7 Praxistipps zum Einsatz therapeutischer Spiele
Wie setze ich therapeutische Spiele am besten in der Therapie ein? Von den Vorbereitungen über Spieldauer bis hin zu Kontraindikationen. Dich erwarten heute praxiserprobten Tipps rund um den kreativen Einsatz von Therapiespielen. So steht deiner nächsten Spielezeit nichts mehr im Weg.
Spiele gehören in jede Praxis für Kinder- und Jugendpsychotherapie. Warum das so ist, erfährst du im ersten Teil meiner Artikelserie rundum therapeutische Spiele. Vielleicht bist du neugierig geworden und möchtest zukünftig mehr Spiele in deinen Praxisalltag integrieren? Oder hast du noch Fragen, wie man Spiele am besten in der Therapiestunde einsetzt?
Im Folgenden findest du Antworten auf die häufigsten Fragen, die sich Kolleg:innen zu Beginn oder im Verlauf oft stellen, sowie Tipps und Tricks aus meiner Praxis. So sollte der nächsten Spielzeit nichts mehr im Weg stehen.
Die Spielstruktur funktioniert bei den meisten Kindern und Jugendlichen, weil sie gewinnen wollen.
1. Wie funktionieren Therapiespiele und wie sind sie aufgebaut?
Die meisten Therapiespiele folgen dem Prinzip des klassischen Leiterspiels. Das heißt, es gibt einen abzulaufenden Weg auf dem Spielbrett, der durch Würfeln begangen wird. Unterwegs geht es meist darum, Punkte in Form von Chips zu sammeln, z. B. durch die Beantwortung von Fragekarten. Diese Fragekarten enthalten oft Fallbeispiele rund um das jeweilige Spielthema, Wissens- und Vertiefungsfragen oder Aufgaben, die z. B. Bewegungsaufforderungen beinhalten, um den Spielverlauf aufzulockern und lustiger zu gestalten.
Die Spielstruktur funktioniert bei den allermeisten Kindern und Jugendlichen, weil sie gewinnen wollen. Da das Spielmaterial motivierend und auffordernd gestaltet ist, haben Kinder und Jugendliche meist direkt Lust loszulegen.
Mein Tipp: Was vielen Kindern und Jugendlichen eine große Freude bereitet, ist nach einem erfolgreichen Spiel eine (Gewinner:innen-)Urkunde mit nach Hause zu nehmen. Der Stolz über eine eigene Urkunde und die spätere Erinnerung an das Spiel und die gelösten Problemstellungen und Aufgaben lassen das „Erlernte“ häufig noch nachwirken. Ich habe von einigen Eltern sogar gehört, dass die Urkunden im Kinderzimmer aufgehängt wurden.
Wenn du die Urkunde mit deinem eigenen Praxisstempel und Unterschrift versiehst und sie „feierlich“, eben mit der entsprechenden Würdigung, übergibst, dann hat die Urkunde noch mehr Wirkung.
2. Gibt es Kontraindikationen?
Wenn du mit Patient:innen spielst, die selbst noch nicht lesen können, muss das kein Hinderungsgrund sein. Meist lese ich dann die Fragen vor. Wenn ein Elternteil oder jemand anderes, der lesen kann, mit dabei ist, sucht sich das Kind aus, wer vorlesen soll. Anders sieht es bei Kindern und Jugendlichen aus, die Schwierigkeiten beim Lesen haben oder bei denen eine Lese-Rechtschreib-Störung besteht. Hier ist es wichtig, sie dort abzuholen, wo sie stehen: Manchmal lesen wir abwechselnd vor oder ich lese die langen Texte und die Spielenden die kurzen Texte. Wichtig ist, dass der Spaß nicht auf der Strecke bleibt (z. B. weil das Vorlesen so viel Zeit in Anspruch nimmt).
Nicht jede:r Patient:in kann sich auf das „Spielen“ einlassen. Nutze therapeutische Spiele nur bei Patient:innen, die Interesse daran haben oder von denen du glaubst, dass sie trotz anfänglicher Skepsis zumindest etwas „auftauen“ könnten.
Mein Tipp: Bei vielen therapeutischen Spielen gibt es Material, das du auch ohne das gesamte Spiel nutzen kannst, z. B. indem du ein entsprechendes Spielbrett oder einzelne Fragekarten nutzt. Ich nutze sehr gerne einfach nur das Spielbrett vom „Gefühlsmix-Spiel“ (Manfred Vogt Spieleverlag). Das Spielbrett besteht aus einem „Kuchen“ mit vielen „Gefühlskuchenstücken“, die jeweils eine eigene Farbe haben. Oben drüber steht das Grundgefühl (Angst, Trauer, Freude usw.) und darunter stehen viele weitere Gefühle, die zu dem jeweiligen Grundgefühl passen. Hiermit könnt ihr klasse in die Gefühlswelt einsteigen, auch ohne das Spiel zu spielen, indem ihr z. B. guckt, welche Gefühle der:die Patient:in schon kennt und woher.
3. Wie viel Zeit brauche ich?
In der Regel sind Therapiespiele so konzipiert, dass du sie gut in einer Therapiesitzung (50 Minuten) einsetzen kannst, inklusive Begrüßung, Einleitung in die Stunde, dem eigentlichen Spiel (ca. 30 Minuten) und Abschluss der Sitzung.
Mein Tipp: Versuche dich nicht sklavisch an die Anleitung zu halten und sei kreativ. Meist kannst du ein Spiel, bei dem du merkst, dass dir die Zeit davonrennt, sehr gut kürzen, oder, wenn du merkst, dass du gerne noch weiterspielen möchtest, ganz leicht die Spieldauer verlängern.
Ideen, um das Spiel zu verkürzen:
- Falls es eine bestimmte Aufgabe gibt (z. B. eine bestimmte Anzahl an Chips sammeln oder bestimmte Stationen besuchen), kann diese jederzeit reduziert werden.
- Verwendet zwei statt einem Würfel.
Ideen, um länger zu spielen:
- Falls es eine bestimmte Aufgabe gibt (z. B. eine bestimmte Anzahl an Chips sammeln) kann diese jederzeit erhöht werden.
- Verwendet nur einen statt zwei Würfeln.
- Führt (weitere) Bonusrunden bei Erreichen des Ziels ein.
- Für ausführliche(re) Antworten gibt es zwei Chips.
Lass dein therapeutisches Gespür entscheiden, aber besprich Spieländerungen immer mit den Spielenden. Häufig funktioniert es auch prima, sich gemeinsam Regeländerungen zum Verkürzen oder Verlängern der Spielzeit zu überlegen. Seid kreativ!
4. Was muss ich vorbereiten?
Wenn du möchtest, kannst du vor Spielbeginn die jeweiligen Fragenkarten vorsortieren und dir Themenbereiche auswählen, die du gerne einsetzen möchtest. Das ist aber kein Muss! Manchmal kann es auch gerade schön sein, einfach zu gucken, welche Themen zufällig drankommen.
Ansonsten sind Therapiespiele in der Regel ganz schnell und einfach aufgebaut und benötigen meist auch keine zusätzlichen Materialien.
Wenn vorhanden, kann es hilfreich sein, die Download-Materialien zu nutzen, beispielsweise, um eine Aufgabe mit nach Hause zu geben. Hier kannst du vorher überlegen, welche Arbeits- oder Ausmalblätter du nutzen möchtest, und sie vor der Stunde bereitlegen. Es kann aber auch Spaß machen und sinnvoll sein, sie gemeinsam mit deinen Patient:innen anzuschauen und auszusuchen, welche ihr nutzen möchtet und diese dann gemeinsam auszudrucken.
5. Kann ich Spiele in Gruppen spielen oder die Familie einbeziehen?
Therapeutische Spiele lassen sich sowohl im Einzelkontakt als auch im Gruppensetting sehr gut nutzen. Sie sind in der Regel so konzipiert, dass sie ab zwei und bis zu vier oder sechs Mitspieler:innen gut funktionieren. Wenn es mehr Mitspielende sein sollten, lassen sich auch Teams bilden.
Hast du schon mal gemeinsam mit deinen Patient:innen und deren Eltern ein Therapiespiel gespielt? Nein? Lass dir das nicht entgehen und probiere es unbedingt mal aus! Du wirst überrascht sein, wie viel du in nur einer Stunde beispielsweise über das Verhältnis der einzelnen Familienmitglieder untereinander, den Umgang mit den Kindern und deren Kommunikation erfahren wirst.
6. Therapiespiele auch zuhause nutzen?
Therapeutische Spiele sind für Profis gemacht. Sie sind in der Regel so konzipiert, dass du als Expert:in das Spiel mit einem Kind/Jugendlichen zusammen spielst. Nur so kannst du mögliche Belastungen, die durch die Spielthemen ausgelöst werden können, gut aufgreifen.
Die Familie eines Patienten hat sich einmal eine eigene Version des Reden-Fühlen-Handeln-Spiels (Manfred Vogt Verlag) für zuhause gebastelt und ganz eigene Fragen formuliert. Das ist natürlich etwas anderes und eine tolle Abwandlung, aber generell ist es nicht so gedacht, dass eine Familie sich ein Therapiespiel für zuhause kauft.
7. Sind Therapiespiele auch mit erwachsenen Patient:innen spielbar?
Die Spiele, die ich dir in dieser Artikelreihe näherbringen möchte, sind für Kinder und Jugendliche konzipiert. In ganz wenigen Ausnahmefällen spiele ich diese auch mit Erwachsenen. Ich habe schon häufiger gute Erfahrungen mit dem Trauerlandspiel (Manfred Vogt Spieleverlag) gemacht, weil es eine schöne Form ist, das Thema Trauer mit Erwachsenen zu thematisieren. Ansonsten nutze ich eher Spiele, die speziell für Erwachsene konzipiert sind.
Mit den Tipps und Tricks sind deine häufigsten Fragen rundum therapeutische Spiele hoffentlich beantwortet. Jetzt fehlen dir nur noch passende Spiele? Im dritten Teil der Artikelserie erwarten dich praxiserprobte Spielempfehlungen zu unterschiedlichen Themen.