Office-Yoga – Entspannt durch den Praxisalltag

Verbringst du deine Praxistage auch oft sitzend und fühlst dich am Abend verspannt? Die emotionale Abgrenzung zu Patient*innen fällt dir schwer und du brauchst zwischendurch mal eine Pause? Dann hat unsere Autorin und Yogatherapeutin Julia Cremasco ein paar Übungen für dich. Raus aus den Arbeitsschuhen und rein in die Entspannung!

Der Tag in der Praxis ist lang, in den Terminen mit deinen Patient*innen sitzt du. Und danach sitzt du in der Regel auch wieder, nämlich am Schreibtisch. Wenn du deine Arbeitstage überwiegend so verbringst, sind dir Verspannungen wahrscheinlich nicht fremd. Die Schultern, der Nacken - alles fühlt sich verhärtet an. Und gerade in deinem Beruf stehst du womöglich noch dazu vor der Herausforderung, dich emotional gut von den Themen deiner Patient*innen abzugrenzen. Das klappt mal gut, mal schlecht. Und schließlich wollen ja auch Buchhaltung und Steuererklärung erledigt sein, Büromaterial muss bestellt werden. Am Ende des Tages bleibt kaum Zeit für das Fitness-Studio und das schlechte Gewissen macht dir möglicherweise zusätzlichen Stress.

Ein ganzheitlicher Ansatz

Ich habe da eine Idee für dich, um aus diesem Anspannungskreislauf auszubrechen: Lass dich von den positiven Effekten des Office-Yoga überraschen! Was ist das? Die Wurzeln liegen im klassischen Hatha Yoga und genau wie im traditionellen Yoga betrachte auch ich im modernen Office-Yoga den Menschen in seiner Ganzheit. Das bedeutet konkret, dass beim Üben sowohl der Körper als auch Geist und Atem angesprochen werden, mit dem Ziel, wieder in Balance zu finden. Sowieso ist dein Atem ein gutes Anzeigeinstrument für deine mentale und/oder körperliche Befindlichkeit: Du atmest bei Erschöpfung, Müdigkeit, Wachheit, Konzentriertheit grundsätzlich auf unterschiedliche Weise. Das kannst du ja mal für dich beobachten. Wie atmest du?

Kleine regelmäßige Übungen

Du kannst sehr frei für dich die Übungen je nach Bedarf nutzen: Wenn Verspannungen dich ärgern, nutze passende Körperübungen. Wenn dich ein emotionales Thema berührt, können je nach Kontext Atem- oder Mentalübungen helfen. Du benötigst dafür lediglich einen Moment Zeit. Du brauchst keine Sportkleidung, kein Fitness-Studio oder sonstiges Equipment, außer evtuell einen Stuhl oder eine Tischkante. Ich selbst arbeite seit fast 20 Jahren mit Yoga und weiß aus eigener Erfahrung, dass es eher die kleinen, regelmäßigen Übungen zwischendurch sind, die nachhaltig Veränderung und/oder Linderung bewirken, als einmal pro Woche 90 Minuten im Kurs.

Auf geht’s in die kleine, aktive Pause!

Schenke dir zwischendurch im Alltag, am Arbeitsplatz mal ein paar Minuten Zeit, um eine Übung zu machen. Du könntest schon heute damit anfangen, z. B. nachdem du diesem Artikel fertig gelesen hast. Die Rauchenden unter uns nehmen sich auch die Zeit für ihre Zigarette. Nimm dies zum Vorbild – nicht für das Rauchen, sondern um kleine aktive Pausen zu machen. Bitte beachte aber, dass du unbedingt auf die Gesundheitshinweise achten und im Zweifel vorab mit dem Arzt sprechen solltest.

Den Alltag abschütteln

Fangen wir mit etwas sehr Simplem an, dem sogenannten „Shakti Shake“. Am Tagesende oder direkt nach einem schwierigen Gespräch, haben wir oft den Eindruck, die Themen kleben noch an uns oder wir fühlen uns erstarrt. Der Shakti Shake hilft dir, der Erstarrung zu entkommen. Nimm dir einen Augenblick Zeit und wenn möglich zieh bitte deine Schuhe aus (bei hohen Absätzen sollte das beim Üben immer der Fall sein). Steh stabil mit beiden Füßen auf dem Boden und beginne, nacheinander deine Arme, deinen Oberkörper und deine Beine auszustreichen, als wenn du Wasser vom Körper streichen wolltest. Oder stell dir alternativ Staub vor, den du von deiner Kleidung wischst. Am Ende schüttele Arme und Beine aus – auch bei dieser Bewegung stell dir vor, dass du etwas abschüttelst. Abschließend nimm dich einen Moment im stillen Stehen wahr. Hast du immer noch das Gefühl, die Themen des schwierigen Gesprächs kleben an dir?

„Sonne-Mond“ gegen den Stressbuckel

Möglicherweise hast du auch mal Tage, an denen du vor lauter Stress immer mehr zusammensackst und einen „Stressbuckel“ bekommst. Dann wird dir evtl. die „Sonne-Mond-Übung“ helfen. Bei dieser Mini-Abfolge im Sitzen führst du deinen Oberkörper durch bewusste Vor- und Rückbeugen in der oberen Wirbelsäule zurück in die Flexibilität. Und an dieser Stelle verrate ich dir was Tolles: Am Ende dieses Artikels findest du einen Link zu einem Übungsblatt, in dem ich dir diese und die folgenden Übungen noch einmal detailliert beschreibe. Drucke es dir gerne aus und lege es auf deinen Schreibtisch!

Der „Office-Hund“ gegen Rückenverspannungen

Und wo wir gerade beim Körper sind: Gerade diejenigen unter uns, die im Alltag viel sitzen, kennen vielleicht das Gefühl, dass sich die Muskulatur auf der gesamten Körperrückseite verhärtet. Das fühlt sich an, als seien die Muskeln „verkürzt“. Gegen diese Verspannung kann man sehr gut eine sehr klassische Hatha Yoga-Übung in abgewandelter Form nutzen. Wer schon einen Yogakurs besucht hat, kennt womöglich die Haltung „der herabschauende Hund“ (Adho mukha svanasana). Abgewandelt für das Office-Yoga ist es jetzt der „Office-Hund“. Für die Übung hältst du dich mit beiden Händen an einem Tisch oder Stuhl fest, um aus der Hüfte heraus, den gestreckten Oberkörper bei langen Armen und Beinen sinken zu lassen, bis der Kopf zwischen den Armen angekommen und der Oberkörper ungefähr parallel zum Boden ausgerichtet ist. Dadurch wird deine gesamte Körperrückseite gedehnt und besser durchblutet. Halte statische Übungen, wie den „Office-Hund“, immer nur ein paar Augenblicke, komm anschließend zurück in den aufrechten Stand und schüttele Arme und Beine aus. Wiederhole dies gerne 2-3mal. 

Summendes Atmen für mehr Entspannung

Wahrscheinlich ist das autonome Nervensystem und die Verbindung zum Atem für dich nichts unbekanntes: Während die Einatmung mit dem körpereigenen Aktivierungsprogramm (Sympathikus) gekoppelt ist, spricht dein Ausatmen den „Ruhenerv“ (Parasympathikus) an, sodass das Entspannungsprogramm deines Körpers gestartet wird. Um genau dies hinzubekommen, schlage ich dir das sogenannte Bhramari („Bienensummen“) vor. Diese Atemübung verlängert auf sanfte Weise deine Ausatmung und die Vibrationen, die in der Übung entstehen, sorgen darüber hinaus für eine geistige Beruhigung. Das Summen sollte nicht anstrengend sein und muss deshalb auch nicht übermäßig laut hörbar sein. 

Fühl dich eingeladen, die Übungen auszuprobieren. Ich selbst nutze diese simplen Übungen des Office-Yoga in meinem Praxis-Arbeitsalltag sehr gerne, um zwischendurch Körper und Geist auszubalancieren. Je öfter du übst, desto nachhaltiger werden die Effekte sein. Und du benötigst wirklich nur wenige Minuten je Übung.