Lebenslang lernen: So machst du den Weg zum Ziel

Eine Frau hält sich frustriert ein Buch über den Kopf und sitzt am Tisch, auf dem ihr Laptop steht.

Psychotherapeut:innen bilden sich ihr Leben lang weiter - das gehört zum Beruf. Dabei kann das Gefühl entstehen, auf einen in der Ferne liegenden „fertigen” Zustand hinzuarbeiten und erst dann den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden. Der Artikel beleuchtet die Hintergründe dieses Gefühls und zeigt dir Strategien für einen gesunden Umgang mit dem lebenslangen Lernprozess. 

Zu Beginn meiner Laufbahn als Psychotherapeutin habe ich immer auf den nächsten Abschluss hingearbeitet: Während der Ausbildung habe ich eine Weiterbildung zur psychologischen Sachverständigen gemacht und hatte die Zusatzausbildung für Erwachsene immer im Blick. Den PMR- und Gruppenschein wollte ich natürlich auch noch erwerben und eine Laufbahn als Dozentin erschien mir ebenfalls spannend. War eine Ausbildung abgeschlossen, hielt die Erleichterung oft nicht lange an.  Die nächste Weiterbildung stand vor der Tür. Dieses Phänomen beschäftigt viele Psychotherapeut:innen, die sich häufig über die geforderte Fortbildungspflicht hinaus weiterbilden wollen.

Immer kurz vor dem Ziel 

Der Prozess des lebenslangen Lernens kann zur Belastung werden. Und zwar dann, wenn sich ein Gefühl der Rastlosigkeit einstellt, weil man versucht, auf einen „fertigen” Zustand hinzuarbeiten. Das kann sich zum Beispiel in der Hoffnung ausdrücken, nach einer Weiterbildung endlich mit sich als Therapeut:in zufrieden zu sein und genügend Expertise erworben zu haben – vielleicht auch, um Impostor-Gefühlen entgegenzuwirken. Solche Gedanken verhindern jedoch, mit dem jetzigen Zustand zufrieden zu sein. Die Erleichterung wartet erst in der Zukunft und man muss hart arbeiten, um sie zu erreichen. 

Eine Frau sitzt am PC, auf dem Desktop sieht man groß das Wort WEBINAR

Das Problem ist, dass sich das Gefühl, fertig und am Ziel zu sein, nie einstellt. Ist ein Abschluss geschafft, steht die nächste Herausforderung an. Hat man beispielsweise einen Kassensitz erworben, muss man sich in Steuer- und Abrechnungsfragen weiterbilden und weiterhin Fortbildungspunkte sammeln. Und so kann es passieren, dass vom anfänglichen Interesse und der Freude an Fort- und Weiterbildungen nicht mehr viel übrigbleibt und sich stattdessen Stress, Sorgen und Unruhe breit machen. Das kann sich beispielsweise in ständiger gedanklicher Beschäftigung mit dem Thema, Vernachlässigung von Freizeit und sozialen Kontakten oder einer Enttäuschung über die ausbleibende Erleichterung äußern. 

Weitere Hindernisse auf dem Weg 

Neben dem Gefühl, noch nicht am Ziel angekommen zu sein, gibt es noch weitere Faktoren, die den Lern- und Weiterbildungsprozess erschweren können: 

  • Du verspürst den Druck, bestimmte Fort- und Weiterbildungen zu machen, um deine Chancen auf dem Arbeitsmarkt oder für einen Kassensitz zu verbessern  
  • Du bist dir noch unsicher, in welche Richtung du dich als Therapeut:in entwickeln möchtest und probierst verschiedene Wege aus. Auch Unzufriedenheit mit dem aktuellen Arbeitssetting und der Wunsch nach Veränderung können eine Rolle spielen.  
  • Du hast das Gefühl, etwas zu verpassen, wenn andere Therapeut:innen von Fortbildungen erzählen oder du davon in den Fachmedien davon erfährst.  

Wie geht man damit um, nie „fertig” zu sein? 

Auch wenn wir es uns oft nicht eingestehen wollen: Diesen „fertigen” Zustand werden wir nie erreichen. Das zu akzeptieren, kann uns den Druck nehmen, immer darauf hinzuarbeiten, dass wir irgendwann einmal angekommen sind und uns bis dahin durchbeißen müssen. Es ist auch ganz normal, Unsicherheit in Behandlungen zu erleben. Angst, etwas zu verpassen oder Überlastung im Beruf – das sind normale Gefühle und Zustände, die vermutlich alle Psychotherapeut:innen kennen. Diese Gefühle werden auch immer mehr oder weniger da sein, ganz egal wie viele Qualifikationen wir schon in der Tasche haben.  

Eine Frau balanciert auf dem Mittelstreifen einer breiten Landstraße

Neben der Akzeptanz zeige ich dir noch 5 weitere Tipps, die dir im Umgang mit dem lebenslangen Lernen helfen können: 

1. Verschaffe dir Klarheit 

In welche Richtung möchtest du dich weiterentwickeln und wo möchtest du dein Wissen vertiefen? Welche Motive spielen dabei eine Rolle: persönliches Interesse oder andere Gründe? Was erhoffst du dir von der nächsten Fort- oder Weiterbildung? Es ist übrigens nicht verwerflich, strategische Entscheidungen zu treffen, wenn sie dich einem Ziel näherbringen. 

2. Entscheide dich gegen Fortbildungen auf deiner Liste 

Bei vielen Fort- und Weiterbildungen wird es dir eher leichtfallen, sie auszuschließen. Doch bleibt wahrscheinlich eine lange Liste mit Ideen, die es dir schwermacht, dich zu entscheiden und eine Richtung einzuschlagen. Die Kunst besteht also darin, sich bewusst gegen Fort- und Weiterbildungen zu entscheiden, die dich interessieren oder die dir in der Zukunft nützlich sein könnten. Das kann schwerfallen, ist aber wichtig, um deine begrenzte Energie und Zeit zunächst nur in ein Thema zu stecken, das dir wirklich wichtig ist. 

3. Der Weg ist das Ziel – genieße ihn! 

Fort- und Weiterbildungen werden dich dein ganzes Berufsleben lang begleiten. Versuche daher, den Prozess des Lernens als solchen zu genießen und ihn bewusster wahrzunehmen, statt auf einen „Zustand danach“ hinzuarbeiten.  

4. Nimm dir Zeit für dich und für andere Themen 

Gerade weil es sich um einen nie abgeschlossenen Lernprozess handelt, ist es wichtig, genügend Zeit für Selbstfürsorge und andere Themen außerhalb der Psychotherapie einzuplanen. Anstatt beispielsweise zu versuchen, jedes spannende Fachbuch zu lesen und jede Fortbildung zu besuchen, sollten auch Aktivitäten außerhalb der Psychotherapie genügend Raum finden. Das kann bedeuten, Bücher ohne Fachbezug zu lesen, einen Urlaub einem Kongress vorzuziehen oder sich mit Kolleg:innen auch über Themen abseits der Arbeit auszutauschen. 

5. Werde dir darüber bewusst, was du schon erreicht hast 

Vielleicht hast du schon vergessen, wie weit du gekommen bist und was du schon erreicht hast, weil vieles Wissen und viele Fähigkeiten schleichend in deine Arbeit übergegangen sind. Mache dir also bewusst, dass du schon viel erreicht hast und dass du stolz auf dich sein kannst. Du bist bereits ein:e Expert:in auf dem Gebiet der Psychotherapie.