Therapiespiele, die sich in der Praxis bewährt haben
Du möchtest mehr therapeutische Spiele in deine Stunden einbauen, aber bist überwältigt von dem großen Angebot auf dem Markt? Hier findest du praxiserprobte Spiele, die bei Kindern und Jugendlichen gut ankommen: Zum Kennenlernen, zu ausgewählten Themen oder Störungsbildern.
In den letzten Artikeln rund um Spiele in der Psychotherapie hast du hoffentlich Lust bekommen, mehr Therapiespiele in deinen Praxisalltag einzubauen. Für einen idealen Einstieg habe ich dir eine kleine Auswahl an Spielen zusammengestellt, die praxiserprobt sind und gut bei ganz unterschiedlichen Themen, Patient:innen und Altersgruppen ankommen.
Vielleicht machen sie dir Lust, dich einmal mehr mit dem Thema zu beschäftigen. Vielleicht fungieren sie als eine Art „Grundausstattung“ für deine therapeutische Arbeit oder sie sind eine Ergänzung zu dem, was du ohnehin schon nutzt.
Welche Kategorien von Therapiespielen gibt es überhaupt? Ich habe dir hier mal eine Unterteilung der unterschiedlichen Themenbereiche therapeutischer Spiele aufgelistet:
- Spiele zum Einstieg / Kennenlernen
- Spiele rund um das Thema Gefühle
- Spiele zu speziellen Themenbereichen
- Spiele zu spezifischen Störungsbildern
1. Spiele zum Einstieg / Kennenlernen
Gerade wenn ein Kind oder ein:e Jugendliche:r zum ersten Mal zu dir in die Praxis, Klinik, Ambulanz oder Beratungsstelle kommt, ist es häufig nicht so leicht, einen Anfang zu finden. Bestimmt kennst du auch unzählige Situationen, in denen außer dir entweder keiner ein Wort sagt oder ein Elternteil eine Reihe negativer Dinge und Probleme auflistet und dabei kaum zu bremsen ist. In solchen Situationen kann der Satz: „Sollen wir ein Spiel spielen?“ wahre Wunder bewirken. Wenn du für solche Eingangssituationen Therapiespiele suchst, dann findest du hier einige schöne Beispiele.
Das allererste mir bekannte Psychotherapiespiel ist bereits seit 1973 auf dem Markt: The Talking, Feeling and Doing Game von Richard A. Gardener. Das Spiel ist auch ins Deutsche übersetzt worden und im Manfred Vogt Spieleverlag erschienen: Das Reden-Fühlen-Handeln-Spiel. Bei diesem Spiel geht es mit Spielfiguren vom Start zum Ziel. Dabei gilt es, möglichst viele Spielchips zu sammeln, die durch Beantworten der Fragekarten zu den Themenbereichen Reden, Fühlen und Handeln vom Spielleiter bzw. der Spielleiterin verteilt werden. Hinzu kommen Felder, auf denen man vor- bzw. zurückgehen muss, sowie Felder mit einem Drehradsymbol: Beim Betreten dieser Felder wird an einem Drehrad gedreht. So können z. B. Chips gewonnen oder müssen abgegeben werden.
Das Spiel Das bin ich - Die Körper-Rallye (Beltz-Verlag) ergänzt die Ebenen der Gedanken, Gefühle und des Verhaltens, indem es die Körperebene und unsere fünf Sinne mit aufnimmt. Auf dem Spielplan wird die Figur eines Roboters durchwandert. Die einzelnen Bereiche sind den jeweiligen Körperbereichen zugeordnet und farbige Felder markieren, welche Fragekarte gezogen wird. Hier gilt es, unterschiedlich farbige Chips durch Beantworten der jeweiligen Fragekarten zu sammeln und dann schnell ins Ziel zu kommen.
Diese Spiele eignen sich prima, um mit Kindern, Jugendlichen und auch deren Familien ins Gespräch zu kommen. Sie können aber auch jederzeit zwischendurch eingesetzt werden. Beide Spiele sind an die einzelnen Elemente des SORCK-Modells angelehnt.
Wer eine Alternative zum klassischen Brettspielaufbau möchte, der sollte sich die im KIKT-Verlag erschienen Spiele anschauen: Die Problempyramide oder Conversus. Diese sind komplett aus Holz produziert und schon beim Aufbau des Spielbretts geht es los: Es muss nämlich bei den einzelnen Holzplättchen jeweils entschieden werden, welche Seite gespielt werden soll und damit auch, welche Themen drankommen. Es wird abwechselnd gewürfelt. Auf dem erreichten Feld ist die Aufgabe, etwas zu dem jeweiligen Thema zu erzählen (z. B. Freund:innen, Schule, Angst, Freiheit, usw.).
Zwar kein klassisches Brett-Spiel, aber praktisch zum Geschichtenerzählen ist das Spiel Erzähl eine Geschichte (Beltz Verlag). Hier gibt es 9 Würfel mit jeweils unterschiedlichen Symbolen/Bildern zu den Themen: Gefühle, Sucht, Tiere, (Wohn-)Orte, Sinnesorgane, usw. sowie 60 Themenkarten zu unterschiedlichen Kategorien (z. B.: Wünsche, Ziele oder Schule). Es wird eine Themenkarte gezogen, mit allen Würfeln gewürfelt und dann innerhalb einer Minute (Sanduhr ist ebenfalls enthalten) eine Geschichte zu dem Thema der gezogenen Karte mit allen Würfeln erzählt.
2. Spiele rund um das Thema Gefühle
In der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen geht es häufig um Gefühle und den Umgang mit diesen. Hierzu eignen sich Spiele ebenfalls ganz ausgezeichnet und es gibt eine ganze Reihe schöner Therapiespiele.
Ganz kleine Kinder haben oft großen Spaß am Land-der-Gefühle-Spiel (Manfred Vogt Spieleverlag). Hier ist das Spielbrett voller Tiere, die auf lustige, auffordernde Weise ihre Gefühle zeigen und zum Erzählen anregen. Auf dem Weg über das Spielbrett werden abwechselnd Fragen rund um das Thema Gefühle beantwortet.
Das Mimik-Trio-Spiel (Manfred Vogt Spieleverlag) habe ich schon mit kleinen Kindern, aber auch mit Jugendlichen gespielt und es kommt meist sehr gut an. Dieses Spiel funktioniert wie das altbekannte Quartettspiel, nur dass lediglich 3 gleiche Karten zusammenpassen. Diese Karten bilden jeweils ein Kind ab, das durch seine Mimik und Gestik ein Gefühl zeigt. Aufgabe der Mitspieler:innen ist es, diese durch die Mimik und Gestik nachzumachen, um so bei den anderen zu erfragen, ob diese die jeweils gesuchte Karte besitzen. Parallel wird je nach erreichtem Feld auf dem Spielbrett eine Karte gezogen, auf der eine Satzergänzung steht, die es zu vervollständigen gilt.
Das Spiel Wutfaktor X aus dem Sternwiese Verlag stellt, wie der Name schon sagt, das Gefühl der Wut in den Mittelpunkt. Es werden Aktions- und Fragekarten eingesetzt und es geht darum, die Wut in den Griff zu bekommen, ohne im Wutsumpf zu landen.
Beim Gefühls-Mix Spiel (Manfred Vogt Spieleverlag) geht es darum, einen Perspektivwechsel einzunehmen und zu überlegen, wie es einem in bestimmten Situationen gehen könnte. Das Spielbrett besteht aus einem „Kuchen“ mit vielen „Gefühlskuchenstücken“, die jeweils eine eigene Farbe haben. Oben drüber steht das Grundgefühl (Angst, Trauer, Freude usw.) und darunter stehen viele weitere Gefühle, die zu dem jeweiligen Grundgefühl passen. Das Ziel des Spiels ist hier, so schnell wie möglich alle Chips loszuwerden, indem diese beim Beantworten einer Frage auf ein jeweils passendes Gefühl gelegt werden.
3. Spiele zu unterschiedlichen Themenschwerpunkten
Es gibt viele Themen, die in der Psychotherapie und Beratung eine wichtige Rolle spielen und die sich mit Hilfe eines Spiels häufig sehr viel leichter erschließen lassen.
Spiele zur Ressourcenaktivierung
Um Ressourcen bei deinen kleinen und größeren Patient:innen zu fördern, eigenen sich Spiele ebenfalls sehr gut. Beim Das-tut-mir-gut-Spiel (Manfred Vogt Spieleverlag) werden Karten mit Bildausschnitten gezogen, die dann auf dem Spielbrett wiedergefunden und aufgesucht werden müssen. Parallel werden Fragen rund um das Thema Ressourcen beantwortet und Chips gesammelt.
Spiele rund um das Thema Familie
Im HeuteHier-MorgenDort-Spiel (Manfred Vogt Spieleverlag) geht es um das Thema Trennung, Scheidung und Patchworkfamilie. Hierzu gibt es viele spannende Fragen zu beantworten.
Auch beim Spiel Hier bin ich zu Hause - Die Familien-Rallye (Beltz-Verlag) geht es um Familienthemen. Es werden Häuser auf einem wimmeligen Spielfeld besucht. Dort gibt es über 30 unterschiedliche Familientypen: Patchwork, Sozialpädagogische Wohngemeinschaft, Kinderdorf, Adoption oder auch Familien, in denen Familienmitglieder eine psychische, körperliche oder geistige Beeinträchtigung haben. Parallel werden Fragen beantwortet und Chips gesammelt.
Missbrauch, übergriffiges Verhalten und Mobbing
Wenn es um das Thema Missbrauch geht, könnte Das Okay und Hey-Stopp! Spiel (Manfred Vogt Spieleverlag) spannend sein. In diesem Spiel werden Fragen rund um diese Themen gestellt, es gilt Situationen zu bewerten und zu unterscheiden, ob diese okay sind oder nicht.
Das Mobben-Stoppen-Spiel (Manfred Vogt Spieleverlag) eignet sich prima, wenn ein Kind oder Jugendlicher in der Schule gemobbt wird oder selbst andere mobbt.
Thema Tod und Trauer
Eines meiner Lieblingstherapiespiele, wenn es um das Thema Tod, Trauer und Verlust geht, ist das Trauerland Spiel (Manfred Vogt Spieleverlag), das von Beate Alefeld-Gerges, Ines Schäferjohann und dem Trauerland-Team aus Bremen entwickelt wurde. Es ist ein Spiel, das nach dem klassischen Leiterspielprinzip funktioniert und unterschiedliche Aspekte rund um die verstorbene Person aufgreift, zum Thema Tod und Sterben allgemein sowie zu Ressourcen im Umgang mit Trauer.
Thema Biografiearbeit
Als kleiner Vorgucker zum Thema Biografiearbeit sei noch das WEGELeGEspiel genannt, das im Frühjahr im Beltz-Verlag erscheint. Es besteht aus einem sich selbstaufbauenden Spielfeld, mit dem Wege zunächst gebaut und dann begangen werden. Unterwegs werden Fragen beantwortet und Stationen des Lebenswegs besucht.
4. Spiele zu bestimmten Störungsbildern
Inzwischen gibt es auch schon einige Therapiespiele, die sich speziell mit bestimmten Störungsbildern auseinandersetzen.
Beispielsweise gibt es zum Thema Angst das Spiel Angst macht ah! (Sternenwiese-Verlag). Hier stellt das Spielbrett ein Haus mit vielen Zimmern dar, durch die der Weg führt. In jedem der Zimmer ist eine andere Angst vorzufinden, die durch Frage- und Aktionskarten thematisiert und besiegt werden soll. Ebenfalls zum Thema Angst, aber auch Mut ist beim Manfred Vogt Spieleverlag das Spiel Die Mut-Mach-Inseln erschienen. Hier seid ihr mit Schiffen auf dem Meer unterwegs und erwürfelt euch den Weg mit Farbwürfeln.
Zum Thema Depression, Traurigkeit, Niedergeschlagenheit gibt es das Spiel Die Vier Yetis (Manfred Vogt Spieleverlag). Auch dieses Spiel folgt dem Leiterspielprinzip und es hat eine sehr ausgetüftelte Spielmechanik, bei der runde Plättchen bzw. „Schneeberge“ umgedreht werden, auf deren Rückseite jeweils Yetis oder Tiere abgebildet sind, aber auch heimtückische „Yeti-Klau-Karten“.
Du siehst, es ist ganz leicht, super effektiv und macht noch dazu riesig Spaß, Therapiespiele in der therapeutischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen einzusetzen. Ich hoffe, dass dir diese Beispiele einen kleinen Einblick in die große Vielfalt der Therapiespielewelt geben konnten, die du im Rahmen deiner therapeutischen Arbeit einsetzen kannst. Und vor allem hoffe ich, dass du Lust bekommen hast, es selbst einmal auszuprobieren.
Da immer wieder neue Spiele veröffentlicht werden, lohnt es sich regelmäßig zu recherchieren bzw. sich mit Kolleg:innen auszutauschen – sei es im Qualitätszirkel, in einer Arbeitsgruppe oder in der Intervisionsgruppe.
Mein Tipp: Schlag doch mal bei deinem nächsten Qualitätszirkel oder in deiner Intervisionsgruppe vor, gemeinsam ein therapeutisches Spiel zu spielen. So kriegt ihr direkt mit, wie es geht und ihr könnt gemeinsam diskutieren, wie und wo ihr es einsetzen würdet. Ihr könnt auch reihum eure Spiele mitbringen, vorstellen und ausprobieren, was jede:r bei sich in der Praxis einsetzt.
Auf Facebook haben wir zudem eine Gruppe gegründet, in der du dich mit anderen Psychotherapeut:innen, Pädagog:innen usw. über therapeutische Spiele und kreative Materialien in der Therapie austauschen kannst. Schau doch mal vorbei: https://www.facebook.com/groups/2829661440602021