Gefühle auf Distanz: 3 Tipps für die Online-Paartherapie

Ein Paar bestehend aus Mann und Frau sitzt auf der Couch und blickt auf einen Laptop, den er auf den Knien hält.

Als erfahrene Online-Therapeutin begleite ich neben Einzelpersonen auch Paare auf ihrem Weg zu einer erfüllteren Beziehung - und das bequem von meinem Laptop aus! Die Online-Paartherapie eröffnet uns die Möglichkeit, Paaren in verschiedenen Lebenssituationen und an verschiedenen Orten der Welt zu helfen, ihre Beziehungen zu stärken und ihr gemeinsames Glück zu finden – aber sie kann auch Herausforderungen bergen.

In diesem Artikel möchte ich meine Erfahrungen mit dir teilen und dir einen Einblick in die Herausforderungen geben, die bei der Online-Paartherapie auftreten können. Zudem zeige ich mögliche Lösungen auf, um diese Herausforderungen erfolgreich zu meistern.

 

1. Verbindung auf Distanz: Emotionale Nähe in virtuellen Sitzungen herstellen

Als Therapeut:in bist du in der Online-Paartherapie damit konfrontiert, eine emotionale Verbindung zwischen den Partner:innen herzustellen. Im persönlichen Kontakt ist dies oft einfacher, da wir nonverbale Signale besser wahrnehmen und nutzen können. Doch auch in der virtuellen Welt gibt es Möglichkeiten, eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen.

Ich arbeite z. B. gerne nach dem Ansatz der „Emotionsfokussierten Paartherapie (EFT)". Diesen Ansatz kannst du auch in deinen Online-Paartherapie-Sitzungen nutzen. Ein Beispiel dafür, wie du diesen Ansatz in der virtuellen Umgebung anwenden kannst, ist das sogenannte „Emotionsfokussierte Gespräch". Dabei ermutigst du die Partner:innen, ihre emotionalen Bedürfnisse und Wünsche zu äußern und einander auf einer tieferen emotionalen Ebene zu verstehen. In einer Online-Sitzung kannst du dies durch den gezielten Einsatz von Fragen und Reflexion erreichen. Frag zum Beispiel: „Welche Bedürfnisse und Wünsche werden in dir wach, wenn dein:e Partner:in sagt, dass er/sie gestresst von der Arbeit nach Hause kommt?" Die Partner:innen können dann abwechselnd antworten und ihre emotionalen Reaktionen offenlegen. Du kannst dabei unterstützen, diese Emotionen zu validieren und Verständnis zwischen den Partner:innen zu fördern.

 

2. Nonverbale Kommunikation: Missverständnisse vermeiden

In der Paartherapie wissen wir, wie wichtig nonverbale Kommunikation ist. Oft sagen Mimik, Gestik und Körperhaltung mehr als tausend Worte. In Online-Sitzungen kann die nonverbale Kommunikation für uns Therapeut:innen jedoch manchmal schwieriger zu erkennen und zu interpretieren sein. Wie können wir diesen Herausforderungen begegnen?

Ein Mann sitzt am Boden und hält in der rechten Hand einen selbstgebastelten Hörer ans Ohr.

Meiner Erfahrung nach hat es sich bewährt, besonderes Augenmerk auf die Videokonferenztechnik und -qualität zu legen. Eine gute Kamera und ein stabiles Internet sind hierbei unerlässlich, um so viele nonverbale Signale wie möglich einzufangen. Sollte es dennoch zu Unklarheiten kommen, zögere nicht, direkt nachzufragen und das Paar dazu zu ermutigen, ihre Gedanken und Gefühle in Worte zu fassen.

Achte bei Online-Sitzungen verstärkt auf Mimik und Gestik des Paares, nonverbale Signale wie eine gesenkte Stimme, Tränen oder Körperhaltung, um tiefergehende Emotionen zu erkennen und gezielt darauf einzugehen. Hilfreich ist es, wenn sich das Paar vor der Kamera so positioniert, dass mindestens Gesicht und Oberkörper zu sehen sind, um auch die Körperhaltung als Ausdruck von Gefühlen berücksichtigen zu können. Besprich Einflussfaktoren und Rahmenbedingungen wie z. B. Kameraeinstellungen am besten zu Beginn des Therapieprozesses.

Durch regelmäßige Reflexion und kontinuierliche Weiterbildung können wir unsere Fähigkeiten in diesem Bereich weiterentwickeln und so die Qualität unserer Online-Paartherapie stetig verbessern.

 

3. Räumliche Herausforderungen: Die Therapeut:in-Paar-Interaktion

In der Online-Paartherapie sind wir als Therapeut:innen mit der besonderen Herausforderung konfrontiert, dass wir uns nicht im selben Raum wie das Paar befinden. Das kann die Interaktion und das Eingehen auf individuelle Bedürfnisse erschweren, insbesondere wenn das Paar emotional wird. Wie können wir trotz räumlicher Distanz eine effektive und unterstützende therapeutische Beziehung aufbauen und erhalten, die es uns ermöglicht, auch in solchen Situationen angemessen zu reagieren?

Eines der Beispiele, die ich in meiner Praxis erfolgreich eingesetzt habe, ist die sogenannte „emotionale Pause". Wenn das Paar in der Online-Sitzung sehr emotional wird und es schwierig erscheint, die Situation direkt zu beruhigen, kann es hilfreich sein, eine kurze Pause vorzuschlagen. Bitte das Paar, sich für einen Moment voneinander abzuwenden oder den Raum zu verlassen, um durchzuatmen und sich zu sammeln. Diese Pause ermöglicht ihnen, sich ihrer Emotionen bewusst zu werden und sich wieder auf die gemeinsame Arbeit in der Therapie zu konzentrieren.

Eine Frau und ein Mann sitzen angezogen auf dem Bett, sie hat ihm den Rücken zugedreht und hält die Hände vor ihrem Gesicht, er schaut fragend zu ihr rüber.

Um eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen, ist es wichtig, dass du und das Paar sich in einer ruhigen, ungestörten Umgebung befinden. Ermutige das Paar dazu, einen Ort zu wählen, an dem sie sich wohlfühlen und offen über ihre Gefühle sprechen können. Ebenso solltest du selbst darauf achten, dass dein Arbeitsplatz eine professionelle und angenehme Atmosphäre ausstrahlt.

Kommuniziere klar und offen über die Rahmenbedingungen der Therapie, etwa die Dauer der Sitzungen, die Vertraulichkeit und die gemeinsamen Ziele. Gib dem Paar regelmäßig Gelegenheit, Feedback zu geben und sich über ihre Erfahrungen in der Online-Paartherapie auszutauschen. So kannst du auch aus der Ferne eine starke therapeutische Beziehung aufbauen und aufrechterhalten, die es dir ermöglicht, das Paar effektiv auf ihrem Weg zu einer glücklicheren und gesünderen Beziehung zu begleiten.

 

Fazit: Die Zukunft der Online-Paartherapie und die Notwendigkeit der Weiterentwicklung

Die Online-Paartherapie hat sich als wertvolles Instrument für die Unterstützung von Paaren auf ihrem Weg zu einer gesünderen und glücklicheren Beziehung erwiesen. Trotz der Herausforderungen, die mit dieser Form der Therapie einhergehen, bietet sie sowohl für Therapeut:innen als auch für Paare zahlreiche Vorteile wie Flexibilität, Zugänglichkeit und Komfort. Um die Qualität der Online-Paartherapie weiter zu verbessern, ist es entscheidend, dass wir als Therapeut:innen uns kontinuierlich weiterbilden und uns an die sich ständig verändernden Gegebenheiten anpassen. Dazu gehört auch, über neue Technologien und Methoden auf dem Laufenden zu bleiben und unser therapeutisches Handwerkszeug stetig zu erweitern. Die Zukunft der Online-Paartherapie ist vielversprechend, und es liegt an uns, sie bestmöglich zu gestalten und so Paaren weltweit zu einer besseren Beziehungsqualität zu verhelfen.

 

Zum Weiterlesen:

[Werbung] Johnson, S. (2021). Praxis der Emotionsfokussierten Paartherapie: Verbindungen herstellen. Paderborn: Junfermann Verlag.

[Werbung] Kallos-Lilly, V., Fitzgerald, J. (2017). Wir beide: Das Arbeitsbuch zur Emotionsfokussierten Paartherapie. Paderborn: Junfermann Verlag.