Schematherapie kreativ: So nutzt du einen bunten Materialmix in der Praxis

Aufnahme aus der Vogelperspektive, die zwei Menschen mit verschiedenen Mal- und Bastelutensilien an einem Tisch zeigt.

Kennst du auch das Gefühl, dass manche Therapien einfach zu kopflastig sind und die emotionale Aktivierung bei den Patient:innen ausbleibt, sie inhaltlich nicht „tief“ genug gehen und die Therapien auf einem bestimmten Level stagnieren?

Dann solltest du vielleicht drüber nachdenken, mehr Kreativität in deine Sitzungen zu bringen und dir das eine oder andere Material für deine Praxis anzuschaffen.

Nicht nur die Patient:innen profitieren von kreativen Techniken (durch tieferen Zugang auf Emotions- und Erlebnisebene, besseres Verstehen), sondern auch du als Therapeut:in, denn kreative Übungen bringen Abwechslung und Spaß in unseren Arbeitsalltag.

Am besten legst du dir gleich ein Set mit unterschiedlichen Materialien zu, darunter:

  • Malsachen (wie Bunt- und Filzstifte, Acrylfarben, Bleistifte,…)
  • Bastelsachen (z. B. Schere, Klebstoff, Papier, farbiges [Ton-]Papier,…)
  • Kartons/Schachteln/Behälter (bspw. Schuhkartons, Papp-/Holzkisten, Blechdosen,…)
  • Kataloge und Zeitschriften (u. a. Spielzeugkataloge, Werbung, Sport-/Freizeitzeitschriften,…)
  • Steine verschiedener Größe, Art und Textur (wie glatte Kiesel, kantigen Granit etc.)
  • Düfte (z. B. ätherische Öle, Parfüms, Kräuter,…)
  • Figurensammlungen (z. B. Tierfiguren, Schlümpfe, Playmobilfiguren, Finger-/Handpuppen)
  • Diverse Kartensets

 

Schematherapie ist emotions- und erlebnisbasiert

Die Schematherapie als eines der 3.-Welle-Verfahren der Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) hat vor allem das emotionsfokussierte und erlebnisbasierte Arbeiten mit Patient:innen im Fokus. Strukturiertes und zielgerichtetes KVT-Vorgehen wird dabei mit Facetten anderer Therapieschulen (z. B. aus psychodynamischen, humanistischen, erfahrungsorientierten, transaktions-analytischen Verfahren, aus Bindungstheorie, Teile-Ansätzen, Gestalt- und hypnotherapeutischen Elementen) ergänzt. Das sog. Modus-Modell der Schematherapie beschäftigt sich mit den aktuell erlebbaren Aktivierungszuständen (aktuelles Erleben) von Patient:innen, wobei unterschiedliche Anteile/Seiten aktiviert sein können: „Schemamodi sind emotionale Zustände und Bewältigungsreaktionen – adaptive wie maladaptive -, die wir alle erleben und die Augenblick für Augenblick auftreten. Oft werden unsere Schemamodi durch Lebenssituationen aktiviert, denen gegenüber wir stark sensibilisiert sind (unsere >>emotionalen Knöpfe<<)“ (Young et al., 2008, S. 74).

In der Schematherapie unterscheiden wir 4 Klassen von Modi:

  1. Kind-Modi (basale, primäre Emotionen),
  2. Eltern-Modi (aktivierte Bewertungen in Form von Forderungen und Kritik, die v. a. durch prägende Erfahrungen mit Bezugspersonen in der Kindheit internalisiert wurden),
  3. maladaptive Bewältigungs-Modi (in früher Kindheit erlernte „Überlebensstrategien“ zur Abschwächung emotionaler Schmerzen) und
  4. gesunde Modi (glückliches Kind und gesunder Erwachsenen-Modus).

Oft zeigen sich auch in der Therapiesitzung maladaptive Bewältigungsmodi (z. B. distanzierter Beschützer) der Patient:innen, welche den Zugang erschweren. Die folgenden Interventionen sollen Patient:innen helfen, sich doch auf den emotionalen Raum einlassen zu können.

Generell kannst du kreative Materialien bei jedem Modus in der Schematherapie einsetzen, hier 5 Ideen:

 

1. Happy-Child-Kollage gestalten

Um das glückliche Kind in und außerhalb der Therapiesitzung zu fördern, wird eine Happy-Child-Kollage angefertigt. Dazu dürfen die Patient:innen im ersten Schritt ein Plakat (z. B. aus Tonkarton) mit Ausschnitten aus Zeitungen, Zeitschriften, Fotos etc., Stickern und sonstigem Material bekleben und gern auch beschriften. Im zweiten Schritt wird das Ergebnis und der Schaffensprozess reflektiert und du überlegst dir mit den Patient:innen, wie sie die Kollage im Alltag anwenden können, um das glückliche Kind in sich zu stärken und wo ein guter geeigneter Ort für sie ist.

Ein kleiner Junge sitzt mit einem Buch auf den Knien lachend auf einem Tisch und lacht aus vollem Hals.

2. Videoclips analysieren

Ihr schaut euch gemeinsam in der Therapie vorbereitete Szenen aus Filmen und Serien an und du bittest genau auf Gestik/Mimik und Verhalten der Protagonist:innen zu achten. Darüber hinaus soll auch überlegt werden, was diese in den Szenen wohl denken und fühlen. Anschließend bittest du deine Patient:innen zu erraten, in welchem Modus die Protagonist:innen wohl waren und woran sie es erkannt haben. Spannende Diskussionen können folgen. Auch können die Patient:innen im Alltag, während sie Filme/Serien schauen, auf Modus-Darstellungen achten und diese mit in die Therapie „bringen“.

 

3. Modus-Repräsentanten einsetzen

Zunächst entwirfst du mit den Patent:innen zusammen ein Modus-Team am Flipchart. Im nächsten Schritt dürfen die Patient:innen sich für jeden Modus einen Repräsentanten auswählen. Hierfür hältst du ein Set an unterschiedlichen Schlümpfen, Schleichtieren, Quietsche-Enten, Fingerpuppen (ganz kreative Therapeut:innen und Patient:innen basteln sich dich selbst!) bereit. Nach der Zuordnung der Puppen/Figuren zu den einzelnen Modi können Fragen folgen, z. B.: „Warum genau haben Sie diese Puppe für den vulnerablen Kindmodus genommen und diese für den Elternmodus? Was repräsentiert diese Figur für Sie?“.

Tipp: Die Repräsentanten können auch im späteren Therapieverlauf, z. B. bei Stuhldialogen, als Stellvertreter genutzt werden.

 

4. Elternmodus-Stofffigur zeichnen und entmachten

Dein:e Patient:in wird in einer kurzen Imaginationsübung gebeten, sich ihren Elternmodus vorzustellen (hilfreiche Fragen können sein: „Welche Figur/Form hat er? Handelt es sich um ein menschliches, tierisches, phantastisches Wesen? Welche Körperhaltung nimmt er ein und wie schaut seine Mimik/Gestik aus? Welche Farben sehen Sie? Hat er irgendwelche Accessoires bei sich?“).

Anschließend breitest du ein großes Nesselstoff-Stück (ca. 1m x 2m) auf einem Tisch oder Boden aus und bittest die Patient:innen, den Elternmodus mit Textilstiften auf den Stoff zu malen. Im nächsten Schritt dürfen die Patient:innen sich von allen überfordernden und kritischen Elternmodus-Sätzen befreien, in dem diese nun im Korpus der Figur „abgelegt“ werden – dies schafft eine Distanz zu den Sätzen im Alltag. Bei späteren Stuhldialogen kann die Stofffigur als Stellvertreter verwendet werden.

Tipp: Erstellt später im Laufe der Therapie noch eine Stofffigur für den gesunden Erwachsenenmodus.

Viele Köpfe von Lego-Figuren mit unterschiedlichen Gesichtsausdrücken liegen auf einem Haufen.

5. Wendepuppen einsetzen

Es handelt sich um eine tolle Impact-Technik, die bei die Patient:innen im Gedächtnis „hängen“ bleibt, da sie ein AHA-Erlebnis verursacht. Benötigt wird eine sogenannte Wendepuppe, die durch einen einfachen Handgriff umgestülpt werden kann. Diese findest du bei unterschiedlichen Herstellern bzw. wer Nähkenntnisse besitzt, kann sie sich selbst auch erstellen.

Nach dem Motto, dass jeder „mal so und mal so ist“, kann die Puppe dann, z. B. während du stellvertretend für die Patient:innen eine Geschichte erzählst, gewendet werden und sorgt für ein erstauntes Gesicht auf Patientenseite. Folgender Monolog kann stattfinden: „So wie die Wendepuppe Dolly das Schaf auf der einen Seite fröhlich ist (glücklicher Kindmodus), aber, wenn z. B. etwas Ungerechtes passiert oder sie unfair behandelt wird, auch zum Wolf werden kann, der ganz ärgerlich ist (wütender Kindmodus), hat jeder Mensch auch ganz unterschiedliche Seiten in sich, die in verschiedenen Situationen zum Vorschein kommen. Welche Seiten kennen Sie von sich?“ Nun kann das Modus-Team der Patient:innen erstellt werden.

Die vorgestellten 5 Interventionen lassen sich einfach und mit wenig Aufwand in die schematherapeutische Sitzung einbauen und helfen den Patient:innen und dir als Therapeut:in, auf kreative Weise mit der Schematherapie Erfolge zu erzielen. Du wirst sehen, wie mit ein paar kreativen Techniken Therapiefortschritte erzielt und mehr Emotionalität und Tiefe gewonnen werden kann.

 

Zum Weiterlesen:

[Werbung] Christian Ferreira de Vasconcellos (2022). Kreative Materialien und Techniken in der Schematherapie: 75 Therapiekarten. Weinheim: Beltz.

[Werbung] Eckhard Roediger (2016). Schematherapie: Grundlagen, Modell und Praxis. Stuttgart: Schattauer.

[Werbung] Jeffrey E. Young (2008). Schematherapie. Ein praxisorientiertes Handbuch. Paderborn: Junfermann.