Therapeutische Hilfe bei Pädophilie

Ein Mann mit in die Hände gestütztem Kopf sitzt auf einem Sofa neben einer Therapeutin mit Klemmbrett.

Die sexuelle Ansprechbarkeit auf das kindliche Körperschema nennen wir Pädophilie. Sie ist nicht gleichzusetzen mit sexuellem Kindesmissbrauch; das Risiko für einen solchen kann jedoch bestehen. Betroffene sind einem großen Stigma ausgesetzt, das weder den Betroffenen hilft noch für einen effektiven Kinderschutz sorgen kann. Das Thema Pädophilie kann sowohl bei Betroffenen als auch bei Psychotherapeut:innen mit starken Emotionen verbunden sein. Dieser Artikel soll dich dabei unterstützen, dennoch professionell mit Betroffenen zu arbeiten.

Pädophilie ist ein Begriff, der fast augenblicklich emotionalisiert. Kaum jemand wird unberührt bleiben bei der Vorstellung von… Ja, von was eigentlich? Klären wir die Begrifflichkeiten. 

Die Pädophilie bezeichnet eine sexuelle Ansprechbarkeit auf das kindliche, vorpubertäre Körperschema. Medizinisch spricht man von einem kindlichen Körperschema nach Tanner-Stadien dann, wenn noch keine Zeichen der Geschlechtsreife aufgetreten sind (Tanner-Stadium I). Demgegenüber gibt es die sogenannte Hebephilie. Sie bezeichnet die sexuelle Ansprechbarkeit auf das jugendliche Körperschema in den Tanner-Stadien II und III. Das sind Personen, die zum Beispiel beginnendes Brustwachstum haben, bei denen sich die Intimbehaarung zeigt, die Stimmveränderung anfängt und/oder das Hodenvolumen zunimmt. Die Teleiophilie bezeichnet die Ansprechbarkeit auf das erwachsene Körperschema (Tanner-Stadien IV und V), also das, was die meisten von uns sexuell attraktiv finden. 

Je nach Studie sind etwa 1 % der Männer* exklusiv pädophil und sprechen also ausschließlich sexuell auf das kindliche Körperschema an (Dombert, 2015). Bis zu 24 % der Männer* sind nicht-exklusiv sexuell an kindlichen oder jugendlichen Körperschemata interessiert (Savoie, 2021). Männer* machen ca. 98 % der Personen mit SIIC (sexual interest in children) aus, Frauen* etwa 2 %.

Pädophilie bedeutet nicht gleich Kindesmissbrauch 

Wichtig zu wissen: Pädophilie ist nicht gleich sexueller Kindesmissbrauch! Wenn man alle (bekannten) Fälle sexuellen Kindesmissbrauchs anschaut, ist die Gruppe der sogenannten „Präferenztäter:innen“, die also aus sexuellen Erregungsmotiven Übergriffe begehen, mit etwa 40 % nicht die Mehrheit. Ca. 60 % der Taten geschehen aus anderen Motiven (z.B. Elliot, 1995). Sie werden „Ersatzhandlungstäter:innen“ genannt und weisen zum Beispiel Persönlichkeitsstörungen oder große Schwierigkeiten im sozialen Umgang mit Erwachsenen auf. Auch Machtgewinn oder Machtdemonstration können Motive sein. Diese Personengruppe ist in diesem Artikel nicht gemeint. 

Das Risiko, sich wiederholt sexuell grenzverletzend zu verhalten, ist jedoch bei Menschen mit pädophiler Sexualpräferenz höher, als wenn keine solche Präferenz vorliegt. Ein Therapieziel kann es also sein, mit der eigenen Präferenz einen verantwortungsvollen Umgang zu erlernen und das Übergriffsrisiko gering zu halten.  

Ein Mann sitzt am Tisch und hat den Kopf auf die verschränkten Arme gelegt.

Durch das große Stigma, das immer noch auf dem Thema Pädophilie liegt, ist es für Betroffene mitunter schwer, sich jemandem gegenüber zu öffnen und von der Präferenz zu berichten. Das bedingt einen Teil des Risikos für psychische Begleiterkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, Suchterkrankungen und Suizidalität. Betroffene leiden oft sehr unter Schuld- und Schamgefühlen, auch wenn kein grenzverletzendes Verhalten vorliegt oder vorgelegen hat - sei es online (z. B. Grooming, Nutzung von Missbrauchsabbildungen) oder offline (Hands-on-offending). Das sind gute Gründe, das Sprechen über sexuelle Präferenzen zu professionalisieren und Fantasien zu entstigmatisieren und gleichzeitig entschieden gegen jedes grenzverletzende Verhalten einzutreten (nicht nur, aber vor allem gegenüber Kindern und Jugendlichen).

Die Arbeit mit Angehören 

Sind pädophile Menschen beziehungsfähig? Etwa 40 % der Menschen mit pädophiler Präferenz leben in Partnerschaften, ca. 35 % sind Eltern/Bezugspersonen für Kinder (Beier, 2018). Aus mehreren Gründen könnte in der Therapie daran gearbeitet werden, dass Betroffene sich jemandem anvertrauen können. Das kann zum einen die Einsamkeit und die Ausgeschlossenheit verringern und psychische Begleitsymptome verbessern und zum anderen kann für einige durch die soziale Kontrolle auch das Übergriffsrisiko, sofern vorhanden, reduziert werden.  

Für Angehörige, speziell Partner:innen von pädophilen Menschen, kann es sehr schwierig sein, von der Präferenz des Partners/der Partnerin zu erfahren, denn damit steht oft auch die (sexuelle) Beziehung in Frage. Doch eine Partner:innenschaft erfüllt bekanntermaßen (im Idealfall) nicht nur sexuelle Bedürfnisse und Wünsche (Lustdimension), sondern auch emotionale Bedürfnisse nach Geborgenheit, Verbindung oder Nähe (Beziehungsdimension) oder einen Kinderwunsch (Fortpflanzungsdimension). Der verantwortliche Umgang mit einem möglicherweise vorhandenen Kinderwunsch einer Person mit pädophiler Präferenz gehört zu einem der möglichen Themen in einer Psychotherapie. Auch die Arbeit mit Angehörigen kann und soll hier ihren Platz finden.

Therapiemöglichkeiten 

Wir gehen davon aus, dass die sexuelle Präferenz, also was jede:r von uns als erregungssteigernd empfindet, nicht therapeutisch verändert werden kann und auch nicht soll. Das wären unethische Konversionstherapien.

Was kannst du nun als Therapeut:in tun, wenn dir jemand sein/ihr sexuelles Interesse an Kindern berichtet hat? Erstmal: Herzlichen Glückwunsch, das Vertrauen in dich scheint enorm zu sein! Du hast nun die Chance, für dein Gegenüber einen echten Unterschied zu machen. Grundsätzlich gilt: Achte auf dich und deine Emotionen. Nimm sie ernst und gehe nicht über deine eigenen Grenzen. Nutze Supervision oder Intervision für einen professionellen Umgang.  

Ein Kind hält die Handfläche in die Kamera, auf der STOP steht.

Nutze Weiterbildungsmöglichkeiten oder Behandlungsmanuale zum Thema. Wenn du mit dem Klienten oder der Klientin nicht selbst psychotherapeutisch (weiter) arbeiten kannst oder willst, kannst du jederzeit an das Präventionsnetzwerk Kein Täter werden weiterverweisen. Dort gibt es an vielen Orten in Deutschland kostenlos, anonym und unter Schweigepflicht Hilfe für pädo-hebephile Menschen, die aktuell nicht in einem Strafverfahren sind und selbstmotiviert Hilfe suchen. Dort findest du auch als Fachkraft weiterführende Informationen.

Falls die betroffene Person minderjährig ist, gibt es das Projekt Du träumst von ihnen, wohin du ebenfalls verweisen kannst. Auch online und in weiteren Sprachen gibt es Hilfe, z. B. bei Troubled Desire.

Neben einer Einzel- oder Gruppenpsychotherapie gibt es auch medikamentöse Therapieoptionen, die mild bis stark „triebreduzierend“ wirken. Wirkstoffe, die hier eingesetzt werden, reichen je nach Komorbidität und Übergriffsrisiko von selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) über Testosteron-Rezeptor-Blockern bis zu GnRH- Analoga. Auch Kombinationen sind denkbar (Thibaut, 2010). 

Schweigepflicht 

Eine kniffelige Frage, die sich Behandelnde manchmal stellen, ist, ob sie die Person „melden“ müssen. Das ist in der Kürze schwer zu beantworten. Grundsätzlich besteht in Deutschland die (ärztliche und psychotherapeutische) Schweigepflicht. Es gibt gestufte Ausnahmen davon bei Hinweisen auf Kindeswohlgefährdung oder Gefahr im Verzug. Du kannst dich beim zuständigen Jugendamt bei der insoweit erfahrenen Fachkraft beraten lassen, wenn du den Eindruck hast, dass ein Kind gefährdet sein könnte. Informiere dich hier, was für dich und deine Profession gilt.

Zusammengefasst ist das Thema Pädophilie mit starken Emotionen wie Angst, Scham, Schuld, Erregung auf Seiten der Betroffenen besetzt. Auf Seiten der Behandelnden können Emotionen wie Ablehnung, Angst, Wut, Ärger, Scham, Hilflosigkeit, Ekel auftreten. Ein professioneller Umgang mit Betroffenen ist wichtig, um Stigmatisierungen abzubauen und therapeutisch einen verantwortungsvollen Umgang mit den Präferenzen zu erarbeiten.

*Ich nutze die Begriffe Männer* und Frauen* mit Sternchen, weil diese die Begriffe aus den (binären) Studiendaten sind.  

Quellen 

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