Berufsunfähigkeitsversicherung: Risiko Psychotherapie?

Eine Frau im Blazer sitzt an einem Schreibtisch und nimmt einen Stapel Papier aus einer Mappe.

Immer wieder hören wir in unserem Beratungsalltag, dass eine durchlaufene Psychotherapie den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) verhindert. Für Psychotherapeut:innen ist das Thema in zweifacher Weise relevant: Fachlich müssen sie zu Beginn einer Behandlung über mögliche Risiken aufklären, wobei auch das Abschließen von Versicherungen ein Faktor sein kann. Persönlich kann die Inanspruchnahme einer Selbsterfahrung im Rahmen der Ausbildung mögliche Konsequenzen haben. Psychotherapie als Risiko? Wir klären, ob diese pauschale Aussage stimmt.

Psychische Erkrankungen – Hauptursache für die Berufsunfähigkeit 

Fakt ist: Psychische Erkrankungen stehen heute an erster Stelle der Ursachen für den Verlust der Arbeitskraft. Folglich schauen Versicherer genau hin.

Grafische Darstellung zu Ursachen für den Verlust der Arbeitskraft

Unsere Beratungspraxis zeigt aber auch, dass eine psychische Vorerkrankung nicht zwangsläufig den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung unmöglich macht.

Gesundheitsfragen und Risikoprüfung

Bei Antragstellung wird nach Vorerkrankungen und durchlaufenen – auch psychotherapeutischen – Behandlungen gefragt. Um es direkt zu sagen: Das Verschweigen einer Therapie wird von uns grundsätzlich abgelehnt. Dies wäre eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung.

Genau beachten muss man bei Antragstellung, wonach im Antrag konkret gefragt wird. Wichtig sind dabei vor allem die im Antrag genannten Abfragezeiträume. In der Regel betragen diese für ambulante Behandlungen (auch psychotherapeutische) mindestens drei, in der Regel fünf und für stationäre Behandlungen zehn Jahre. Um keine Ansatzpunkte für Ablehnungen im Leistungsfall zu schaffen, müssen diese Fragen wahrheitsgemäß beantwortet werden.

Besonderheit Selbsterfahrung

Die Beantwortung der Frage nach durchlaufenen Psychotherapien ist bei der Berufsgruppe der Psychotherapeut:innen problematisch, weil Versicherer auch die im Rahmen der Ausbildung zu durchlaufende Selbsterfahrung (zumindest teilweise) als Therapie einstufen. Wir wissen, dass es sich hier nicht um eine Psychotherapie im eigentlichen Sinne handelt. Trotzdem müsste die Frage nach einer Psychotherapie zur Vermeidung einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung mit „Ja“ beantwortet werden.

Lösungsansätze

Um den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung – trotz Selbsterfahrung oder psychotherapeutischer Behandlung - ohne Ausschlüsse oder Zuschläge möglich zu machen, gibt es einige Punkte, auf die man achten kann:

  • Nutzung einer Zusatzvereinbarung, in der verbindlich dokumentiert wird, dass Selbsterfahrung nicht als Therapie gilt. Voraussetzung ist, dass es keine sogenannten F-Diagnosen gibt. Dies führt zu Rechtssicherheit im Leistungsfall.
  • Ausschließliche Nutzung von Versicherern, die  
    • alle Anfragen individuell, nach Möglichkeit auch anonymisiert, prüfen. Die Annahmeentscheidungen werden nur unter Berücksichtigung der konkreten Umstände jeder Erkrankung und der Behandlung getroffen. 
    • nach individueller Risikoprüfung und einem angemessenen zeitlichen Abstand zum Zeitpunkt der Beendigung der Therapie (i. d. R. drei Jahre) vielfach uneingeschränkten Versicherungsschutz bieten.
  • Nutzung von Rahmenverträgen verschiedener Berufsverbände mit z. T. deutlich vereinfachter Gesundheitsprüfung durch 
    • Verkürzung der Abfragezeiträume für Vorerkrankungen und Behandlungen 
    • Reduzierung der Zahl der Gesundheitsfragen
Eine blonde Frau sitzt einem dunkelhaarigen Mann gegenüber. Zwischen ihnen liegen Texte auf dem Tisch.

Eigene Versuche zum Abschluss einer Berufsunfähigkeits-Versicherung

Auf Grund der Komplexität der Thematik, der Produktvielfalt und des extrem breit gefächerten Herangehens der verschiedenen Versicherungsunternehmen raten wir dringend davon ab, selbst Anfragen bei Versicherern oder den ausschließlich für diese tätigen Vermittlern zu stellen. Gibt es nach solchen Versuchen erst einmal eine Ablehnung oder Erschwerungen (Ausschlüsse, Beitragszuschläge etc.), sind andere Entscheidungen in der Regel nicht mehr möglich. Anfragen bei weiteren Versicherern werden darüber hinaus meist nach Ablehnungen oder Annahmeoptionen mit Erschwerungen kaum möglich.

Expertise nutzen

Spezialisierte Versicherungsmakler kennen den BU-Markt, die vorhandenen Spezialkonzepte und die Herangehensweisen der Versicherer aus vielen Beratungsgesprächen. Nutze also diese Expertise, damit es keine bösen Überraschungen gibt. Gemeinsam werden z. B. Unterlagen der Gesetzlichen oder Privaten Krankenversicherung im Hinblick auf die Relevanz bei Antragstellung gesichtet. Im Ergebnis werden dann nur die tatsächlich erforderlichen Angaben in den Antrag aufgenommen.

Fazit

BU-Schutz ist häufiger möglich, als viele vermuten. Da auch das Eintrittsalter ein relevanter Prämienfaktor ist, sollten alle, die noch nicht oder noch nicht ausreichend vorgesorgt haben, jetzt aktiv werden. Denn: Die private Arbeitskraftabsicherung ist sowohl für freiberuflich/selbstständig Tätige als auch für Angestellte von sehr hoher Relevanz.