Wie Boosting dabei hilft, Coachingziele beizubehalten

Person in Labyrinth am Strand

Erinnerst du dich noch an deine guten Vorsätze vom Jahresbeginn? Wie viele davon sind übriggeblieben? Auch deine Klient:innen haben vielleicht Ziele aus den Augen verloren. Höchste Zeit, neue Ziele zu formulieren oder die alten wieder in Erinnerung zu rufen. Dabei können dir Boosting-Interventionen helfen. Aber wie formuliert man geeignete Ziele - und was ist Boosting überhaupt?

Ziele sollen uns antreiben und unser Handeln entsprechend ausrichten. In der Arbeitswelt können uns Ziele in Form konkreter Anreize u. a. zu einer höheren Leistungsbereitschaft motivieren. Im Freizeitbereich geht es häufig um einen gesunden Lebensstil, z. B.  mehr Sport und weniger Stress. Aber was macht gute Ziele aus? 

Geeignete Ziele finden und formulieren 

Man kann Ziele auf ganz unterschiedlichen Ebenen bilden. In der Zielpyramide unterscheidet Storch (2014) drei Arten von Zielen:  

  • Verhaltensziele (z. B. Gollwitzer, 1999): Verhaltensziele sind sehr konkret und auf einer situationsspezifischen Ebene angesiedelt. Es werden verhaltensbasierte Wenn-Dann-Pläne erarbeitet: „Wenn ich heute Feierabend mache, dann denke ich nicht mehr an die Arbeit.“ 

  • Ergebnisziele (z. B. Locke & Latham, 2002): Ergebnisziele sind etwas allgemeiner. Häufig wird das Akronym SMART – Spezifisch, Messbar, Attraktiv, Realistisch, Terminiert - für die Aufstellung von konkreten Zielen genutzt: „Nach Abgabe des Projektberichts werde ich mir drei Tage Urlaub an meinem Lieblingsort erlauben.“ 

  • Haltungsziele (z. B. Storch & Krause, 2007): Motto-Ziele bewegen sich auf einer abstrakten Haltungsebene. Dadurch geben sie keine Handlungen für konkrete Situationen vor, sind allerdings allgemeingültiger. Durch eine abstrakte Formulierung im Rahmen von sogenannten Motto-Zielen soll zunächst eine innere Einstellung zum Ziel aufgebaut werden, die das Handeln steuert: „Ich gönne mir Auszeiten.“

Mann und Frau beim Coaching

Verschiedene Ziele können sich ergänzen 

Welche Ziele am besten passen, ist abhängig vom Kontext, der Motivation und der Persönlichkeit der Klient:innen. Während konkrete Ziele (Ergebnis- und Verhaltensziele) Handlungen für spezifische Situationen festlegen, können abstrakte Ziele auf unterschiedlichste Situationen angewendet werden.  

Auch wenn man zunächst annehmen könnte, dass Motto-Ziele die Handlungsfähigkeit einschränken, wirken sich abstrakt formulierte Ziele positiv auf die Selbstkontrolle aus (Fujita et al., 2006). Manchmal ist es vielmehr hilfreich, sich zunächst mit Motto-Zielen den unbewussten Bedürfnissen zu stellen und Zielkonflikte und/oder vorhandene Vermeidungsstrategien zu ergründen. Die intrinsische Motivation spielt hierbei eine wichtige Rolle. Aber auch die Persönlichkeit der Klient:innen sollte kongruent zu den Zielen sein. So bevorzugen einige Klient:innen eher Vermeidungsziele (z. B. „Ich möchte weniger gestresst sein“) als Annäherungsziele (z. B. „Ich möchte mich gelassener fühlen“; Mühlberger et al., 2018).

Mann mit Coaching-Karten

Im konkreten Handeln unterstützen konkrete Umsetzungspläne die Klient:innen bei der Zielerreichung. Die verschiedenen Arten von Zielen sollten daher nicht als Gegensätze aufgefasst werden, sondern können sich sogar ergänzen bzw. zum Nachjustieren genutzt werden (Storch, 2014). So kann es sinnvoll sein, mit den Klient:innen ein Motto-Ziel zu entwickeln, das die grundsätzliche Richtung vorgibt. Für konkrete Situationen, die man schon vorhersehen kann, sind Verhaltens- und Ergebnisziele dann besonders hilfreich. 

Boosting bietet einen zusätzlichen Schub  

Nicht immer liegt die Herausforderung darin, ein neues Ziel zu entwickeln. Oft haben Klient:innen schon Ziele, die sie wieder aus den Augen verloren haben. Zum Jahreswechsel haben wir bereits Nudging-Interventionen und ihre Anwendung im Coaching ausführlich vorgestellt. Damit können Klient:innen unterstützt werden, ihre neuen Ziele im Blick zu behalten und ihr Verhalten dauerhaft zu verändern.  

Ein anderer Fall ist es, wenn Klient:innen schon auf dem richtigen Weg sind, aber das Gefühl haben, nicht konsequent „am Ball zu bleiben“. Sie haben schon ein gewünschtes Ziel, es gelingt ihnen aber nicht richtig, das Verhalten als Gewohnheit im Alltag zu implementieren. Dann kann Boosting helfen.  

Während Nudging eher versucht, uns unbewusst in die gewünschte Richtung zu „stupsen“, versuchen Boosting-Interventionen, das bestehende Verhalten noch zu verstärken, indem sie bewusstes Nachdenken über das Ziel anregen (Grüne-Yanoff & Hertwig, 2016). Die Zielverfolgung bekommt einen zusätzlichen Schub, indem jede Auseinandersetzung mit der angepeilten Situation zum Lernen genutzt wird.  

So banal es klingt: Es geht darum, sich konkret damit auseinanderzusetzen, warum man sein Ziel eigentlich verfolgt. Gerade wenn man versucht, von einer alten Gewohnheit weg zu einem neuen Ziel zu kommen, verändern sich die inneren Wissensstrukturen und Denkmuster nur allmählich.  

Kalender, Kaffeetasse, Uhr, Spangen

Oft stehen der Zielerreichung auch unvollständige Informationen oder gar falsche Heuristiken entgegen. Daher ist es wichtig, die Kognition und Umwelt mit einzubeziehen. Studien zeigen, dass Boosts hier ein nachhaltiger Ansatz sind, um die Entscheidungsarchitektur zu verändern (z. B. Van Roekel et al., 2021). 

Die bewusste Auseinandersetzung mit dem Ziel anregen 

Als übergeordnete Kategorie können Boosting-Interventionen in unterschiedlichen Bereichen ansetzen (Herzog & Hertwig, 2019): 

  • Motivations-Boosts fördern die Fähigkeit, die individuelle Selbstkontrolle aufzubauen. So kann die Implementierung von Motto-Zielen oder konkreten Wenn-Dann-Plänen das Commitment der Klient:innen zu den selbst gesteckten Zielen steigern. 

  • Risikokompetenz-Boosts sollen helfen, ein statistisches Verständnis zu entwickeln. So kann beispielweise die Betrachtung von absoluten und relativen Häufigkeiten von Nebenwirkungen eines Medikamentes einen transparenten Einblick erlauben und die Entscheidung der Klient:innen verstärken. Für den „Faktencheck“ kann eine Pro/Contra-Liste aufgestellt werden. 

  • Unsicherheitsmanagement-Boosts unterstützen eine handlungsgeleitete Entscheidungsfindung unter Unsicherheit. So kann das Zurückgreifen auf routinierte Entscheidungsprozesse („Was hast du gemacht, als du zuletzt in einer ähnlichen Situation warst? Kannst du dieses Vorgehen hier anwenden?“) oder weitere Expert:innen den Entschluss der Klient:innen bekräftigen. 

Boosting-Interventionen können unterstützt werden, indem man die bewusste Auseinandersetzung mit dem Ziel anregt. Hierzu können ganz unterschiedliche Methoden genutzt werden: Fragen (z. B. „Was macht dein neues Ziel für dich so attraktiv? Welche Vorteile hast du davon? Was wird anders sein, wenn du deinem Ziel etwas näherkommst?“) oder die gemeinsame Erstellung von Pro-Contra-Listen. Die internen (z. B. „Warum möchtest du persönlich etwas ändern?“) und externen Antreiber (z. B. „Was sagt deine Familie zu den Plänen?“) dieser Ziele geben häufig einen ersten Aufschluss darüber, wie erfolgreich die Umsetzung verlaufen kann.

Hand mit Zigarette

Boosting und Nudging kombinieren 

Wenn Klient:innen gesünder leben und sich beispielsweise das Rauchen abgewöhnen wollen, kann die Methode des Nudging mit der Boosting-Intervention verknüpft werden: Zum einen können im Sinne des Nudgings die Zigaretten außer Reichweite gelegt werden, indem sie stets in einer Schublade verschlossen werden. Möglicherweise versieht man die Schublade sogar noch mit einem Hinweis auf einem Zettel. Zum anderen kann die bewusste und regelmäßige Auseinandersetzung mit den Risiken des Rauchens die Verbindung mit dem Ziel des gesünderen Lebens verstärken. Da das Rauchen meist auch eine soziale Komponente hat, sollten Alternativstrategien, beispielsweise in Form von Wenn-Dann-Plänen, erarbeitet werden („Wenn die Freunde eine Zigarette anbieten, dann lehne ich ab.“).  

Zusammenfassend kann man festhalten, dass es ganz normal ist, wenn Klient:innen Rückschläge bei der Verfolgung neuer Ziele haben. Mit Boosting-Interventionen kann man Klient:innen auf der bewussten Ebene zusätzlich unterstützen, dass es ihnen gelingt, ein neues Verhalten zu einer Gewohnheit auszubauen. 

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