Samstags gibt es Pancakes: Routinen bei ortsunabhängigem Arbeiten

Auf einem Tisch steht ein Teller mit Pancakes, daneben eine Kanne Kaffe, ein Stapel Bücher und eine Zeitung.

Wie organisiert man sich, wenn man Klient:innen auf der ganzen Welt hat und selbst regelmäßig die Zeitzone wechselt? Welche Strukturen helfen dabei, ein stabiles Onlinebusiness zu führen, während sich die Umgebung ständig ändert? Sonia Jaeger arbeitet seit fast 10 Jahren ortsunabhängig und flexibel als Onlinepsychologin und erzählt uns im Interview von den Vorteilen und Herausforderungen ihres Arbeitsalltags.

Sonia, wo bist du aktuell?

Ich bin gerade in Tokio am Flughafen. Gerade war ich 2 Wochen in Japan und lege auf meinem Rückweg nach Europa noch 1-2 Tage Zwischenstopp in Hanoi, Vietnam, ein.

 

Du kommst viel rum. Wie entscheidest du, wo du als nächstes hinreist?

Ganz oft sind es Ereignisse, zu denen ich möchte. Zuletzt war ich länger in Neuseeland, weil ich dort Vorträge gehalten habe. Jetzt grade reise ich zurück nach Deutschland, weil dort eine große Familienfeier ansteht. Wenn ich schon mal da bin, bleibe ich auch eine Weile in der Region und versuche, so 3-5 Monate in einem Teil der Welt zu bleiben.

Für mich gibt es zwei Fixpunkte: Ich habe eine Homebase in Europa und Familie in verschiedenen europäischen Ländern, d. h. da bin ich regelmäßig. Und eine zweite Homebase ist in Australien, wo wir ebenfalls Familie und Freunde haben. Zwischen diesen zwei Teilen der Welt pendle ich und finde die Mischung total schön: neue Orte zu entdecken, aber immer wieder an Orte zurückzukehren, die ich schon kenne.

 

Was brauchst du z. B. an Routine oder Strukturen, um trotz wechselnder Umgebungsfaktoren dein Onlinebusiness zu führen?

Ich brauche vor allem Schlaf (lacht). Heute habe ich viel zu früh aufstehen müssen und halb 5 morgens ist eindeutig nicht meine Zeit. Das versuche ich eigentlich zu vermeiden, aber das klappt nicht immer.

Meine Arbeit selbst gibt mir viel Halt und Struktur, wenn sich alles andere verändert. Mein Laptop, die E-Mails, die Kommunikation mit meinem Team… das bleibt alles gleich, egal, wo ich bin. Ich achte darauf, dass die Prozesse gut funktionieren, denn gerade beim Reisen wechselt der Kopf in einen anderen Modus und man vergisst viele Sachen, die man sonst vielleicht auf dem Schirm hätte. Ich versuche also gar nicht erst, die Sachen im Kopf zu behalten, sondern sorge dafür, dass alles dokumentiert ist, arbeite mit Erinnerungsfunktionen und Programmen wie Notion. Viele Abläufe haben sich über die Jahre eingespielt. Das hilft sehr.

Eine Person arbeit an einem Laptop, neben sich auf dem Tisch ein Notizblock mit Stift sowie eine Tasse Kaffee.

Ansonsten gibt es ein paar private Routinen. Ca. 9-10 Monate im Jahr reise ich mit meinem Freund zusammen und dann gibt’s jeden Samstag Pancakes zum Frühstück, egal wo wir auf der Welt sind. Das heißt, ich reise auch häufiger mit Ahornsirup, weil man den nicht überall auf der Welt kaufen kann (lacht). Andere Routinen, die ich für mich mache, sind z. B. Journaling, Telefontermine mit Freunden, gemeinsam online Filme schauen usw. Ich habe auch ortsabhängige Routinen an Orten, an die ich regelmäßig zurückreise, z. B. das Lieblingscafé, von dem aus ich gerne arbeite oder bestimmte Leute, die ich gerne treffe.

 

Wie sieht ein typischer Tag bei dir aus?

Ein typischer Tag hängt davon ab, welcher Wochentag ist. Meine Arbeitswoche ist ziemlich fest strukturiert.

Den Montag nutze ich als Arbeitstag v. a. für Admin-Tätigkeiten und Absprachen mit meinem Team. Ich gehe dafür vormittags gerne in ein Café. Ich nehme meist kein Ladekabel mit. Ich weiß, mein Laptop hält drei Stunden durch. In diesen drei Stunden arbeite ich dann sehr fokussiert. Ich schaffe so viel mehr, als wenn ich zuhause oder im AirBNB arbeite. Ich finde es auch schön, wenn ich zwischendurch die Leute beobachten oder danach noch etwas rumlaufen kann. Meine Admin-Tage bestehen dann oft halb aus Arbeiten und halb aus touristischen Aktivitäten.

Meine Klient:innen sehe ich sonntagnachmittags, dienstags und donnerstags. An den Tagen mache ich dann wenig anderes. Der Fokus liegt wirklich auf den Gesprächen. Das heißt, dass ich weiß: sonntags, dienstags und donnerstags muss ich irgendwo sein, wo ich gutes Internet habe. Das wirkt sich natürlich entsprechend auf die Unterkünfte und das Reisen aus.

Am Mittwoch versuche ich immer häufiger auch mal freizumachen. Das klappt, würde ich sagen, in 60-70 % der Wochen. Mein Wochenende ist Freitag bis Sonntagmittag. Das sind so die Tage fürs Rausgehen, Reisen, Unterwegssein, Freizeit. Ich muss natürlich auch so „schöne Sachen“ machen wie Geschirrspülen und Wäsche waschen (lacht). Das geht an manchen Orten leichter als an anderen. Dadurch ändern sich meine Tage schon ein bisschen, je nachdem, wo ich bin. In der Pandemie habe ich mit dem Töpfern angefangen und das versuche ich auch, egal wo ich bin, zu machen. In Quito, Ecuador, habe ich z. B. ein Töpferstudio gefunden und selbst in Hanoi, wo ich jetzt hinfliege, habe ich ein Töpferangebot gefunden. Das werde ich noch spontan buchen.

Eine Landkarte an einer Wand.

Ich stelle mir die Organisation von Onlineberatungen schwierig vor, wenn die Klient:innen ggf. in einer ganz anderen Zeitzone leben als man selbst. Wie machst du das ganz praktisch?

Da meine Klient:innen über die ganze Welt verteilt sind, lässt sich das ganz gut organisieren. Ich fange typischerweise morgens um 10 Uhr mit Terminen an. Wenn ich in Asien, Australien oder Neuseeland bin, kann ich gut Termine machen mit denen, die in Nord- und Südamerika sind. Dort ist dann der Abend des Vortages. Danach mache ich Termine mit Klient:innen, die in Asien sind, und abends mit denen aus Europa und Afrika. Das verteilt sich für mich ganz gut. Für die Leute ist es natürlich jedes Mal eine Umgewöhnung, wenn ich die Zeitzone wechsle. Das versuche ich so früh wie möglich anzukündigen. Wer mit mir arbeiten möchte, weiß von vorneherein, dass ich häufiger die Zeitzone wechsle und man nicht immer einen festen Termin zur gleichen Zeit haben kann. Klient:innen, die Termine nicht so flexibel legen können, leite ich dann auch mal ganz bewusst an Kolleg:innen weiter. Die Sonntagstermine biete ich v. a. an, weil es auch Leute gibt, die wochentags nur abends können. Das kann ich nicht immer garantieren, je nachdem, wo ich gerade bin – und ich mache auf gar keinen Fall Termine mitten in der Nacht (lacht). Da passt Sonntagnachmittag für mich als Lösung ganz gut. Ich weiß, ich verlange meinen Klient:innen eine gewisse Flexibilität ab und deshalb versuche ihnen nach Möglichkeit auch entgegenzukommen.

Ganz praktisch nutze ich einen Terminbuchungskalender, der sich automatisch anpasst an die Zeitzone der Person, die den Termin bucht. Mir wird dann angezeigt, wann der Termin in meiner Zeitzone ist, aber auch, um wie viel Uhr bei den Klient:innen. Auf dem Startbildschirm meines Handys habe ich außerdem vier verschiedene Uhrzeiten, sodass ich auf einen Blick immer weiß, wie viel Uhr es wo auf der Welt ist. Inzwischen habe ich dafür ein gutes Gefühl entwickelt.

In meinem Business ist ansonsten viel so organisiert, dass es nicht live stattfinden muss. Die Kommunikation mit meinen Assistentinnen oder meiner Co-Founderin Melissa ist fast immer asynchron und schriftlich. Meistens gibt es 1x pro Monat einen Call oder Sprachnachrichten zwischendurch, wenn es um etwas geht, was schriftlich schwerer zu erklären wäre. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das mit guten Absprachen und Transparenz eigentlich sehr gut funktioniert.

 

Sind unter deinen Klient:innen ebenfalls viele Reisende oder Expats?

Ja, meine typische Klientin ist eine Frau um die 30, die im Ausland lebt und alleine ins Ausland gegangen ist, für die Karriere und weil sie die Welt erkunden wollte. Das heißt die Themen, mit denen meine Klient:innen zu mir kommen, sind etwas spezifischer. Meist geht es um Lebensentscheidungen in Kombination mit Beziehungs- und Familienthemen: Wo man hingehört, wie es in der interkulturellen Beziehung funktioniert, ob man Familie gründen möchte, ob man sich das internationale Leben langfristig vorstellen kann, wie man mit dem Fremden umgeht, wie man mit alternden Eltern umgeht, wie oft man Familie in der Heimat besucht usw.

Auch arbeitsbezogener Stress und Burnout spielen häufig eine Rolle, denn wenn man fürs Arbeiten ins Ausland gegangen ist, hat die Arbeit oft einen ganz anderen Stellenwert. Zum einen, weil es darum geht, Karriere zu machen, aber auch weil das Visum an die Stelle gebunden ist. Wenn es nicht so gut läuft oder es Konflikte gibt, kann man nicht „einfach so“ den Job wechseln. Man müsste sonst auch direkt das Land wechseln und ganz neu anfangen. Bei all diesen Themen suchen die Klient:innen natürlich gezielt jemanden, der das nachvollziehen kann.

Porträtaufnahme von Dr. Sonia Jaeger

Ich habe aber auch Klient:innen in Beratung, die nicht im Ausland leben und sich aus anderen Gründen von meinem Angebot angesprochen fühlen, z. B. weil sie selbst gerne reisen oder schon mal im Ausland gelebt haben.

 

Seit 8 Jahren bist du nun schon digitale Nomadin: Was würdest du deinem jüngeren Ich gerne mit auf den Weg geben?

Ich weiß gar nicht, ob ich wirklich so viel anders machen würde. Umwege gehören ja auch zum Prozess. Aber was ich meinem jüngeren Ich auf jeden Fall raten würde, ist, sich schon früher mit Gleichgesinnten zu umgeben. Dieses Leben und das Reisen können schon recht einsam sein. Genau aus dem Grund habe ich auch eine eigene Community für internationale Kolleg:innen mitgegründet, die LIT-Community. Es ist total wichtig, sich zu vernetzen, Intervisionsgruppen zu haben, sich fachlich fortzubilden.

Ich würde mir wahrscheinlich auch raten, schon etwas frühzeitiger Geld zu investieren. Ich habe sehr lange sehr viel selber gemacht und eine ganze Weile gebraucht, bis ich so weit war, jemanden zu bezahlen, der mich unterstützt, oder Geld in Programme zu investieren. Ich habe z. B. meine erste Website komplett alleine erstellt. Das würde ich so heute nicht nochmal machen. Gleichzeitig war es auch eine spannende Lernerfahrung. Ich würde mir raten, mich auf die Dinge zu konzentrieren, die wirklich in meiner Kernkompetenz liegen.

Es ist ein längerer Prozess, ein eigenes Business aufzubauen. Vor 8-9 Jahren gab es auch noch viel weniger Informationen und Möglichkeiten zum Thema Onlinebusiness, um von Expert:innen und deren Erfahrungen zu lernen. Von daher freue ich mich, dass ich jetzt mein Wissen weitergeben und anderen vielleicht ein paar Umwege ersparen kann.

 

Kannst du dir vorstellen, deinen Laptop jemals wieder gegen einen Praxisraum austauschen?

Ich halte es für unwahrscheinlich, aber ich habe auch gelernt, dass das Leben sich sehr schnell ändern kann. Vor 10 Jahren, bevor ich auf meine Weltreise gegangen bin, hatte ich auch überhaupt keine Ahnung, dass mir das Reisen so gefallen und ich eine Onlinepraxis aufmachen würde. Insofern: Sage niemals nie. Vor Ort und in einem Raum mit Menschen zu arbeiten, hat noch mal ganz andere Vorteile und manchmal vermisse ich das auch – aber nicht ausreichend, um das ändern zu wollen. Die Freiheit des Reisens möchte ich auf keinen Fall missen.

Danke, Sonia, für das Gespräch!

 

Über Dr. Sonia Jaeger:

Nach Therapieausbildung und Promotion ging Sonia auf Weltreise. Das Reisen gefiel ihr so gut, dass sie sich mit ihrer Onlinepraxis selbstständig machte. Inzwischen unterstützt sie neben ihren Beratungsangeboten auch Kolleg:innen dabei, ortsunabhängig zu arbeiten und bietet international Workshops an. Für unsere erste psylife live-Webinarreihe gab es für uns darum keine bessere Wahl, als Sonia als Referentin zum Thema „Dein Online-Business erfolgreich gestalten“ zu gewinnen.

 

Mehr Infos unter:

https://psylife.de/magazin/autoren/sonia-jaeger

https://www.sonia-jaeger.com/de/