Wie du Alpträume mit der Imagery Rehearsal Therapie behandelst

Frau guckt ängstlich unter der Bettdecke hervor.

Wer nachts immer wieder schlecht träumt und schweißgebadet aufwacht, kann in der Schlaf- und Lebensqualität stark beeinträchtigt sein. Mit der Imagery Rehearsal Therapie werden Patient*innen zu Drehbuchautor*innen ihrer Alpträume und lernen, wie sie diese überschreiben und bewältigen können.

Frau R. schreckt nachts immer wieder schweißgebadet und mit starkem Herzklopfen auf. Sie leidet unter chronisch auftretenden Alpträumen, in denen sie ins Bodenlose zu fallen scheint oder verfolgt wird. Diese Alpträume bereiten ihr Angst und sie fühlt sich ihnen hilflos ausgeliefert. Mit der Imagery Rehearsal Therapie (IRT) können Alpträume wie die von Frau R. effektiv behandelt werden.

Bei der IRT handelt es sich um ein imaginatives Verfahren, das ursprünglich für die Behandlung von Alpträumen bei Patient*innen mit Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) entwickelt wurde. Es hat sich aber auch bei idiopathischen Alpträumen als hilfreich erwiesen, also bei solchen Alpträumen, die nicht durch eine andere Störung verursacht sind, aber dennoch ein hohes Leidenspotenzial darstellen und eine Therapie erforderlich machen können.

Person versteckt sich unter einem Kissen.

Den Alptraum verändern

Wie der Name nahelegt, beinhaltet das Verfahren Imagination und Wiederholung (Rehearsal). Das bedeutet, dass ein Alptraum verändert werden soll, sodass aus einem bedrohlichen Traumverlauf eine neue und weniger bedrohliche Traumgeschichte entwickelt wird. Dieser neue Traumverlauf wird dann intensiv imaginiert. Diese Imagination wird regelmäßig, mindestens einmal täglich wiederholt. Dadurch tritt der ursprüngliche Alptraum immer seltener auf. Als Erklärung wird vermutet, dass der Alptraum durch den neuen, weniger bedrohlichen Traumverlauf im Gedächtnis überschrieben wird und/oder, dass die Person sich nicht mehr hilflos ihren Träumen ausgeliefert fühlt und mehr Kontrolle über ihre Träume hat.
 

Kreativität ist gefragt

Bei der Anwendung der IRT erscheint es hilfreich, die Modifikation des Alptraums gemeinsam in der Therapiestunde vorzunehmen. Erfahrungsgemäß gelingt es Patient*innen zu Beginn oft nicht, von sich aus auf alternative Verläufe des bedrohlichen Traums zu kommen. Das ist aufgrund der starken emotionalen Gebundenheit an den Alptraum auch nicht weiter überraschend. Hier ist es deshalb oft sehr hilfreich, wenn du als Therapeut*in anfangs Anregungen und Vorschläge machst, wie ein modifizierter Verlauf des Alptraums aussehen könnte. Des Weiteren verlangt diese Technik sehr viel Kreativität und kann in gewisser Weise sogar Spaß machen, sofern sich das bei diesem Thema so sagen lässt. Das ist außerordentlich günstig für die therapeutische Beziehung.

Im Anschluss an die IRT kann sich bei idiopathischen Alpträumen eine klärende Bearbeitung der Alptrauminhalte anschließen. Dieses ist zwar nicht mehr Gegenstand der IRT selbst, in der Praxis hat sich aber häufig gezeigt, dass Patient*innen – neben dem vordringlichen Wunsch, ihre Alpträume zu beseitigen – auch den Wunsch haben, über ihre Alpträume, deren Ursachen und Motive zu reden. Die Arbeit mit Träumen ist traditionell in der Psychoanalyse beheimatet, kann aber auch in der kognitiven Verhaltenstherapie genutzt werden (mehr dazu hier).

Person sitzt am Schreibtisch mit Stift in der Hand und schreibt in leeres Notizbuch.

Wie wirkt die IRT?

Die IRT beinhaltet zwei Wirkfaktoren: zum einen die Konfrontation mit dem angstauslösenden Ereignis (dem Alptraum) und die Bewältigung dieses Ereignisses in der Imagination (auch Mastery genannt).

Die Konfrontation findet üblicherweise gleich zu Beginn der Therapie in Form der detaillierten Schilderung eines Alptraums statt. Diese Rekonstruktion des Alptraums, die für die spätere Modifikation notwendig ist, entspricht somit der Exposition an ein bedrohliches Ereignis im Sinne einer Reizkonfrontationstherapie. Frühere Studien mit Expositionstherapien konnten schon nachweisen, dass die Konfrontation mit einem Alptraum eine therapeutische Wirkung hat (z. B. Burgess, Gill & Marks, 1998). Auch neuere Studien, die explizit die Effekte der Konfrontationskomponente der IRT untersucht haben, konnten zeigen, dass diese allein wirksam ist und zu einem therapeutisch gewünschten Effekt führt (Gieselmann et al, 2017; Kunze et al., 2017). Jedoch hat sich auch gezeigt, dass alleinige Konfrontation zum einen für viele Patient*innen sehr belastend ist und sich zum anderen zwar günstig auf die Senkung der Alptraumfrequenz auswirkt, nicht aber auf die Alptraumbelastung (Gieselmann et al., 2017).

Daher scheint der Mastery-Komponenten der IRT eine wesentliche Rolle zuzukommen, also der wiederholten Imagination des neuen Skripts. Diese äußert sich (neben der Reduktion der Alptraumfrequenz) in einer Reduktion der Alptraumbelastung und einer Steigerung der Selbstwirksamkeit. Die Erhöhung der Selbstwirksamkeit ist ein generelles Merkmal des imaginativen Überscheibens, weil es den Patient*innen mehr Sicherheit und Zuversicht im Umgang mit ihren belastenden Erinnerungen oder Erlebnissen gibt.

Frau guckt lachend unter der Bettdecke hervor und zeigt Victory-Zeichen.

Überschreibung des (neuronalen) Netzwerks

Ungeachtet der Wirkkomponenten der IRT kann angenommen werden, dass es durch die wiederholte Imagination des neuen Skriptes zu einer Überschreibung des (neuronalen) Netzwerkes kommt, das dem Alptraum zugrunde liegt. Die neuronale Repräsentation des Alptraumskripts ist damit ähnlich einer neuronalen Struktur für Ängste oder Phobien, bei denen auch ein Angst- oder Furchtnetzwerk angenommen wird (z. B. Roth, 2005). Durch die wiederholte Imagination des modifizierten Skripts im Rahmen der IRT kommt es zu einer Verknüpfung des neuen Traumskripts mit dem Alptraumnetzwerk. Dadurch kann dessen Aktivierung auf das neue Skript übergreifen und durch wiederholtes Rehearsal dieses mehr und mehr in das ursprüngliche Netzwerk einbinden und schließlich dominieren, also überschreiben.
 

Resümée

Nach gegenwärtigem Wissensstand kann die IRT als die Methode der Wahl zur Behandlung von idiopathischen und posttraumatischen Alpträumen empfohlen werden (Hansen, Höfling, Kröner-Borowik, Stangier & Steil, 2013; Van Schagen, Lancee, Spoormaker, van den Bout, 2016). Alpträume können durch die Methode in ihrer Häufigkeit und Intensität deutlich reduziert werden. Sie zeigt zusätzlich förderliche Effekte auf das Kompetenzerleben der Patient*innen sowie die Erwartungsangst vor neuen und den Umgang mit verbleibenden Alpträumen.

 

Dieser Artikel ist eine veränderte Version des ursprünglich in der VPP aktuell erschienenen Artikels: Pietrowsky, R. (2021). Die Imagery Rehearsal Therapie: Behandlung von Alpträumen. VPP aktuell, 53, S. 8-10.
 

Zum Weiterlesen [Werbung]

Thünker, J. & Pietrowsky, R. (2021). Alpträume – ein Therapiemanual, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage. Göttingen: Hogrefe.

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