Kann ich das wirklich? Mehr Selbstwirksamkeit als Berufseinsteiger:in
Dein Coachingangebot könnte nicht individuell genug sein! Andere Coach:innen könnten besser sein als du! Vielleicht interessiert sich niemand für deine Internetpräsenz! Kennst du solche Sorgen? Gerade als Berufseinsteiger:in im Coachingbereich gehören Ängste vor dem Scheitern dazu. Unser Autor Christian Jaster gibt dir Impulse, wie du dich selbst finden kannst und warum Scheitern besser ist, als nichts zu tun.
Beratung und Coaching sind prädestiniert dafür, dich als Berufseinsteiger:in einzuschüchtern. Nicht nur erwartet dich ein außerordentliches Ausmaß gestalterischer Freiheit, sondern auch die Verantwortung für das Wohl deiner Klient:innen. Ganz schön viel für jemanden, der „gerade erst anfängt“ – oder? Hinzu kommen Trends wie Lebenslanges Lernen oder das Label der Generation Praktikum, die uns suggerieren, dass wir doch noch diese eine Sache lernen sollten, bevor wir ernsthaft durchstarten. Die Vordenker:innen in unseren Branchen können zudem meist mehrere Jahrzehnte an Erfahrung vorweisen und scheinen bereits alles Wichtige gesagt zu haben. Was also tun als unerfahrener Young Professional?
In diesem Artikel möchte ich dir Unterstützung bieten, dich von diesen Befürchtungen freizumachen. Ich möchte dir zeigen, wie du dir selbst die größte Ressource sein kannst. Du wirst lernen, wie du dich deiner Angst vor dem kleinen und großen Scheitern stellst und dass du trotz oder gerade aufgrund dieser Ängste ein erfolgreicher Coach/eine erfolgreiche Coachin sein kannst. Das alles mit einem zugegebenermaßen etwas sperrigen Wort: Selbstwirksamkeitserwartung.
Die Überzeugung, die Welt verändern zu können
Du denkst jetzt vielleicht: „Toll, etwa noch eine Erwartung, die ich erfüllen muss?“ Nein, ganz im Gegenteil. Selbstwirksamkeitserwartung ist etwas Großartiges, wie du an folgendem Beispiel sehen wirst:
Stell dir einen milden Herbsttag vor. Eigentlich ist er perfekt, aber nach und nach ziehen immer mehr Wolken auf, bis der Himmel schließlich ganz verdeckt und der Tag kühl und trist ist. Egal wohin du schaust, überall ist es grau, als würde es nie anders sein. Und dann: ein Windstoß. Und noch einer. Nach und nach verschwinden die Wolken und der milde, sonnige Herbsttag strahlt in voller Kraft. Dieser Wind ist deine Selbstwirksamkeitserwartung. Er ist die Überzeugung, die Welt mit deinen eigenen Taten verändern zu können. Je selbstwirksamer du dich fühlst, desto größer können die Wolken an deinem Himmel sein und desto ausdauernder bist du dabei, wenn es darum geht, sie zu vertreiben.
Die einzige Erwartung, die dich anspornt
Vielleicht ist es dir schon klargeworden, aber ich möchte diese Frage nochmal ganz explizit behandeln: warum solltest du auf deine Selbstwirksamkeitserwartung achten? Schau dir zur Beantwortung der Frage den umgekehrten Fall an: was passiert, wenn du nicht an dich glaubst? Wenn du glaubst, dass deine Handlungen zu nichts führen? Wenn du zum Beispiel glaubst, dass deine Website niemanden anzieht oder dein Coachingangebot niemandem wirklich helfen kann? Bei mir passiert dann: nichts. Warum auch? Deine Selbstwirksamkeitserwartung ist ja gerade die Überzeugung, dass dein Handeln etwas verändern kann. Deine Selbstwirksamkeit beeinflusst nicht nur dein Denken, sondern auch dein Fühlen und Handeln. Hier zeigt sich die Sonderstellung unter den Erwartungen: eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung lähmt nicht, sie beflügelt dich ganz unbeschwert an große Aufgaben heranzugehen.
Zusammenhänge auf den Kopf stellen
Was also tun, wenn die eigene Selbstwirksamkeitserwartung niedrig ist? Die gute Nachricht: sie ist veränderbar. Ich habe beschrieben, wie deine Selbstwirksamkeitserwartung dein Fühlen, Denken und Handeln beeinflussen kann. Das Beste ist: andersherum funktioniert es ebenso. Dein Fühlen, Denken und Handeln können deine Selbstwirksamkeit positiv beeinflussen.
Viele Wege führen zum Ziel
Es gibt eine Vielzahl von Dingen, die du tun kannst. Alle hier aufzuführen, würde den Rahmen sprengen. Themen wie Zeit- und Aufgabenmanagement, Meditation und Mentoring sind gute Optionen, zu denen du vielerorts Informationen findest. Ich möchte dir hier lediglich drei kleine Impulse mitgeben, mit denen du dich auf den Weg zu einer höheren Selbstwirksamkeitserwartung begeben kannst.
Fühlen – Dich selbst finden
Was macht dich aus? Keine einfache Frage, deren Beantwortung sich aber lohnt. Coaching ist ein persönliches Geschäft, für die Klient:innen und für dich. Dein Coachingansatz ist immer individuell, weil du es auch bist. Je besser du dich kennst, desto einfacher und „automatischer“ kannst du auch deinen Coachingansatz gestalten. Nimm dir also gern etwas Zeit und schreibe alles auf, was dir zu den folgenden Punkten einfällt:
- Das waren die Höhen/Tiefen in meinem bisherigen Leben:
- Auf diese fünf Erfolge bin ich besonders stolz:
- Diese Erfolge und Höhen konnte ich erreichen, weil…
- Aus schwierigen Zeiten habe ich gelernt, …
- Mir hat gefehlt, …
- Meine Aufgabe in der Gesellschaft ist…
- Welche Werte treiben mich an?
Wichtig: Dies hier ist nur ein kleiner Impuls. „Dich selbst finden“ ist keine Aufgabe, die du abhaken kannst, sondern ein lebenslanger Prozess. Versuche, bei dieser Übung nicht irgendetwas zu erreichen, sondern sei lediglich dankbar für deine Vielfalt und für die Zeit, die du dir selbst geschenkt hast.
Denken – Ängste statt Ziele festlegen
Eben ging es um dich. Nun soll es um deine Ziele gehen und um das, was ihnen im Weg steht: deine Ängste. Fear Setting ist eine sehr kraftvolle Methode, die auf den Unternehmer und Speaker Tim Ferriss zurückgeht. Fear Setting widerspricht zunächst dem aktuellen Trend, dass wir uns stets auf unsere Stärken und Ressourcen konzentrieren sollten. Beim genaueren Hinsehen erweist es sich aber als ultimativ positive, weil ehrliche und offene Methode. Als Berufsanfänger:in Ängste zu haben, ist das Normalste auf der Welt. Fear Setting hilft dir dabei, dir diese Ängste ehrlich und wertungsfrei anzusehen. Deine Ängste wollen gehört werden. Mit Fear Setting gibst du deinen Ängsten kontrolliert Raum und schöpfst aus ihnen die Kraft, deinen Träumen zu folgen. Ganz oft sind unsere Ängste dort am größten, wo auch unsere Träume und Wünsche groß sind. Die Methode hier im Detail zu erklären würde zu weit führen. Am besten schaust du selbst, wie Tim Ferriss den befreienden Mechanismus dahinter erklärt.
Handeln – Spring!
Was haben all die erfahrenen Coach:innen gemein, die schon seit 20 Jahren im Geschäft sind? Richtig, sie sind seit 20 Jahren aktiv dabei. Das kannst du nicht ohne weiteres abkürzen. Und darum geht es auch nicht. Auf dem Weg zum „erfolgreichen“ Coach bzw. zur "erfolgreichen" Coachin gibt es daher nur einen echten Fehler: nichts tun. Okay, einen zweiten Fehler gibt es: alles allein und ohne Hilfe schaffen zu wollen. Du bist nicht der/die erste und wirst nicht der/die letzte Berufsanfänger:in in deinem Bereich sein. Andere haben es vor dir geschafft und es wäre fahrlässig, nicht von ihnen zu lernen. Oft scheuen wir uns jedoch davor, andere, erfahrenere Kolleg:innen um Hilfe zu bitten, denn dann legen wir unsere eigene Unzulänglichkeit offen. Die Wahrheit ist: niemand weiß alles und gemeinsam geht es leichter.
Ich möchte dich daher zu einer konkreten Handlung einladen: Finde fünf Menschen, die bereits (ungefähr) das tun, was du tun willst, und dann schreibe ihnen eine E-Mail mit einer Bitte um Austausch und Input zum Start in das (Berufs-) Leben als Coach:in. Du wirst überrascht sein, wie hilfsbereit sie sind. Die Überwindung, die es dich kostet, ist es wert. Und noch etwas wird passieren: du wirst mit ihnen auf Augenhöhe sprechen und von ihren Erfahrungen profitieren. Du wirst dich selbst als Coach:in sehen, weil du es schon bist. Und du wirst merken, dass du als Young Professional weniger „young“, aber mehr „professional“ bist, als du eigentlich denkst. Vertrau dir selbst, dann tun andere es automatisch auch.
Geh raus und scheitere!
All die Tipps machen deinen Berufseinstieg zwar einfacher, aber immer noch nicht einfach. Vielleicht scheiterst du zwischendurch. Das ist okay. Etwas so Großes anzugehen, sollte nicht einfach sein. Also geh raus und sammle Erfahrungen. Oder, wie eine gute Freundin einst zu mir sagte: „Geh raus und scheitere! Es ist das Beste, was dir passieren kann.“