Wie Nudging dabei hilft, Ziele im Coaching zu erreichen

Lichtschalter über dem ein gebasteltes Kraftwerk mit der Aufschrift "CO2" klebt.

Ein frohes neues Jahr! Sind deine Klient:innen auch voller Energie in die Planung von Neujahrszielen eingestiegen, aber in der nächsten Coachingstunde ist davon nicht mehr viel zu spüren? Mit Nudging-Interventionen kannst du sie dabei unterstützen, ins Handeln zu kommen. Aber was ist Nudging überhaupt?

Kennst du das: Deine Klient:innen gehen voller Energie, Optimismus und ausgestattet mit aufwändig ausgearbeiteten Zielen aus der Sitzung, aber beim nächsten Mal scheint ihr wieder am „Anfang“ des Coachingprozesses angekommen zu sein? 

Gerade zum Jahreswechsel werden zahlreiche neue Vorsätze ins Auge gefasst. Und genauso oft werden sie aus verschiedensten Gründen wieder fallengelassen. Die Klient:innen sind dann angesichts des Gefühls mangelnder Selbstwirksamkeit oft niedergeschlagen und stellen vielleicht sogar den Coachingprozess in Frage. Wie kann es also gelingen, mit den Klient:innen bessere Brücken auf dem Weg zu ihren Zielen zu bauen?

Pärchen mit Wunderkerzen.

Vom Abwägen ins Handeln kommen

Das motivationstheoretische Rubikon-Modell der Handlungsphasen (Heckhausen & Gollwitzer, 1987) zeigt auf, welche Schritte Klient:innen konkret durchlaufen, um ein Ziel zu erreichen:

  1. Abwägen: Möchte ich etwas verändern (und was) – oder auch nicht?
  2. Planen: Wie gehe ich vor?
  3. Handeln: Was tue ich?
  4. Bewerten: Was ist jetzt anders? Warum war die Veränderung (nicht) erfolgreich?

Auf dem Weg zum Ziel unterscheiden wir außerdem zwischen Absichten und Vorsätzen:

  • Vorsätze sind Durchführungsintentionen, die einer Wenn-Dann-Struktur folgen und die Selbstregulation fördern. Sie sind in der Regel auf eine konkrete Situation bezogen, wodurch das Verhalten leichter initiiert werden kann: „Wenn ich das nächste Mal merke, das ich in Stress gerate, schließe ich für einen Moment die Augen und atme dreimal tief ein.“
  • Absichten können das Umsetzen sogar behindern, weil sie meist unkonkret sind und dann gebildet werden, wenn die Handlung nicht sofort durchgeführt werden kann: „Ich möchte mich im nächsten Jahr weniger stressen.“ Insofern sind die bekannten Jahresvorsätze motivationstheoretisch eher als Absichten einzuordnen.

Prinzipiell kann ein Coaching in jeder Phase unterstützend wirken. Besonders herausfordernd sind die Intentionsbildung (Übergang vom Abwägen zum Planen) und die Intentionsinitiierung (Übergang vom Planen zum Handeln). Die Intentionsbildung steht auch für den namensgebenden Rubikon, der hier sprichwörtlich überschritten werden muss.

Die Methode des Nudging kann Personen dabei unterstützen, diesen Rubikon zu überschreiten, dauerhafte Verhaltensveränderungen zu begünstigen und so neue Gewohnheiten aufzubauen (vgl. Miller et al., 2018).

Obstkorb

Was ist genau mit Nudging gemeint?

Beispielsweise essen wir oft mehr Süßigkeiten, als wir eigentlich möchten, weil sie unmittelbar neben der Couch verfügbar sind. Auch die Snackschublade – egal wie man sich auch dreht und wendet – scheint immer in Griffnähe zu sein. Im Prinzip ist das schon ein Nudge, also eine Intervention, welche die Handlung „Süßigkeiten essen“ unterstützt (allerdings für die meisten Menschen in eine wohl eher unerwünschte Richtung). Dieses Prinzip können wir natürlich auch gezielt einsetzen, um uns einen Anstoß zu geben, der uns in die erwünschte Richtung (z. B. mehr Obst oder Gemüse essen) stößt. Wie wäre es also stattdessen mit einem kleinen Obstkorb auf dem Couchtisch?

Nudges werden häufig an öffentlichen Orten eingesetzt. Beispielsweise werden Bushaltestellen und Fahrradstraßen an gut besuchten Plätzen geschaffen, um uns die Entscheidung gegen das Auto und für die umweltbewussten Verkehrsmittel zu erleichtern. Für manche wirkt es damit auch ein wenig wie Manipulation (vgl. Sunstein, 2015). Der entscheidende Unterschied ist, dass Nudging Menschen dabei helfen soll, eine Entscheidung zu treffen, die sie selbst als richtig empfinden.

Kühlschrank mit lauter gesunden Sachen, vor allem Gemüse.

Die passenden Nudges finden

Um das Gefühl der Manipulation zu verhindern, sollten die Nudges von den Klient:innen selbst entwickelt werden (sogenanntes Self-Nudging; Reijula, & Hertwig, 2020). Du kannst sie aber im Coachingprozess mit passenden Fragen dabei unterstützen, kleine Veränderungen im Alltag zu erarbeiten. Wichtig ist, dass Nudges so gewählt werden, dass sie eine dauerhafte Sichtbarkeit im Alltag der Klient:innen haben. Sobald diese Nudges verschwinden, kann sich das gewünschte Verhalten wieder abschwächen und die Klient:innen können leicht in die alten Handlungsmuster verfallen.

Es ist also nicht so leicht, passende und wirksame Nudges zu finden. Daher kann die Anregung, sich im öffentlichen Raum umzuschauen und Anregungen zu holen, für Klient:innen manchmal hilfreich sein. Die Erfahrung im Supermarkt, dass auf Augenhöhe eher die teuren Lebensmittel präsentiert werden, mag sich noch als Manipulation anfühlen. Möchten Klient:innen aber gesünder essen, können sie sich dieses Prinzip im Sinne des eigenen Ziels zu Nutze machen, z. B. zu Hause das gesunde Essen im Kühlschrank auf Augenhöhe platzieren. Und auch die Snacks könnten eher in eine Schublade weiter unten geräumt werden, statt sie auf Griffhöhe zu belassen. So ist mit wenig Aufwand ein erster Schritt in Richtung Veränderung geschafft.
 

Mit den richtigen Fragen den Prozess unterstützen

Die verschiedenen Möglichkeiten des Nudging kann man in vier Kategorien unterteilen. Als Coach:in kannst du deine Klient:innen mit Fragen dabei unterstützen, verschiedene Nudges zu entwickeln.

1. Erinnerungen & Hinweise: Erinnerungen und Hinweise sollen helfen, sich an Handlungen zu erinnern, an die man ohne einen Hinweis nicht denken würde. Beispiele:

  • Man kann einen Klebezettel mit Apfelmotiv an den Kühlschrank kleben, um sich an gesunde Ernährung zu erinnern.
  • Man kann die Sportbekleidung vor das eigene Bett legen, um sich am nächsten Morgen daran zu erinnern, Joggen zu gehen.
  • Auch To-Do Listen können dabei helfen, sich an wichtige Aufgaben zu erinnern. Dafür müssen sie jedoch sichtbar platziert werden.

Passende Fragen im Coaching: Welche Erinnerungen und Hinweise nutzt du bereits in deinem Alltag? Welche zusätzlichen Erinnerungen in deinem Alltag können dich dabei unterstützen, dich regelmäßig an dein Ziel zu erinnern? Wo würdest du sie platzieren?

2. Framing: Framing soll Alltäglichkeiten bewusst in ein neues Licht rücken: man gibt ihnen einen anderen Rahmen (Frame). So bekommt man einen anderen Blick auf Handlungen und findet mehr Spaß als ursprünglich daran. Beispiele:

  • Treppenlaufen kann als Beitrag zur Erhöhung der Lebenserwartung interpretiert werden.
  • Man kann Joggen neben einer Entscheidung für Sport auch als eine Entscheidung für die eigene Gesundheit ansehen.
  • Ein ausgewogenes und gesundes Frühstück ist vielleicht nicht nur ein Muss, sondern auch ein guter Start in den Tag.

Passende Fragen im Coaching: Welche Aspekte deines Ziels findest du positiv? Wofür, glaubst du, ist dein Ziel gut? Wie müsstest du dein Ziel umformulieren, damit es für dich mehr Leichtigkeit ausstrahlt?

Zwei Frauen sitzen an einem Tisch und sind im Gespräch.

3. Zugänglichkeit: Zugänglichkeit soll die Erreichbarkeit von Dingen erschweren oder verhindern, die uns schaden bzw. bei uns Stress auslösen. Anders soll die Zugänglichkeit von Dingen erleichtert werden, die uns guttun. Beispiele:

Passende Fragen im Coaching: Wie könntest du es dir noch leichter machen, dein Ziel zu erreichen? Was glaubst du, wird dich von deiner Zielerreichung abhalten? Welche Hindernisse solltest du am besten schon jetzt aus dem Weg räumen?

4. Druck & Selbstverpflichtung: Druck und Selbstverpflichtung können dabei helfen, bestimmte Fristen einzuhalten. Dies geschieht durch eine Verpflichtung zu etwas, was man eigentlich als unangenehm empfindet. Auch die Einbindung von Freunden kann durch den entstehenden sozialen Druck helfen. Beispiele:

  • Damit man eine Deadline tatsächlich einhält, kann man sich selbst dazu verpflichten, eine zusätzliche Aufgabe (bspw. Kuchen für den Basar) zu erledigen, wenn man die Deadline nicht einhält.
  • Spricht man diese Selbstverpflichtung im Freundeskreis an, erhöht dies den Druck zusätzlich. Das richtige Maß ist dabei entscheidend.

Passende Fragen im Coaching: Welche Vereinbarung mit dir selbst hat in der Vergangenheit geholfen, wenn du ein Ziel erreichen wolltest? Wie kannst du dich noch besser mit dem Ziel verbinden? Wer oder was könnte dich dabei unterstützen?

Benötigst du noch weitere Beispiele? Dann findest du hier ein kurzes Video zum Thema Nudging mit Beispielen aus öffentlichen und privaten Lebensbereichen:

Zusammenfassend können wir festhalten: Es ist ganz normal, beim Erreichen von Neujahrsvorsätzen Rückschläge zu erleiden. Nudging-Interventionen können dabei helfen, durch kleine Veränderungen neue Verhaltensweisen zu Gewohnheiten auszubauen. Durch die passenden Fragen kannst du deine Klient:innen dabei unterstützen, die für sie richtigen Nudges zu finden und so Veränderungen mit mehr Leichtigkeit umzusetzen.

 

Zum Weiterlesen [Werbung]:

Paulsen, H. & Kortsch, T. (2020). Stressprävention in modernen Arbeitswelten. Hogrefe.

Sachse, R., Langens, T. A., & Sachse, M. (2018). Klienten motivieren. Psychiatrie-Verlag.

Thaler, R., & Sunstein, C. (2010). Nudge – Wie man kluge Entscheidungen anstößt. Ullstein.

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