Die Herausforderungen von Stille – und wie du mit ihnen umgehst

Ein junger Mann hat ein Megafon in der Hand und hält sich mit der anderen das Ohr zu

Innere Unruhe, Langeweile, körperliches Unwohlsein: Stille kann zwar eine tiefgreifende Erfahrung der Selbstreflexion und des persönlichen Wachstums sein. Doch neben den bereichernden Aspekten treten häufig auch Herausforderungen auf. Plötzlich wird die Achtsamkeitsübung zur Geduldsprobe. Der Drang, sich doch abzulenken, wird groß. Wie du in alltäglichen Momenten der Stille, bei Meditationen oder im Silent Retreat mit diesen Herausforderungen umgehen kannst, erfährst du hier. 

Bereits in meinem letzten Artikel habe ich dir von meinen Erlebnissen in einem Silent Retreat berichtet. Meine Erfahrung ist: Stille ist eine persönliche, individuelle Reise, und kann sich von Mal zu Mal unterscheiden. So erleben Teilnehmende die Schweige-Zeit ganz unterschiedlich. Das zeigt sich immer wieder im Anschluss, wenn sich die Gruppe austauscht. Und auch dein zweites oder drittes Silent Retreat kann anders ausfallen als dein erstes.

 

Die herausfordernde Seite der Stille

Hier sind die häufigsten Herausforderungen, die während Stille auftauchen können:

  • Innere Unruhe und Ungeduld: Besonders zu Beginn kann es schwer sein, sich auf die Stille und die eigenen Gedanken einzulassen. Manche Menschen fühlen sich unruhig oder ungeduldig. Denn im Alltag sind wir es nicht gewohnt, ohne Ablenkungen und Input einfach nur „zu sein".
     
  • Emotionale Aufruhr: Die ungewohnte Stille kann Emotionen hervorbringen, die normalerweise durch Ablenkungen verdeckt werden. Manche Menschen erleben eine Intensivierung von Emotionen wie Traurigkeit, Ärger oder Angst.
     
  • Einsamkeit: Die Abwesenheit von Gesprächen und sozialer Interaktion kann dazu führen, dass man sich einsam oder isoliert fühlt, besonders wenn man gewohnt ist, in ständigem Kontakt mit anderen zu stehen. In einem Silent Retreat ist das Schöne: du hast einen geschützten Rahmen. Hier bist du gemeinsam einsam. Ihr seid jeder für sich und dennoch alle zusammen im gleichen Boot.
     
  • Selbstbeobachtung: Die intensive Stille kann dazu führen, dass man sich stark auf sich selbst und seine Gedanken konzentriert. Dies kann zu einer Überanalyse führen und manchmal unangenehm sein.
     
  • Langeweile: Wenn man nicht an Gesprächen oder anderen Aktivitäten teilnimmt, kann sich Langeweile einstellen. Dies kann herausfordernd sein, besonders wenn man nicht gewohnt ist, in der Stille zu sein.
     
  • Physische Unannehmlichkeiten: Lange Meditationszeiten oder das Sitzen in bestimmten Positionen können zu körperlichen Beschwerden wie Steifheit, Schmerzen oder Unwohlsein führen.
     
  • Widerstand gegen die Stille: Manche Menschen empfinden die Stille als unangenehm und können innerlich dagegen rebellieren. Sie könnten versucht sein, die Stille durch Unterhaltung oder andere Ablenkungen zu durchbrechen.
     
  • Gedankenflut: Die Stille kann dazu führen, dass der Geist besonders aktiv wird und Gedanken unaufhörlich auftauchen. Dies kann die Konzentration und die Fähigkeit zur inneren Ruhe beeinträchtigen.
     
  • Verlust der Zeitstruktur: Ohne die üblichen Aktivitäten und Zeitvorgaben kann es schwierig sein, eine klare Tagesstruktur aufrechtzuerhalten.
     
  • Erwartungen und Enttäuschungen: Wenn man hohe Erwartungen an die Erfahrung hat, kann es zu Enttäuschung kommen, wenn die Realität sich anders zeigt. Manche könnten erwarten, sofortige Erleuchtung oder tiefgreifende Veränderungen zu erfahren, was in kurzer Zeit unrealistisch ist.
Eine Person hält ein Smartphone in der Hand.

Es ist wichtig zu verstehen, dass diese Herausforderungen normal sind und Teil des Prozesses sein können. Viele Menschen erfahren sie, und sie können oft als Gelegenheiten zur persönlichen Entwicklung und Selbstreflexion genutzt werden.

Wenn du dich auf ein Silent Retreat vorbereitest oder einfach mehr Momente der Stille in dein Leben integrieren möchtest, bist du gut beraten, offen für diese Herausforderungen zu sein und gleichzeitig geduldig mit dir selbst. Häufig lassen diese anfänglichen Schwierigkeiten mit der Zeit nach und machen dann einer tiefen inneren Ruhe und Klarheit Platz.

 

Mit dem passenden Mindset in die Stille

Hier sind einige Schritte, wie du dich in Bezug auf die oben genannten Herausforderungen mental und emotional vorbereiten kannst:

  • Mentale Einstellung: Gehe mit einer offenen und akzeptierenden Haltung in die Stille. Verstehe, dass Herausforderungen auftreten können, aber betrachte sie als eine Gelegenheiten für persönliches Wachstum und Selbstreflexion.
     
  • Achtsamkeit üben: Wenn du vorher noch keine Erfahrung mit Achtsamkeit oder Meditation hast, mache erstmal kurze Achtsamkeitsübungen. Dies kann dir helfen, dich besser auf die Stille und Selbstbeobachtung einzulassen.
     
  • Emotionale Vorbereitung: Akzeptiere, dass während der Stille unerwartete Emotionen auftauchen können. Stelle dir vor, wie du mit solchen Emotionen umgehen könntest, und erinnere dich daran, dass es normal und ok ist, Emotionen zu empfinden.
     
  • Selbstmitgefühl: Sei liebevoll und mitfühlend mit dir selbst, wenn du auf Widerstand, Ungeduld oder andere Herausforderungen stößt. Erkenne an, dass dies Teil des Prozesses ist, und übe dich hier in Selbstmitgefühl.
     
  • Gedankenakzeptanz: Verstehe, dass der Geist während der Stille aktiv sein kann. Anstatt gegen die Gedankenflut anzukämpfen, übe, sie einfach zu beobachten, ohne dich in sie zu vertiefen.
     
  • Realistische Erwartungen: Löse dich von unrealistischen Erwartungen an sofortige Erleuchtung oder tiefgreifende Veränderungen. Stelle dir vor, dass Momente der Stille, Achtsamkeitsübungen, Meditationen oder ein Retreat eine Gelegenheit zur Vertiefung deiner inneren Praxis ist, aber keine schnelle Lösung für alle Herausforderungen.
Eine junge Frau sitzt im Schneidersitz meditierend an eine weiße Wand gelehnt.

Konkrete Impulse zur Vorbereitung auf ein Silent Retreat

Wenn du an einem Silent Retreat teilnehmen möchtest, kommen hier noch ein paar ganz konkrete Tipps zur Vorbereitung:

  • Informiere dich im Voraus: Lies im Vorfeld Erfahrungen anderer Teilnehmer:innen von Silent Retreats. Das kann dir helfen, realistische Erwartungen zu entwickeln und dich auf mögliche Herausforderungen vorzubereiten.
     
  • Suche das Gespräch: Du hast dich lange bei jemandem nicht gemeldet? Du weißt, dass du dich für eine Sache noch entschuldigen möchtest? Dich wurmt noch diese eine Auseinandersetzung? Überlege, ob es noch etwas gibt, was du vor dem Retreat noch angehen möchtest.
     
  • Planung von Aktivitäten: Überlege, wie du mit Langeweile umgehen könntest. Je nach Rahmen des Retreats könntest du dein Journal mitnehmen, ein Notizbuch zum Zeichnen oder die Natur mit allen Sinnen wahrnehmen.
     
  • Informiere dein Umfeld: Überlege, für wen in deinem Umfeld deine Abwesenheit eine Herausforderung sein könnte. Wen möchtest du darüber informieren, dass du für die Zeit nicht erreichbar sein wirst? Eventuell möchtest du deinen Liebsten eine Notfallnummer mitgeben, kläre auch das mit den Retreat-Organisierenden ab.
     
  • Offenheit für Unterstützung: Gehe während des Retreats in Verbindung mit den Retreat-Leitenden oder -Instruktor:innen. Wenn du auf Herausforderungen stößt, können sie dir möglicherweise Unterstützung bieten.
     
  • Genieße die Zeit: Genieße es die Zeit zu haben, die Zeit zu erleben und diese besondere Erfahrung zu machen. Ich habe es als Luxus empfunden, die Zeit zu bekommen, sie mir nehmen zu können, mich mal rausziehen zu können aus dem alltäglichen Erleben. Es ist wirklich etwas Besonderes.
     
  • Lass dir danach Zeit: Gerade mit der Stille und Ruhe angefreundet, haben Teilnehmende häufig unmittelbar im Anschluss nicht das Bedürfnis nach großem Trubel, schon aber nach Austausch. Plane also auch einen „Übergangstag", wenn es dir möglich ist. Womöglich ist dir im Anschluss danach, dich mit denjenigen auszutauschen, die mit dir im Retreat waren oder mit deiner Lieblingsperson zu sprechen, die dir auch in deiner gewohnten Umgebung guttut, um Erlebtes zu teilen. Vielleicht möchtest du zuhause noch einen weiteren freien Tag einrichten, um wieder anzukommen.

Wenn du noch Anregungen suchst, wie du mehr Momente der Stille und Achtsamkeit in deinen Alltag integrieren kannst, schau in meinem letzten Artikel vorbei. Ich wünsche dir viele tolle Erfahrungen!