Polizei, Rettung, Jugendamt - Stärkende Maßnahmen für hilflose Helfende

Menschen in helfenden Berufen bringen bei der Arbeit einen hohen Einsatz. Bleibt der Erfolg aus, erleben sie einen schwierigen Rollenwechsel: Aus Helferinnen und Helfern werden Hilflose. Wer ist besonders betroffen? Wann ist Handlungsbedarf? Und welche Maßnahmen sind für Therapie und Beratung geeignet, um Hilflosigkeit abzubauen und die Resilienz von Betroffenen wieder zu stärken?
Menschen, die in helfenden Berufen arbeiten, sind unverzichtbar für die Gesellschaft. Sie leisten direkte und praktische Unterstützung im Alltag, setzen sich für Schutz und Sicherheit ein, ermöglichen medizinische Versorgung oder bieten emotionalen Beistand für andere in Not.
Doch unabhängig vom Engagement und von ihrer Expertise gibt es Situationen, in denen die angebotene Hilfe nicht die gewünschten Erfolge zeigt, etwa weil entscheidende Mittel dafür fehlen oder weil die Herausforderungen übermächtig sind.
Was nur auf den ersten Blick paradox erscheint, ist das „täglich Brot“ vieler Helfer:innen: Gerade sie erleben häufig das Gefühl, hilflos zu sein.
Der Prototyp hilfloser Helfender – Wer zählt dazu?
Zum Prototyp hilfloser Helfender zählen Personen, die Hilfeleistungen mit intensiven emotionalen Anforderungen ausüben, dabei viel Verantwortung übernehmen und aufgrund bestimmter Umstände eindrücklich und wiederholt erleben, dass sie selbst nur wenig ausrichten können.
Auch wenn man ebenso im privaten Lebensbereich zum hilflosen Helfenden werden kann, gibt es Berufsgruppen, die aufgrund ihrer Arbeitsbedingungen besonders häufig in diese Rolle geraten. Dazu zählen vor allem:
Polizei und Sicherheitskräfte, weil sie mit eskalierenden Konfliktsituationen und emotional belastenden Verbrechen konfrontiert sind. Ihre Aufgabe, für Sicherheit und Ordnung zu sorgen, wird häufig von sozialen, psychologischen und rechtlichen Hindernissen erschwert. Wenn sie ihre Interventionen als unzureichend wahrnehmen, verstärken die öffentliche Beobachtung und der Erfolgsdruck dies zusätzlich.

Ärzteschaft und Rettungsdienst, weil ihre anspruchsvolle und beanspruchende Arbeit nichts Geringeres zum Ziel hat als Gesundheit und (Über)Leben. Aufgrund begrenzter Zeit und Einflussmöglichkeiten kommt manchmal jede Hilfe zu spät.
Sozialarbeiter:innen und Pflegekräfte arbeiten täglich mit Menschen in prekären und hilfebedürftigen Lebenssituationen. Sie fühlen sich wegen fehlender personeller Ressourcen sowie bürokratischer und juristischer Hürden oft machtlos, etwa wenn Beschäftigte im Jugendamt in unauflösbaren Konflikten zwischen Familienrecht und Kindeswohl stehen und keine Veränderung für ihre Schutzbefohlenen erwirken können.
Einsatzkräfte in der Katastrophenhilfe, wie Ehrenamtliche, die bei der Flut im Ahrtal tatkräftig unterstützt haben, werden in der Regel erst dann gerufen, wenn die Katastrophe bereits eingetreten ist und lediglich Folgeschäden begrenzt werden können.
Lehrkräfte, die wegen Ressourcenmangel und fehlender Unterstützung von Sozialdiensten ihre Schüler:innen nicht adäquat fördern können, erleben sich ebenfalls oft als hilflos.
Nicht zuletzt tragen auch Therapeuten:innen und Beratende ein signifikantes Risiko, in die Rolle von hilflosen Helfenden zu geraten – etwa, wenn Leiderfahrungen und Erkrankungen von Klient:innen trotz allen Bemühungen nur bedingt und manchmal auch gar nicht gemildert werden können.
Hilflosigkeit als Thema in Beratung und Therapie - Wann besteht Handlungsbedarf?
Bei akuter Hilflosigkeit:
Das Gefühl, nicht helfen zu können, obwohl man es will oder sich verantwortlich fühlt, ist eine ernstzunehmende psychische Belastung. Ohnmacht erzeugt starke Stressreaktionen. In akut belastenden Situationen kann Hilflosigkeit sogar traumatisieren. Dann ist in jedem Falle professionelle Unterstützung gefragt.
Bei chronischer Hilflosigkeit:
Auch Situationen, in denen Helfende über längere Zeit das Gefühl haben, gegen Windmühlen zu kämpfen, können Anlass für Beratung oder Therapie sein. Wird jemand ständig mit schwierigen Herausforderungen konfrontiert, bei denen der Erfolg nicht garantiert ist, muss eine Menge Kraft aufgebracht werden, um weiter am Ball zu bleiben. Oft wird anfangs noch mehr Einsatz gebracht, weil man sich endlich wirksam fühlen möchte. Dann nimmt die Erschöpfung zu. Wer noch nicht resigniert hat, setzt sich noch stärker ein - und die Erschöpfungsspirale dreht sich. Burnout und Depressionen können langfristige Folgen sein.

Bei „verdeckter“ Hilflosigkeit:
Weil Hilflosigkeit nicht immer explizit von Klient:innen benannt wird, muss auf typische Indikatoren geachtet werden, wie auf Motivationsverlust bei der Arbeit, sinkendes Selbstvertrauen, Pessimismus, Zynismus oder eine schwach ausgeprägte Kontrollwahrnehmung. Letztere kann man daran erkennen, dass jemand seinen Einfluss auf Lebensumstände generell nur als gering einschätzt.
Abbau von Hilflosigkeit und Stärkung der Resilienz – Was kann man tun?
Was immer geht: Eine Entscheidung treffen!
Eine der besten Strategien gegen Hilflosigkeit ist es, bewusst Entscheidungen zu treffen, egal ob zu einer praktischen Handlung oder zu einem emotionalen Entschluss wie dem, sich nicht entmutigen zu lassen. Das Gute ist, dass man sich in jeder Situation zu etwas entscheiden kann. Sogar dazu, aktuell (noch) keine Entscheidung zu treffen.
Sprachstile und -techniken
Sprache und Bewusstsein beeinflussen sich gegenseitig. Deshalb ist es sinnvoll, mit Betroffenen einen Sprachstil zu trainieren, der ihre Aufmerksamkeit auf aktive Handlungen lenkt. „Ich werde“ statt „ich muss“; oder „ich brauche noch mehr Klarheit“ statt „ich weiß nicht, was ich machen soll“. Äußerungen von Klient:innen können auch entsprechend paraphrasiert werden, zum Beispiel „Sie entscheiden sich also so, weil…“.
Situationsanalyse
Um die Wahrnehmung von hilflosen Helfenden zu überprüfen, sind folgende Leitfragen nützlich: Gibt es noch übersehene Handlungsspielräume? Wurde das Mögliche getan?
Neubewertung von Einflussmöglichkeiten
Werden unkontrollierbare Ereignisse berichtet, können Handlungen ausgelotet werden, die Klient:innen zur Bewältigung dieser Ereignisse bereits angewendet haben oder die sie noch anwenden könnten. Das lenkt den Blick auf Veränder- und Beeinflussbares – nämlich auf den persönlichen Umgang mit allem, was ist.
Erwartungsmanagement
Hilflose Helfer:innen müssen realistische Erwartungen an sich stellen und akzeptieren, dass sie eine Situation selten vollständig kontrollieren und verantworten können. Zu verstehen, dass auch „kleine Beiträge“ wichtig sind, und dass es in der Regel mehrere Einflussgrößen und Verantwortliche gibt, kann unangemessene Schuldgefühle reduzieren.
Akut-Maßnahmen bei erlebter Hilflosigkeit
SOS-Maßnahmen können sein: Auf die Sinne konzentrieren (Riechen, Schmecken, Hören…); kurzzeitig aus der Situation gehen; eine andere Person um (Mit-)Hilfe bitten; sich auf einen einzelnen, veränderbaren Aspekt der Situation fokussieren und ein kleines Ziel setzen.
Allgemeine Ressourcenstärkung für ein stabiles „Ich“
Um in schwer kontrollierbaren Situationen resilient und handlungsfähig zu bleiben, ist Selbstfürsorge eine essenzielle Strategie. Eine ausgewogene Work-Life-Balance, die Achtung der eigenen Grenzen, Sport, Entspannung und nährende Kontakte stabilisieren und stärken den Ressourcenhaushalt.
Selbstfürsorge ist auch in der beratenden und therapeutischen Arbeit kein Luxus, sondern die Voraussetzung, um effektiv und empathisch zu sein und dabei nicht selbst zum hilflosen Helfenden zu werden. Durch eine regelmäßige Unterstützung in Supervision und Intervision kann der realistische Blick auf Machbares und Grenzen in der eigenen Arbeit gelingen.