Selten so gelacht – Humor in der Psychotherapie

Über Humor scheiden sich die psychotherapeutischen Geister: Vermeidung, sagen die einen. Eine Ressource, sagen die anderen. In den Gruppen- und Einzeltherapien unserer Autorin Franca Cerutti wird meist viel gelacht. Ist daran etwas falsch? Ein Plädoyer für Lachen als Medizin.

Neulich saß ein neuer Patient im Wartezimmer, während sich meine vorangegangene Gruppe gerade verabschiedete. Als er dann in seinem Sessel Platz nahm, wirkte er fast pikiert: „Die haben aber viel gelacht! Ich denke, die sind depressiv?!“ - „Sagt man nicht, dass Lachen die beste Medizin sei?“ konterte ich. Irgendwie hatte mich sein vorwurfsvoller Unterton getroffen. In meinen Therapien, ob nun im Gruppen- oder Einzelsetting, wird tatsächlich sehr viel gelacht. Sind psychisch Erkrankte nicht eigentlich sehr weit weg von Humor? Mache ich etwas falsch?
 

Das Problematische am Humor

Je psychoanalytisch geprägter die Grundhaltung eines Therapeuten ist, desto eher wird er argumentieren, dass Humor und Lachen die tiefe Auseinandersetzung mit Inhalten behindern können. Humor gilt als Vermeidungsstrategie, da er distanzierend und entspannend wirkt, während die bevorzugte Arbeitshaltung eher intensiv und konzentriert sein sollte. Eine neutrale und tendenziell „unlustige“ Haltung des Psychotherapeuten wird genutzt, um Oberflächlichkeiten zu vermeiden. Auch ernsthaftes Interesse und Mitgefühl durch den Therapeuten zeigt sich besser eben genau so - ernsthaft.

Die bevorzugte Arbeitshaltung in einer psychoanalytischen Therapie ist intensiv und konzentriert – ist da Platz für Humor? (Foto: Eric Mclean – Unsplash.com)

Humor nur mit Feingefühl

Selbstverständlich braucht es Feingefühl, um zu erfassen, wann Heiterkeit  angebracht ist und wann nicht. Auch wie sich der Humor transportiert, will bedacht sein: Als kleine Doppeldeutigkeit? Mittels körpersprachlich-pantomimischer Einlagen? Durch sprachlich originelle Bilder oder einen thematisch passenden Witz? Schmunzele ich leise oder lache ich laut? Klar sollte sein, dass Humor niemals auf Kosten des Patienten gehen darf. Wertschätzung ist das Wichtigste. Kein Patient sollte befürchten müssen, ausgelacht oder zur Zielscheibe von sarkastischen, pseudo-humorvollen Bemerkungen des Therapeuten zu werden. Aber gemeinsam einen liebevoll, augenzwinkernden Blick auf die Problemlagen des Patienten zu entwickeln, halte ich für heilsam.
 

Humor als Geschenk

Gemeinsam zu lachen, erzeugt Nähe und Intimität. Humor kann auch ein Geschenk sein, insbesondere für Patienten, die von ihrem Umfeld „krank“ behandelt werden. Das Impulshafte, Anarchische, das in einem spontanen Lacher liegt, aber auch die Normalität, haben sie oft lange nicht gespürt. Im Lachen mit dem Therapeuten zeigt sich auch der Kampfgeist und die Zuversicht, dass die belastende Symptomatik, selbst wenn sie den Alltag dominiert, noch nicht gewonnen hat.

In Karikaturen werden wir Psychotherapeuten als steife, unnahbare Personen dargestellt, die mit sparsamer Mimik die Äußerungen der Patienten spiegeln und ansonsten schweigen. Und es mag Therapeuten geben, die diese Satire in punkto Abstinenz und Neutralität vollumfänglich bestätigen. Ich frage mich an der Stelle, ob eine eigene rigide, dogmatische Grundhaltung dazu taugt, um Patienten zu mehr Leichtigkeit und Flexibilität zu verhelfen?
 

Leichtfüßigkeit als Modell

Ich diene lieber als Modell für eine heitere, optimistische Einstellung zum Leben. Ich zeige mich spontan und spielerisch, und gebe viele Freiheiten in der Interaktion. Natürlich haben Verzweiflung, Traurigkeit und Lebensunlust ihren Platz - aber es darf auch ganz anders sein. Der Betroffenheitshabitus, den ich bei manchen Kollegen wahrnehme, passt so gar nicht zu mir. Ich bekenne, ich bin „Team Leichtfüßigkeit“. Manchmal sage ich etwas Unpassendes oder Blödes. Aber auch hier diene ich als Modell: Man kann sich interaktionell mal aufs Glatteis begeben oder ins Fettnäpfchen treten - die Welt geht davon nicht unter. Insbesondere, wenn der depressiven oder der ängstlichen Symptomatik eine zwanghafte, perfektionistische Struktur zu Grunde liegt, profitieren Patienten sehr von einem gelassenen Therapeutenmodell.

Therapie kann auch ein Modell sein – für eine unbeschwertere und positivere Einstellung gegenüber dem Leben. (Foto: xxolaxx – Pixabay.com)

Und nicht zuletzt: Lachen ist tatsächlich eine gute Medizin. Wer lacht, ist ganz im Hier und Jetzt. Wer lacht, atmet tief. Und wer lacht, schüttet Endorphine aus, die bei der Verarbeitung von psychischem und physischem Stress helfen. Studien bestätigen, dass insbesondere gemeinschaftliches Lachen sogar die Reizschwelle gegenüber Schmerz signifikant erhöht. Das bedeutet nicht, dass man sich als Therapeut ein Repertoire an „Schenkelklopfern“ zulegen muss. Ein warmes, herzliches und authentisches Miteinander wäre aber vielleicht ein guter Anfang.