (Foto: Dylan Gillis – Unsplash.com)

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Weiterhin zeichnet sich die Arbeit in der psychosomatischen Rehabilitation durch eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit aus. Sie ist Grundlage für eine multimodale Behandlung.

Ein Team besteht unter anderem aus psychologischen Psychotherapeuten, Ärztinnen, Sport- und Bewegungs-, Kunst-, Tanz- und Ergotherapeuten, der Pflege und Sozialarbeiterinnen. Durch den fachübergreifenden Austausch in wöchentlichen Teamsitzungen kann das Team effizient und konstruktiv arbeiten. Alle ziehen am gleichen Strang. Für die Patienten ist dieser rote Faden wertvoll. Gleichzeitig stellt die Zusammenarbeit eine Chance dar, dich sowohl fachlich als auch menschlich weiterzuentwickeln. Auch im Rehateam gibt es ständig Neues, zwischenmenschliche Dynamiken und Probleme zu lösen.

Als Fallmanagerin in der psychosomatischen Rehabilitation bist du auch für das Schreiben eines Reha-Entlassungsberichts zuständig. (Green Chamelion – Unsplash.com)

Vielfältiges Arbeitsspektrum als „Fallmanagerin“

Ein wesentlicher Grund für die Einleitung einer psychosomatischen Rehabilitation ist, dass der Patient seinem Beruf nicht mehr wie gewohnt nachgehen kann und somit die Erwerbstätigkeit gefährdet ist. Als Psychotherapeutin in der psychosomatischen Rehabilitation unterstützt du die Patienten daher unter anderem dabei, wieder bzw. besser am Arbeits- oder Berufsleben und im Alltag teilzuhaben. Es ergeben sich somit zusätzliche und für die psychosomatische Rehabilitation spezifische Aufgabenbereiche: Einzelpsychotherapien mit arbeitsplatzrelevanten Interventionen, Gruppentherapien mit berufsbezogenen Inhalten (z.B. Konfliktmanagement am Arbeitsplatz), Gesundheitsschulungen sowie Gruppenpsychotherapie als Nachsorge im Anschluss an eine stationäre Rehabilitation.

Ebenso trägst du zur Erstellung sozialmedizinischer Gutachten bei, nämlich beim Schreiben des Reha-Entlassungsberichts. Eingeschätzt und begründet wird, ob die Patientin bei Entlassung aus der Reha arbeitsfähig oder -unfähig ist und in welchem zeitlichen Umfang sie im bisherigen Beruf bzw. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten kann.

Neben den Patientenkontakten in Einzel und Gruppe hast du also eine Vielzahl von koordinierenden Aufgaben. Du bist quasi die Fallmanagerin für „deine“ Patienten. Das wirkt sich direkt günstig auf den Behandlungsverlauf aus, selbst wenn du nicht alles in Gegenwart der Patientin tust. Die Arbeit in der psychosomatischen Rehabilitation ist somit eine sehr abwechslungsreiche Tätigkeit.

Die Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund psychischer Erkrankungen ist in den letzten Jahren drastisch angestiegen (Foto: Guilherme Stecanella – Unsplash.com)

Psychische Gesundheit wird im Arbeitsumfeld immer wichtiger

Die Bedeutung psychischer Erkrankungen in der Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Einerseits ist die Anzahl an Arbeitsunfähigkeitstagen aufgrund psychischer Erkrankungen angestiegen, andererseits scheiden auch immer mehr Menschen aufgrund von psychischen Erkrankungen frühzeitig aus dem Erwerbsleben aus (DRV, 2019). Durch den angestiegenen Bedarf an Rehabilitationsbehandlungen werden die Rehakliniken und die psychotherapeutische Arbeit in diesem Bereich weiterhin wichtig sein.

All das, was man in einer Rehaklinik mit Patientinnen macht, ist auch im ambulanten Setting möglich. Niedergelassene Psychotherapeuten führen Patientinnen ebenfalls über eine gewisse Zeit und helfen ihnen, einen Weg zu finden, mit chronischen Erkrankungen umzugehen. Der Unterschied ist lediglich, dass sich die Behandlungsmaßnahmen ambulant verteilter über Zeit und Raum erstrecken, während in der Rehaklinik alles unter einem Dach in fünf Wochen stattfindet. Bei manchen Patienten ist es auch die Idee „der muss mal raus aus dem Alltag“, die dazu führt, dass jemand in eine stationäre Rehaklinik geschickt wird.

Aber auch in Betrieben steht psychische Gesundheit auf der Agenda. Arbeitgeberinnen müssen Arbeitsplätze gesundheitsgerecht gestalten und bei der Gefährdungsbeurteilung seit 2013 auch psychische Aspekte berücksichtigen. Das heißt, auch in Betrieben stellen sich beim Eingliederungs- und Gesundheitsmanagement regelmäßig Fragen der Arbeitsplatzpassung und können ein Feld für Psychotherapeuten sein.

Wenn dich das Zusammenspiel von Körper und Psyche interessiert, du gerne genau herausfindest, warum Menschen so ticken wie sie ticken, wenn du gerne im Team arbeitest, dir ein ganzheitlicher Behandlungsansatz wichtig ist und du ein abwechslungsreiches Aufgabenspektrum magst, kann dir eine Tätigkeit in einer psychosomatischen Rehaklinik einen erfüllenden Arbeitsplatz bieten.

Literatur

Deutsche Rentenversicherung Bund (2019). Rentenversicherung in Zahlen 2019. Berlin: DRV Bund.

Köllner, V., Hildenbrand, G., & Gündel, H. (2018). Psychosomatische Rehabilitation–Unterschiede zur Krankenhausbehandlung und Differentialindikation. Ärztliche Psychotherapie13, 6-16.

Linden, M. (2014). Psychosomatic inpatient rehabilitation: the German model. Psychotherapy and psychosomatics83(4), 205-212.

Muschalla, B., & Linden, M. (2011). Sozialmedizinische Aspekte bei psychischen Erkrankungen. Der Nervenarzt82(7), 917-931.