Raus aus dem Kopf, rein ins Erleben - mit Impact- und Improtechniken

Kreative Methoden wie Impacttechniken oder Improübungen bringen Bewegung, Humor und Tiefe in die Therapie. Sie sind oft leicht umzusetzen, erlebnisorientiert – und manchmal wirkungsvoller als klassische Methoden der Verhaltenstherapie. Ein Erfahrungsbericht aus der Praxis mit konkreten Ideen für den eigenen Alltag.
Nach vielen Jahren im Gesundheitssystem – ambulant, teilstationär und stationär – kenne ich sie gut: die Grenzen klassischer Verhaltenstherapie. Zeitdruck, Fremdmotivation, (innere) Widerstände, begrenzte kognitive Fähigkeiten, geringe Introspektionsfähigkeit, komplexe Störungsbilder oder einfach Therapien, die sich zäh und schwer anfühlen. Ich hatte oft das Gefühl, dass diese Methoden nicht reichen. Auch Sätze, wie „Vom Kopf her weiß ich es, aber in meinem Gefühl ist es noch nicht angekommen” zeigten mir, dass ich Methoden brauchte, die Emotionen direkt ansprechen. Ich wollte lebendiger und individueller arbeiten – und so, dass sich auch auf emotionaler Ebene etwas bewegt.
Der Impuls, kreativer zu arbeiten, kam bei mir früh und wurde inspiriert durch Kolleg:innen aus der Tier- und Arbeitstherapie. Ich wollte raus aus dem sterilen Büro und hinein in eine Welt, die man anfassen kann und die gestaltbar ist. Und vor allem wollte ich eine lockere Atmosphäre mit Leichtigkeit und einer Prise Humor. Schon Manfred Spitzer (2006) erkannte: „Ein vergnügtes Gehirn lernt besser als ein angestrengtes.“ Später brachte mich eine Fortbildung zur Hypnotherapie vollends auf den Weg. Es folgten Impacttechniken, provokative Therapie, Improvisation. In meiner Zeit in der Tagesklinik leitete ich schließlich sogar eine Improgruppe – mit so viel positiver Resonanz und einem großen Impact auf die Patient:innen wie nie zuvor. Ich hatte das Gefühl: Jetzt passiert wirklich etwas. Emotional, nachhaltig, spürbar. Und das auch noch mit einer ganzen Menge Spaß dabei.
Was kreative Methoden ausmacht
Impacttechniken und Improvisation bringen nicht nur Bewegung in die Therapie – sie öffnen neue Lösungsräume. Sie arbeiten mit Sinneserleben, Bildern, Symbolen, Bewegung, Humor. Sie helfen, Dinge erfahrbar zu machen, statt sie nur zu besprechen. Und das funktioniert nicht nur im Präsenz-Setting, sondern auch online – mit ein paar Tricks und Mut zum Ausprobieren.
Besonders hilfreich sind kreative Methoden, wenn klassische kognitive Zugänge nicht greifen – zum Beispiel bei hoher Scham, wenig Reflexionsfähigkeit oder starkem innerem Widerstand. Sie aktivieren Emotionen, machen Unbewusstes sichtbar und helfen oft schneller, einen Zugang zum eigentlichen Thema zu finden.
Kreative Methoden helfen weiter, da sie:
- …. komplexe Konzepte vereinfachen und
- … sie direkt erlebbar machen, indem sie
- … die verschiedenen Sinne ansprechen,
- … Emotionen aktivieren und sich dadurch
- … tief ins Gedächtnis einprägen.
Zudem machen sie viel Spaß und lockern Situationen auf!
Impacttechniken – kleine Dinge, große Wirkung
Impacttechniken nutzen einfache, oft alltägliche Objekte, um komplexe psychologische Inhalte begreifbar zu machen. Ein Symbol. Eine Bewegung. Ein kurzer Moment – und plötzlich wird etwas klar. Diese Methoden wirken, weil sie emotional aktivieren und weil sie überraschend kommen.

Lieblingsübung 1: Das rohe und das gekochte Ei
Diese Übung nutze ich gern bei Themen rund um Selbstfürsorge und Selbstmitgefühl. Die Metapher ist simpel: Ein rohes Ei steht für einen verletzlichen Zustand, ein gekochtes für Stabilität. Ich frage: Wie gehst du mit dir um, wenn du innerlich „roh“ bist? Wie behandelst du dich an solchen Tagen? Die meisten merken schnell: Sie gehen oft genauso hart mit sich um wie sonst – und genau da entsteht die Wirkung durch das Erleben. Die Übung macht innere Zustände sichtbar und lädt zu mehr Mitgefühl mit sich selbst ein.
Lieblingsübung 2: Der innere Filter
Diese Impactübung eignet sich wunderbar für die Arbeit mit dem inneren Kritiker oder unkonstruktiver Kritik von außen. Ich nutze dazu einen Kaffeefilter und ein Glas Wasser, dem löffelweise Dreck zugeführt wird. Der Dreck steht z. B. für Sätze des eigenen inneren Kritikers. Würde man dieses verschmutze Wasser trinken, wenn es einem angeboten wird? Mit Sicherheit nicht! Also warum sollten wir die globale, generalisierte und katastrophale Kritik des inneren Kritikers einfach so schlucken? Durch den Filter haben wir die Möglichkeit, uns zu entscheiden, was wir uns annehmen und was wir „rausfiltern”. Wir dürfen prüfen, was relevant, hilfreich oder konstruktiv ist und was wegkann.
Impro - mehr als ein Spiel
Übungen aus dem Improvisationstheater fördern Spontanität, Selbstwirksamkeit und das Vertrauen ins eigene Handeln. Impro schafft echte Begegnung – mit sich selbst und anderen. Sie bringt Humor und Bewegung in therapeutische Prozesse und schafft Leichtigkeit, wo es vorher schwer war. In meiner Improgruppe in der Klinik sind Momente entstanden, die tief berührt haben. Und auch mir als Therapeutin hat es Freude gemacht – es war bunt, lebendig, kraftvoll.
Die Techniken reduzieren Ängste, besonders Versagensängste, und bewirken euphorische, sowie energiegeladene Zustände. Der Fokus liegt dabei auf weiteren Mitspieler:innen, Requisiten etc. So können Geschichten ganz ohne Anstrengung entstehen. Zudem verbessern die Techniken die Kommunikations- und Teamfähigkeit auf eine humorvolle und unkonventionelle Art.
Die Philosophie von Impro:
- Locker bleiben, wenn etwas daneben geht
- Mit dem Status spielen können und verschiedene Statusebenen ausprobieren
- Im Hier und Jetzt bleiben
- Wohlwollend und inspirierend für andere sein

Stay happy when you fail
Unsere größte Angst ist es zu versagen, besonders in für uns wichtigen Situationen. Wenn wir die Messlatte so hochhängen und uns selbst unter Druck setzen, werden wir mit hoher Wahrscheinlichkeit kläglich scheitern. Gehen wir jedoch humorvoll mit den eigenen Schwächen um, ist die Chance groß, dass wir entspannter sind und weniger Fehler machen.
Natürlich läuft nicht jede kreative Intervention rund und auch sie sind kein Wundermittel. Ich erinnere mich gut an eine Sitzung, in der ich mit der „durchlöcherten Becher“-Übung zum Selbstwert arbeiten wollte. Eigentlich sollte die Patientin die Löcher symbolisch schließen, um das Selbstwertgefühl „dicht“ zu machen und hineinfließendes Wasser, welches für Komplimente, Erfolge o. ä. steht, darin zu behalten. Stattdessen wollte die Patientin den Becher einfach wegwerfen und handelte gar nicht so, wie ich es erwartet hatte. Damals war ich überfordert. Ich wollte doch, dass sie den Becher repariert! Heute würde ich anders reagieren: neugierig bleiben, nachfragen, verstehen, was der Impuls bedeutet. Denn kreative Methoden brauchen nicht nur Material und Mut – sondern auch echtes Zuhören, Einfühlung und die Bereitschaft, Pläne loszulassen und offen für das Gegenüber zu sein.
Lieblingsübung 3: Stay Happy when you fail
„Stay Happy when you fail“ ist eine Impro-Übung, bei der in einer 3er-Gruppe zwei Personen ein Gespräch über ein beliebiges Thema führen. Sie dürfen über alles sprechen, aber keine Worte mit dem Buchstaben „s” benutzen. Sobald ein solches Wort genutzt wird, darf der Schiedsrichter mit einem „möp” unterbrechen und alle feiern den Fehler. Dann geht die Unterhaltung weiter. Man merkt schnell, dass es umso anstrengender wird, desto mehr man sich auf die Fehlervermeidung konzentriert. Das Gespräch gerät ins Stocken. Fehler führen also zu mehr Spaß am Spiel! Auch das gemeinsame Feiern von Fehlern stellt einen schönen Kontrast zur sonstigen strengen Fehlerkultur in unserer Gesellschaft dar und lockert auf. Diese Übung mache ich immer gerne in Workshops mit Kolleg:innen, um den inneren Kritiker sichtbar zu machen und damit zu beginnen, diesen zu verändern.
Mein Fazit: Mehr Mut zum Erleben
Impacttechniken und Impro bringen Leichtigkeit, Tiefe und Wirksamkeit in die therapeutische Arbeit. Sie sind oft leicht umsetzbar, machen Spaß und aktivieren genau dort, wo Worte nicht mehr weiterkommen. Mein Tipp: Fang klein an und suche dir passende Patient:innen und einfache Themen für den Anfang. Und sei offen dafür, dass nicht alles planbar ist, aber vieles möglich. Therapie darf leicht sein und auch Freude machen.
Zum Weiterlesen:
(Werbung) Spitzer, M. & Bertram, W. (2006). Braintertainment – Expeditionen in die Welt von Geist und Gehirn. Stuttgart: Schattauer.
(Werbung) Beaulieu, D. (2013). Impact-Techniken für die Psychotherapie. Heidelberg: Carl-Auer.
(Werbung) Niehues, F. (2022). Impacttechniken: Kompetenz!Box Therapie und Beratung. Paderborn: Jungferman.
(Werbung) Cordes, C. (2019). Mut Zur Improvisation! Ungewöhnliche Tools für Beratung und Coaching. München: Knoll & Patze.