FAQ zur Psychotherapiereform: Was bedeuten die Änderungen für dich?
Als PiA oder bereits approbierte Psychotherapeut:in hast du sicherlich schon von der Psychotherapeutengesetzreform gehört. Vielleicht hat dich dieses Begriffsungetüm bisher etwas abgeschreckt und du weißt nicht so richtig, was sie für dich bedeutet. Nicht weiter schlimm: wir von der Psychologischen Hochschule Berlin (PHB) haben tagtäglich mit der Reform zu tun und sie zu großen Teilen bereits umgesetzt. Daher wollen wir dir in diesem Artikel ein paar der wichtigsten Fragen beantworten.
Was ist das Psychotherapeutengesetz und warum wurde eine Reform durchgeführt?
Das „Gesetz über den Beruf der Psychotherapeutin und des Psychotherapeuten“ regelt die Bedingungen der Ausbildung und Berufsausübung von Psychologischen Psychotherapeut:innen. Es wurde erstmals 1998 verabschiedet – bis dahin war die Berufsbezeichnung nicht gesetzlich geschützt und die Ausbildung nicht gesetzlich reguliert. Ein Problem des 1998 eingeführten Systems bestand in der – gerade im Vergleich mit Ärzt:innen – nachteiligen Stellung der Psychotherapeut:innen in Ausbildung. In den praktischen Anteilen ihrer Ausbildung erhielten die PiA wenig oder gar kein Gehalt – und große Teile ihrer Ausbildung mussten sie zudem noch selbst bezahlen. Dieses Ausbildungssystem sollte mit einer Gesetzesreform geändert werden – der Psychotherapeutengesetzreform, die im Jahr 2019 durch den Bundestag verabschiedet wurde.
Wie wird künftig der Ausbildungsweg aussehen, um Psychotherapeut:in zu werden?
Wer künftig nach dem neuen System eine berufliche Tätigkeit als kassenrechtlich zugelassene:r Psychotherapeut:in anstrebt, muss folgende Ausbildungsschritte absolvieren:
- Ein dreijähriges Bachelorstudium in einem polyvalenten Studiengang mit Wahl eines klinischen Schwerpunkts oder in einem Studiengang mit rein psychotherapeutischer Ausrichtung
- Ein zweijähriges Masterstudium mit psychotherapeutischer Ausrichtung
- Die Approbationsprüfung, die im neuen System in Anschluss an das Masterstudium erfolgt
- Eine fünfjährige verfahrensspezifische Weiterbildung zum/zur Fachpsychotherapeut:in. Falls die Weiterbildung nicht in Vollzeit absolviert wird, verlängert sich die Weiterbildungsdauer.
Wann werden die Änderungen wirksam?
Die Änderungen wurden mit Verabschiedung des Psychotherapeutengesetzes grundsätzlich schon im September 2019 wirksam. Es waren aber und sind teilweise immer noch gesetzliche Folgeregelungen nötig, die die Form, Struktur und Finanzierung der neuen Weiterbildungen betreffen. In den Jahren 2020 bis 2022 wurden Approbations- und Weiterbildungsordnungen verabschiedet, die die Zulassung zur Approbationsprüfung und ihren Ablauf sowie die Struktur und den Inhalt der Weiterbildungen regeln.
Ungeklärt ist aber nach wie vor die genaue Finanzierung der Weiterbildungen, die in Zukunft nicht mehr von den Psychotherapeut:innen in Weiterbildung getragen werden soll. Einige Institutionen wie etwa die Psychologische Hochschule Berlin (PHB) haben bereits die Ermächtigung als Weiterbildungsstätte erhalten – die ersten Weiterbildungen können aber erst angeboten werden, wenn geklärt ist, woher die Mittel für die Anstellung der Psychotherapeut:innen in Weiterbildung kommen sollen. Wann das sein wird, ist aktuell noch unklar.
Bislang konnten Absolvent:innen pädagogischer Studiengänge die Weiterbildung als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut:innen machen. Wird sich das nun ändern?
Die Frage ist nicht eindeutig mit Ja oder Nein zu beantworten. Die Approbationsordnung regelt die Voraussetzungen für die Erteilung der Approbation - sie gibt aber keine spezifische Bezeichnung für Studienfächer vor, die absolviert werden müssen. Stattdessen regelt sie, welche Inhalte ein Studium vermitteln muss, damit es für die Approbationsprüfung qualifiziert. Entsprechende Studiengänge müssen durch spezifische Stellen – in Berlin das Landesprüfungsamt – anerkannt werden, damit der Abschluss für die Anmeldung zur Approbationsprüfung qualifiziert. Es wäre theoretisch denkbar, dass auch Studiengänge mit pädagogischer Betitelung diese Zulassungsvoraussetzungen erfüllen. Diese müssten aber eine sehr klinisch-psychologisch ausgerichtete Struktur haben und eine explizite Zulassung durch die Landesprüfungsämter vorweisen können. Es wird daher sicherlich schwieriger werden, künftig Studiengänge zu finden, die nicht-psychologisch ausgerichtet sind und für die Approbation qualifizieren.
Welche Vorteile bringen die Veränderungen?
Die Reform soll vor allem Vorteile für die zukünftigen Psychotherapeut:innen in Weiterbildungen mit sich bringen, indem sie auf vielen Ebenen eine Gleichstellung des psychotherapeutischen mit dem ärztlichen Ausbildungssystem einführt.
Dadurch dass die Approbationsprüfung künftig an das Studium anschließend absolviert werden kann, können Psychologieabsolvent:innen künftig schon vor der Fachkundeausbildung die Berufsbezeichnung Psychotherapeut:in verliehen bekommen, die auch mit einer grundsätzlichen Heilkundeerlaubnis einhergeht.
Darüber hinaus werden Psychotherapeut:innen in Weiterbildung ihre Fachkundequalifizierung künftig in einem Angestelltenverhältnis durchlaufen, für das sie ein monatliches und ihrer Qualifizierung angemessenes Gehalt beziehen. Das ist ein wesentlicher Unterschied und Vorteil im Vergleich zur Situation der Psychotherapeut:innen in Ausbildung, die große Teile ihrer Approbationsausbildung selbst bezahlen müssen und nur für die Behandlungsstunden im Rahmen ihrer Praktischen Tätigkeit eine geregelte Bezahlung und eine sozialversicherungspflichtige Anstellung erhalten.
Wie lange können PiA ihre psychotherapeutische Ausbildung noch nach dem alten System absolvieren?
Wer sein Psychologiestudium vor dem 1. September 2020 begonnen hat, hat noch bis zum 1. September 2032 Zeit, seine Approbationsausbildung nach dem bisherigen System abzuschließen – für Härtefälle gilt der 1. September 2035.
Wie werden die Approbationsprüfungen in Zukunft aussehen?
Die Approbationsprüfung im neuen System besteht aus zwei Teilen, die an verschiedenen Tagen stattfinden: ein Teil besteht aus einer mündlich-praktischen Fallprüfung auf der Basis einer Patientenanamnese und der andere Teil aus der sogenannten „Anwendungsorientierten Parcoursprüfung“ (AOPP).
Bei der Parcoursprüfung wird der Fokus auf die Prüfung fachlicher Kompetenz gelegt, anstatt auf die reine Abfrage theoretischen Wissens. Die AOPP wird auf Bundesebene zentral über die für Gesundheit zuständigen Landesämter organisiert. Sie ist damit wie bisher auch aus den Universitäten ausgelagert.
Zur Prüfung der fachlichen Kompetenz wird im Rahmen der Parcoursprüfung mit Simulationspatient:innen gearbeitet. Insgesamt gilt es, fünf Stationen à 20 Minuten zu durchlaufen. Die prüfenden Personen arbeiten mit strukturierten Beurteilungsbögen und greifen (im Unterschied zur früheren Approbationsprüfung) nicht aktiv in das Gespräch ein. Alle fünf Stationen müssen zur Erlangung der Approbation einzeln bestanden werden. Wie bisher auch wird es dafür zweimal jährlich Prüfungstermine geben, für die man sich drei Monate vorher anmelden muss.
Die geprüften Kompetenzbereiche und Stationen umfassen die Themen „Patientensicherheit“, „Therapeutische Beziehungsgestaltung“, „Patienteninformation und Patientenaufklärung“ sowie „Leitlinienorientierte Behandlungsempfehlungen“.
Die mündlich-praktische Fallprüfung wird als Einzelprüfung durchgeführt und dauert 40 bis 45 Minuten. In ihr wird psychotherapeutisches Fakten- und Handlungswissen aufgrund einer Fallanamnese geprüft. Im Vorfeld der Prüfung werden schriftliche Protokolle oder Videoaufnahmen von vier Behandlungsfällen eingereicht, mit denen die Prüfungskandidat:innen in der BQT III (Berufsqualifizierenden Tätigkeit) gearbeitet haben. Aus diesen vier Fällen wird einer durch die Prüfenden als Prüfungsfall ausgewählt.
Wie werden die Weiterbildungen strukturiert/aufgebaut sein?
Die neuen Weiterbildungen, die sich an die Approbation anschließen, sind auf fünf Jahre angelegt und gliedern sich in folgende Abschnitte:
- zweijährige Tätigkeit im ambulanten Bereich (kann auch an Weiterbildungsstätten/Instituten erfolgen)
- zweijährige Tätigkeit im stationären Bereich
- einjähriger selbst gewählter Bereich (auch institutionell/in der Forschung möglich)
Dieser Ablauf gilt grundsätzlich für alle Verfahren. Inhaltlich können sich Psychotherapeut:innen in Weiterbildung zunächst für eins von drei Gebieten entscheiden, das die Patient:innenenzielgruppe und das Therapiesetting bestimmt, mit der sie künftig schwerpunktmäßig arbeiten möchten. Zur Wahl stehen Kinder und Jugendliche, Erwachsene sowie Neuropsychologische Psychotherapie. Entsprechend darf man am Ende der Weiterbildung die Bezeichnung „Fachpsychotherapeut:in für Erwachsene“ „Fachpsychotherapeut:in für Kinder und Jugendliche“ oder „Fachpsychotherapeut:in für Neuropsychologische Psychotherapie“ führen.
Für die Gebiete KJP sowie Erwachsene muss sich zusätzlich auf ein Verfahren festlegt werden, also Verhaltenstherapie, Systemische Therapie, Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie sowie Analytische Psychotherapie. Im Gebiet neuropsychologische Psychotherapie findet eine verfahrens- und altersgruppenübergreifende Qualifizierung statt.
Im Anschluss an die Qualifizierung als Fachpsychotherapeut:in können weitere Bereiche als freiwillige Ergänzung absolviert werden – dazu gehören etwa die spezielle Schmerzpsychotherapie oder ein weiteres Verfahren (z. B. Zusatzqualifizierung in Systemischer Therapie als Fachpsychotherapeut:in mit Schwerpunkt Verhaltenstherapie). Die folgende Grafik visualisiert die zur Wahl stehenden Optionen in der Weiterbildung:
Sind die Inhalte der Weiterbildungen vergleichbar mit denen der bisherigen Ausbildungen?
Die Inhalte der neuen Weiterbildungen werden grundsätzlich sehr ähnlich zu denen der alten Approbationsausbildungen sein. Die Weiterbildungen werden allerdings etwas weniger Theoriestunden beinhalten – dafür werden die praktischen Anteile allein durch die Mindestdauer der neuen Weiterbildungen (fünf Jahre in Vollzeit!) höher sein. Einen großen strukturellen Unterschied könnte zudem machen, dass künftig die Weiterbildungsbefugnis, also die Erlaubnis zur Durchführung der Weiterbildung, individuell an einzelne Personen und nicht mehr institutionell an Bildungseinrichtungen vergeben wird. Das bedeutet, dass ähnlich wie bei der Facharztausbildung künftig auch einzelne Psychotherapeut:innen oder Praxisgemeinschaften Weiterbildungen anbieten könnten. Welche Formen und Auswirkungen das haben wird, muss noch abgewartet werden.
Können Masterpsycholog:innen mit Approbation, aber ohne Fachkunde bereits als Psychotherapeut:innen tätig werden?
Mit der berufsrechtlichen Anerkennung als Psychotherapeut:in ohne Fachkunde kann man sich theoretisch privat niederlassen und heilkundlich arbeiten. Kritisch zu sehen und zu prüfen ist allerdings die Haftungsfrage bei Ausübung von Psychotherapien ohne Fachkunde. Was ohne Fachkunde zudem nicht möglich ist, ist die Abrechnung von Psychotherapien über die Krankenkassen.
Was bedeutet die neue Berufsbezeichnung (Psychotherapeut:in = Approbation ohne Fachkunde vs. Fachpsychotherapeut:in = Approbation plus Fachkunde) für bereits tätige Psychotherapeut:innen?
Die Berufsbezeichnung Fachpsychotherapeut:in wird gleichgesetzt sein zu der von Psychologischen Psychotherapeut:innen – und die gleichen Rechte mit sich bringen. Insofern wird die Bedeutung der Änderung der Berufsbezeichnungen für bereits tätige Psychotherapeut:innen vermutlich gering sein.
Du hast weitere Fragen oder möchtest dich zum aktuellen Stand der Reform informieren? Dann schau dich auch auf der Website der PHB um: https://www.psychologische-hochschule.de/studium-ausbildung/psychotherapeutengesetz-faq/