Als Coach ins Ausland ziehen – Expats erzählen
Kannst du dir vorstellen, mal eine Zeit im Ausland zu leben? Unsere Autorin Susan Höntzsch ist mit ihrer Familie nach Kanada gezogen. Und auch ihre Coaching-Kolleginnen Jana Ludolf und Katharina von Knobloch leben im Ausland. Die drei Expats erzählen in diesem Artikel über ihre Erfahrungen, Stolpersteine, typische Arbeitstage und Tipps für den Neuanfang.
Vor anderthalb Jahren bin ich mit meiner Familie nach Kanada gezogen. Schon immer hatten mein Mann und ich vor, eine längere Zeit im Ausland zu arbeiten. Als sich die Gelegenheit bot, haben wir sofort zugeschlagen. Denn die persönlichen und beruflichen Erfahrungen, die man im Ausland sammelt, sind unbezahlbar.
Zieht es dich auch in die weite Welt? Eine Karriere ohne Grenzen ist für immer mehr Deutsche eine Traumvorstellung. Mittlerweile kann sich jeder dritte Deutsche vorstellen, für eine gewisse Zeit im Ausland zu leben und zu arbeiten. Doch was bedeutet das für die Arbeit als Coach?
Gute Organisation ist das A und O
Zunächst einmal brauchst du Geduld, denn der Schritt ins Ausland ist nicht von heute auf morgen gemacht. Du musst dir überlegen, wie du deine Arbeit fortführen willst. Möchtest du Klienten weiterhin in deiner Muttersprache coachen oder kannst du dir das auch in der jeweiligen Landessprache vorstellen?
Natürlich musst du dich vorher über die Gegebenheiten und Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt im Zielland informieren. Vermutlich benötigst du ein Visum, eine Arbeitserlaubnis und eine Auslandsversicherung. Je nachdem, in welches Land du ziehen möchtest, sind unterschiedliche Verwaltungshürden zu nehmen. Hilfreiche Informationen dazu finden sich auf www.deutsche-im-ausland.org.
Persönlicher Erfahrungsaustausch
Der Austausch mit Kollegen im Ausland ist bei der Organisation sehr zu empfehlen. Denn sie haben diesen Schritt bereits hinter sich und können dir wertvolle Tipps und Einblicke geben. Um dir diesen Schritt zu erleichtern, habe ich für dich zwei Kolleginnen interviewt. Katharina lebt in den USA, Jana in China. Sie sind als Coach tätig – nicht nur im jeweiligen Land, sondern für Klienten weltweit. Ihre Dienste bieten sie online an.
Jana wohnt seit 2017 mit ihrer Familie in Suzhou, China. Als Coach unterstützt sie Frauen beim Erkennen und Erfüllen der eigenen Bedürfnisse, bis hin zur Verwirklichung von eigenen Zielen und Träumen (mehr dazu auf ihrer Website www.janaludolf.com).
Katharina lebt mit ihrem Mann seit zwei Jahren in Chicago, USA. Als interkultureller Coach unterstützt sie Partner von ins Ausland Entsendeten dabei, sich eine neue berufliche Laufbahn im Ausland aufzubauen (mehr zu ihrer Arbeit auf www.sharethelove.blog).
Hallo nach Chicago und Suzhou. Ich bin neugierig, wie kam es denn zu eurer Entscheidung, ins Ausland zu ziehen?
Katharina: Mein Mann und ich tauchen gerne in andere Kulturen ein. Wir wollten nicht nur einen kurzen Urlaub machen, sondern die Feinheiten kennenlernen und daran wachsen. Ich habe bereits im Ausland studiert und auch in mehreren Ländern gearbeitet. So war es nur eine Frage der Zeit, bis es uns aus dem beschaulichen München wieder in die weite Welt zog. Seit knapp zwei Jahren wohnen wir in Chicago.
Jana: Mein Mann bekam ein Jobangebot, bei dem wir nicht nein sagen konnten. Seit 2017 leben wir deswegen in Suzhou in China.
Jana, du hast bereits in Deutschland als Mediatorin und Beraterin gearbeitet. Konntest du dein Business mit nach China nehmen?
Nein. Meine Tätigkeit aus Deutschland konnte ich nicht mit ins Ausland nehmen. Psychologische Betreuung und Therapie wollte ich nicht über das Online-Geschäft anbieten. Die Gefahr, dass ich nicht umfassend agieren kann und für meine Patienten nicht so wie in Deutschland zur Verfügung stehe, war mir zu hoch. Aus diesem Grund habe ich meine Tätigkeit als Coach aufgenommen und biete momentan Online-Coachings für Muttersprachler an.
Dass meine Arbeit über Landesgrenzen hinausgeht, empfinde ich als unglaubliches Privileg.
Katharina
Katharina, du hast vor dem Umzug in die USA im Marketing und Consulting gearbeitet. Wie kam es dazu, dass du nun als Coach tätig bist?
Unser Umzug nach Chicago hatte zur Folge, dass ich meine bisherige Karriere nicht fortsetzen konnte. Ich habe mich gefragt, in welche Richtung ich mich beruflich entwickeln möchte und wie ich diese Zeit im Ausland auch als Chance für einen beruflichen Neuanfang sehen kann. Ein Coaching hat mir schließlich geholfen, Antworten auf meine Fragen zu finden. Das war der Moment, in dem ich erkannt habe, wie wirkungsvoll Coaching sein kann. Die meisten meiner Klienten sind auf der ganzen Welt verteilt und so führe ich etwa 80 Prozent der Coachings in englischer Sprache durch. Dass meine Arbeit über Landesgrenzen hinausgeht, empfinde ich als unglaubliches Privileg.
Das klingt auch wirklich spannend. Wie kann ich mir einen typischen Arbeitstag von euch vorstellen?
Katharina: Mein Arbeitsalltag ist sehr abwechslungsreich und kein Tag ist wie der andere. Wenn ich Klienten aus dem asiatischen Raum coache, ist das erste Coaching nicht selten schon morgens um 7 Uhr.
Jana: Das ist bei mir auch so, einen typischen Arbeitstag habe ich gar nicht. Das liegt daran, dass ich von zu Hause arbeite und mir somit meinen Terminkalender frei gestalte. Die Planung ist oftmals durch die Zeitverschiebung beeinflusst. Online-Termine zum Beispiel habe ich eher am Abend. Vormittags beantworte ich E-Mails und recherchiere neue Themen für meinen Coaching-Bereich.
Das scheint alles recht entspannt zu sein. Wo stoßt ihr an eure Grenzen?
Jana: Bei meinen Angeboten bin ich auf eine gute Internetverbindung angewiesen. Steht diese nicht, dann können Gespräche nicht stattfinden, brechen mittendrin ab oder die Übertragung ist von schlechter Qualität. Das ist an manchen Tagen sehr nervenaufreibend und kann die Freude an der Arbeit minimieren. Außerdem ist es für den Klienten und seinen Prozess nicht förderlich, wenn ich nicht so präsent sein kann, wie es gerade notwendig wäre.
Welche Stolpersteine musstet ihr bewältigen?
Jana: In China habe ich keine Arbeitserlaubnis. Ich wusste also zunächst nicht, ob ich überhaupt hier arbeiten darf. Da ich allerdings mit meiner Selbstständigkeit in Deutschland gemeldet bin, kann ich meine Tätigkeit in China ausüben.
Katharina: Als Coach arbeite ich selbstständig, daher gehört zu meiner Tätigkeit auch die Akquise von Kunden. Ich habe also viele Hüte auf, die ich gleichzeitig bedienen muss. Die Rolle als Sales Manager war der größte Schuh, in den ich hineinwachsen musste.
Ich rate allen, sich keinen Druck mit der Arbeit zu machen. Schon das Leben im Ausland allein ist eine Herausforderung.
Jana
Welche Tipps habt ihr für Kollegen und Kolleginnen, die ebenfalls ins Ausland gehen wollen?
Katharina: Die größte Hürde bei einem Auslandsaufenthalt findet sich im Kopf. Irgendwann ist der Papierkram erledigt und die Wohnung schön eingerichtet. Die schwierige Zeit kommt meist danach, wenn man Probleme, wie die berufliche Weiterentwicklung oder die persönliche Einstellung zum neuen Land, nicht mehr hinter Aktionismus verstecken kann. Für diese Momente empfehle ich, aktiv darüber zu sprechen. Auch wenn man körperlich ins Ausland gezogen ist, kann der Kopf noch nicht ganz angekommen sein.
Jana: Ich rate allen, sich keinen Druck mit der Arbeit zu machen. Schon das Leben im Ausland allein ist eine Herausforderung. Vor allem im ersten Jahr. Nebenbei ein Business aufzubauen oder am Laufen zu halten, kann kräftezehrend sein. Umso wichtiger ist es, dass wir bei dem ganzen Tun die Freude im Auge behalten. Sobald wir diese verlieren, weil der oftmals selbstgemachte Druck zu groß wird, kann das ganze Projekt scheitern. Sowohl das eigene Business wie auch das Abenteuer im Ausland.
Herzlichen Dank für das Interview.