Zwischen Therapiegespräch und Salatbowl – Interview mit Nicoleta Lukas
Nicoleta Lukas ist Psychotherapeutin und hat in Düsseldorf die Salatbar „Greenkarma“ eröffnet. In Wohlfühlatmosphäre und bei einem Glas Ingwerlimonade sprachen wir über neue Herausforderungen, Reisen, Inspiration und die Balance zwischen zwei gegensätzlichen Berufen.
Nicoleta, du bist Psychotherapeutin und hast ein Restaurant eröffnet. Wie passt das zusammen?
Also grundsätzlich klingt das ja erst mal total entgegengesetzt. Was hat eine Psychologin mit der Gastronomie zu tun? Letztendlich ging es mir immer um die Fragen: was motiviert uns Menschen? Was inspiriert uns? Was macht uns glücklich? Ich finde, da kristallisieren sich drei Sachen raus: Wir wollen uns mit uns selber wohlfühlen, wir wollen Teil einer Gruppe sein und was erleben. Letztendlich war meine Motivation, diese drei Bedürfnisse einer größeren Anzahl von Menschen zugänglich zu machen. Ein Produkt zu liefern, mit dem man sich selber identifizieren und wohlfühlen kann, bei dem man was für sich tut und satt wird. Die Salate werden bei uns im Frontcooking vor den Augen des Gastes zubereitet, so dass man alles sieht und alles individualisieren kann. Alles ist frisch. Man kann auf die Menge des Dressings und die Zutaten Einfluss nehmen. Ein Erlebnis für alle Sinne.
Wie kam es zu der Idee? Hattest du sie irgendwann nach einer Therapiesitzung oder abends aufm Sofa?
Ich habe mich von Bali inspirieren lassen. Dort gibt es sehr viele Orte, die einfach unheimlich tolle Wohlfühlorte sind und an denen man gleichzeitig sehr gutes und leckeres Essen bekommt. So etwas hat mir hier immer gefehlt.
Auch das Interieur ist ja stark an Bali angelehnt. All das Mobiliar haben wir letztes Jahr vor Ort ausgesucht. Das war mir einfach wichtig: nicht über Zwischenhändler zu kaufen, bei denen ich nicht weiß, wie viel Geld wirklich vor Ort ankommt. Das hier ist FSC-Holz. Das macht einfach Sinn und ist rentabel - auch für diejenigen, die das vor Ort produzieren. Dahinter steht ein Freundschaftsgedanke: unsere Partner in Bali sind mit Stolz und Freude erfüllt, dass wir ein Stück Bali nach Deutschland holen. Wir schicken ihnen per WhatsApp Bilder, wenn hier mittags eine Schlange steht, und stehen in Kommunikation.
Wie ein Mini-Urlaub, mitten in der Stadt...
Genau, ob das hier der vertikale Garten ist - dieses Grüne von Bali – oder das erdig-holzige der Möbel. Ich höre das immer wieder von den Gästen. Gerade erst Samstag habe ich eine Bewertung bekommen, in der steht, das hier sei wie ein Kurzurlaub. Genau so soll es sein. Wir haben auf unseren Postkarten den Slogan „Let’s get lost“ - einfach mal ein bisschen versacken und für sich sein. Oder auch in der Gruppe! Deswegen haben wir uns neben den kleineren Tischen auch für zwei lange Tische entschieden. Die Leute sind nicht berührungsscheu. Die setzen sich dann halt zueinander, wenn es voll ist. Und wenn man schon mal zusammen sitzt, dann kann man auch mal miteinander reden.
Du arbeitest neben dem Restaurant auch noch als Psychotherapeutin. Wie beeinflussen sich deine beiden Berufe gegenseitig?
Ich bin fünf Mal die Woche in der Praxis tätig und komme dann an 2-3 Tagen nachmittags hier rüber. In den Therapien bin ich eher der zurückhaltende Part, eher Empfänger. Hier im Restaurant kommt meine extrovertierte Seite raus. Hier bin ich von meiner Persönlichkeit her eine andere, habe einen viel aktivieren Part als in der Praxis. Das ist eine schöne Ergänzung.
Wenn es hier trubelig ist und auch körperlich anstrengend, dann genieße ich es total, in den Therapien ruhig und beim anderen sein, sich Zeit nehmen zu können. Hier im Restaurant – gerade zur Mittagszeit – kommt man an, springt rein und packt überall an, wo angepackt werden muss. Als wir in den ersten Tagen unsere Spülmaschine noch nicht hatten, bin ich komplett in der Spülecke versackt. Aber das war schön, denn man kann ja auch achtsam spülen - einfach etwas zu machen, bei dem der Kopf nicht so gefragt ist. Bei der psychotherapeutischen Arbeit ist man eher multimodal und auf vielen Kanälen parallel unterwegs: das Beziehungserleben verstehen; verstehen, was gerade inszeniert wird oder was im therapeutischen Raum passiert; Gegenübertragungsphänomene beobachten; beobachten wie’s mir gerade geht. Da ist man total im Kopf. Und wenn ich spüle, dann spüle ich. Dann ist das einfach meine Aufgabe und unglaublich befriedigend, wenn man so ein Ergebnis sieht. Der therapeutische Rahmen ist eher so, dass es auf eine längere Zeit ausgelegt ist und Entwicklungen unterschiedlich schnell passieren. Bei manchen ist Veränderung schnell spürbar, aber es ist halt nicht so messbar. Im Restaurant hat man eine Aufgabe und wenn man einfach sieht, der Berg an Schüsseln ist wieder sauber, dann macht man einen Haken dahinter und freut sich, dass die Aufgabe erledigt ist.
Und jeder Tag ist wahrscheinlich anders... wie schaffst du das, zeitlich gesehen?
Manchmal frage ich mich das selber. Die meiste Zeit spüre ich das gar nicht so, weil es einfach Spaß macht. Das Zeitgefühl, wenn ich hier im Restaurant bin, ist auch wirklich anders. Dann schaue ich auf die Uhr und wundere mich, dass eine Dreiviertelstunde um ist. Am Anfang war ich jeden Tag nach der Praxis hier. Da brauchte ich natürlich einfach viel Unterstützung aus der Familie, weil ich ja auch Kinder habe. Mein Mann und meine Schwiegereltern haben das mitgetragen. Der Anfang war mega kaltes Wasser. Ich hatte keine Gastro-Erfahrung. Wir haben noch bis zuletzt eingeräumt und waren am eigentlichen Probetag mit dem Abknibbeln von Etiketten beschäftigt. Das war eine totale Achterbahn. Und jetzt, da ich das auf zwei, maximal drei Tage, begrenze, ist das gut machbar. Natürlich stellt sich irgendwann die Frage, wird es ein „entweder-oder“ sein, aber im Moment ist es eher so, dass sich das schön ergänzt. Es spricht ganz unterschiedliche Seiten in mir an und das möchte ich eigentlich gar nicht missen.
Wissen deine Patienten, dass du hier das Restaurant hast?
Teilweise. Ich habe tatsächlich lange überlegt, weil ich in den Therapien sehr abstinent bin. Ich habe zwei Klienten, die tatsächlich von Düsseldorf nach Hattingen zu mir kommen, davon erzählt, weil sie von der Altersstruktur, vom Lifestyle und Mindset hätten sehr gut Kunden sein können. Und ein Klient ist hier in der Gegend tätig. Denen habe ich das offenbart und gesagt: nicht wundern. Aber ansonsten spielt das keine Rolle. Mich hat sonst noch keiner drauf angesprochen.
Du hast eben schon gesagt, dass deine Familie dich sehr unterstützt hat. Haben die am Anfang gedacht „Meine Güte, das ist jetzt aber eine verrückte Idee“ oder wie ist so dein Umfeld damit umgegangen?
Ich hatte schon einmal gegründet und das erfolgreich verkauft. Das war allerdings aus einem anderen Bereich: Heimtextilien für Babies nach der Geburt unserer ersten Tochter. Dann habe ich den Kassensitz gekauft und die Firma abgegeben. Aber mein Mann ist radikal ehrlich. Wenn ich mit einer Idee gekommen wäre, die er gar nicht hätte nachvollziehen können, hätte er es gesagt. Er wusste von Anfang an, wie ich mir das vorstelle. Er hat auch das Interieur komplett gemacht. Ob es der Thekenbau ist, die Lehmwand oder der vertikale Garten: das haben wir alles als Familie und Freunde gestemmt.
Die Idee für das Restaurant kam dir durch deine Bali-Reise. Haben Reisen auch dich als Therapeutin verändert?
Ich war das erste Mal mit 11 Jahren in Thailand und da war das noch sehr exotisch. Diese Hitze, die Feuchtigkeit und die anderen Essgewohnheiten - das hat mich immer fasziniert und war schon immer ein Teil von mir.
Es gibt auch andere Einflüsse: Ich habe Familie in Australien und bin da während der Schulzeit ein halbes Jahr zur Schule gegangen. Ich bin ja auch ausgebildete Yogalehrerin. Ich habe die Ausbildung während des Studiums gemacht und abgeschlossen. Mit den Yogakursen habe ich mir meine Weiterbildung zur Psychotherapeutin finanziert. Die innere Haltung, das Körpergefühl, das Mindset, das ist absolut meins.
Immer wenn ich auf Reisen bin, hilft es mir einfach, mich flexibel zu halten. Je länger ich nicht auf Reisen war, desto mehr merke ich auch, dass sich meine Sichtweisen ein bisschen verkappen oder verhärten. Und auf Reisen denke ich dann: man kann es auch völlig anders sehen und anders leben und machen. Das ist so erfrischend! Man verlässt die Komfortzone. Es zwingt einen dazu, auch mutig zu sein und das Sicherheitsliebende über Bord zu werfen. Man wird in Situationen geschmissen, in denen man damit konfrontiert wird, dass die eigene Sichtweise nicht die einzig wahre ist. Wir möchten gerne das Gefühl haben, dass wir alles wissen und alles einschätzen können. Das immer wieder zu hinterfragen, daraus gewinne ich Sicherheit.
Wie sieht dein weiterer Weg aus?
Wir sind im Moment dabei, ein Projekt zu etablieren, das „THE KARMA MOVEMENT “ heißt. Die Idee ist, einen regelmäßigen Tag zu organisieren mit verschiedenen Veranstaltungen, an denen man kostenlos teilnehmen kann, zum Beispiel eine Yoga-Stunde, Essen bei uns, Poetry Slam... Wir bauen eine Kooperation mit einem Projekt auf, das hier den Rhein sauber hält, so dass wir da für 2-3 Stunden etwas Gemeinnütziges, Nachbarschaftliches bewegen können. Das ist dieser Karma-Gedanke: du gibst was und es kommt auch immer was zu dir zurück. Die Idee ist, gemeinsam etwas zu bewegen und den Gemeinschaftscharakter zu stärken, Menschen getroffen, etwas bewegt, aber auch neue Dinge kennen gelernt zu haben. Das wäre so die übergeordnete Vision.
Ich bin überwältigt, wie sehr dieser Karmagedanke und das, was dahinter steckt, sich immer wieder bestätigt. Wir bekommen Anfragen und Greenkarma war von Anfang an so angelegt, dass es skalierbar und multiplizierbar ist. Aber wir wollen es nicht über’s Knie brechen. Wir lernen viel und sind mit einem Laden noch flexibel. Es ist uns wichtig, dass wir ein System stricken und aus Fehlern lernen, so dass wir sagen können, so soll es bleiben und das kann man reproduzieren.