Bücher, die dich durch die PiA-Zeit bringen
Als Psychotherapeut:in in Ausbildung hast du keine Zeit zu lesen? Nimm sie dir! Denn diese Bücher liefern Antworten auf deine Fragen rund um die Rahmenbedingungen, Therapieplanung und Psychohygiene.
Wie finde ich eine Klinik? Welche Rechte habe ich während der Ausbildung? Was macht eine gute Gruppentherapie aus? Und wie achte ich auf meine eigene Psychohygiene? Als „Psychotherapeut:in in Ausbildung” (PiA) beginnt frisch nach dem Masterstudium eine Zeit voller Ungewissheit, Herausforderungen und persönlichem Wachstum: das Klinikjahr.
In meinem Jahrgang war ich eine der Wenigen, die in den ersten Wochen in der Psychiatrie angeleitet wurde. Viele meiner Kommiliton:innen waren auf sich alleine gestellt. Das spiegelt auch eine bundesweite PiA-Studie aus dem Jahr 2019 von Nübling et al. wider: von etwa 2.600 Teilnehmer:innen gaben nur rund 43 % an, dass sie in ihrer Einrichtung eingearbeitet wurden.
Von uns wird ein hohes Maß an Selbstständigkeit gefordert. Obwohl die Autodidaktik im Rückblick hilfreich sein kann, brauchen wir Antworten auf unsere Fragen. Am besten persönlich im Rahmen von Supervision, Kleingruppenintervision oder Seminaren am Institut. Viele Antworten habe ich auch in der Literatur gefunden. Wenn ich mal nicht weiterweiß, greife ich auf folgende Bücher zurück:
Zu Beginn der Ausbildung: Survivalguide PiA
Dieses Buch hätte ich gerne schon während des Psychologiestudiums gekannt: Im „Survivalguide PiA” beleuchtet die approbierte Psychotherapeutin Dr. Birgit Ute Lindel, wie man sich für ein Therapieverfahren entscheidet und ein passendes Ausbildungsinstitut findet. Von Fragen zur Selbstreflektion und Motivationsfindung, über persönliche Fallbeispiele von PiAs, hin zu praktischen Tipps bei der Antragsstellung – der Survivalguide (erschienen im Springer Verlag, 2. Auflage, 2016) soll helfen, die Ausbildung nicht nur zu überleben, sondern zu meistern.
Für das Klinikjahr: Das AMDP-System
Das letzte Diagnostikseminar mag einige Monate her sein und plötzlich sitzt du in deinem ersten Aufnahmegespräch. Wie war nochmal die Reihenfolge im psychopathologischen Befund? Und welche Einstiegsfragen kann ich für die Selbst- und Fremdbeurteilungsmerkmale stellen? Eine umfassende Übersicht gibt der „Leitfaden zur Erfassung des psychopathologischen Befundes: Halbstrukturiertes Interview anhand des AMDP-Systems" von Fähndrich und Stieglitz im Hogrefe Verlag (6. Auflage, 2022).
Für Diagnosen: Der ICD-10-Taschenführer
Du willst schnell noch eine Diagnose nachschlagen? In der klinischen Praxis hilft mir oft der kompakte „Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen” von der WHO, herausgegeben von Dilling und Freyberger im Hogrefe Verlag (9. Auflage, 2019). Das Buch liegt griffbereit auf meinem Schreibtisch. Ist es überhaupt sinnvoll, bei der Diagnosestellung noch mit dem ICD-10 zu arbeiten oder schon die Änderungen in der ICD-11 zu berücksichtigen? Die ICD-11 ist zwar seit dem letzten Jahr offiziell eingeführt, aber noch nicht in Kraft getreten. Wie lange es noch dauert, bis die ICD-11 offiziell in Kraft treten wird, ist zurzeit noch nicht absehbar. Keine Sorge: Für die Approbationsprüfungen wird die ICD-11 laut dem Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) vorerst nicht relevant sein.
Überblick über Störungen: Kompendium, die blaue und gelbe Reihe
An meine erste Patientin mit Psychosen erinnere ich mich noch sehr gut. Zwar konnte ich im Erstgespräch auf meine theoretischen Kenntnisse aus dem Studium zurückgreifen, aber in meinem Ausbildungscurriculum hatte ich bisher noch kein Vertiefungsseminar zur Behandlung von Schizophrenie. Auf welche Besonderheiten man in der Beziehungsgestaltung achten kann und welche Modelle zur Entstehung und Aufrechterhaltung schizophrener Störungen relevant sind, beschreibt unter anderem das „Kompendium der Psychotherapie” von Kircher im Springer Verlag (2012).
Mit Fokus auf die Diagnostik und Therapie verschiedener Störungen gibt es außerdem die blaue Buchreihe „Fortschritte der Psychotherapie“ im Hogrefe Verlag von Alkoholabhängigkeit bis Zwangsstörung. Für den Kinder- und Jugendbereich gibt es äquivalent die „gelbe Reihe“. Verfahrensübergreifend gibt die „Buchreihe Psychotherapie in der Praxis von BELTZ“ Aufschluss.
Für die Therapieplanung: psychotherapie.tools
Seminar für Seminar wächst mein Wissensschatz an therapeutischen Methoden je nach Störungsbild. Das Gelernte möchte ich im Klinikalltag gerne direkt umsetzen und dafür brauche ich Materialien, zum Beispiel ein Arbeitsblatt für das ABC-Modell bei Depressionen oder das „Monster am Wegesrand” aus der Akzeptanz- und Commitment-Therapie. Dank den Online psychotherapie.tools von Beltz musst du dafür nicht mal ganze Manuale kaufen.
Für die Prüfungsvorbereitung: Das Repetitorium
Bis zur Approbationsprüfung ist bei mir noch Zeit, aber „Das Repetitorium” von Kandale und Rugenstein (4. Auflage, 2022) aus dem Deutschen Psychologen Verlag (dpv) steht schon auf meiner Buchliste. Das Lehr- und Lernbuch unterstützt bei der systematischen Wiederholung von Prüfungsfragen. Für unterwegs gibt es außerdem die E-Learning-pp siggi der Deutschen Psychotherapeuten Vereinigung (DPtV).
Für Psychohygiene und Zeitmanagement
Wie kann ich den Überblick behalten und einen kühlen Kopf bewahren? Analoge Kalender mag ich besonders, um meine beruflichen und privaten Termine zu organisieren, z. B. der von KLARHEIT. Das Design ist Geschmackssache, von einer Freundin wurde mir jetzt besonders der Achtsamkeitsplaner „Ein Guter Plan” empfohlen, mit Habit Tracker und Dankbarkeitsübungen.
Von unserem Selbsterfahrungsleiter wurde uns ans Herz gelegt, ein Notizbuch über unsere persönlichen Erkenntnisse zu führen, das Selbstmodifikationsprogramm während der Ausbildung zu dokumentieren und später reflektieren zu können. Auch die Auseinandersetzungen mit den eigenen Emotionen ist wichtig für die therapeutische Praxis. Hierzu neu erschienen im Rohwolt Verlag ist das Workbook „Besser Fühlen” von Psychologe Dr. Leon Windscheid, der wissenschaftlich fundiert durch die Gefühlswelt leitet.
Schaffe dir Leseroutinen
Wie bei der vollen Arbeitswoche noch Zeit zum Lesen bleiben soll, fragst du dich? Dafür hilft zunächst ein Perspektivwechsel: Die Zeit, in der du liest, verlierst du nicht, sondern sie gibt dir auch etwas zurück - zum Beispiel durch neue Ideen, die du in der Praxis direkt umsetzen kannst. Damit du keine Freizeit aufgibst, trage (wie Rory Gilmore) einfach immer ein Buch in der Tasche mit. So kannst du Wartezeiten überbrücken, bei unerwarteten Terminausfällen das Buch zücken oder auf dem Rückweg in der Bahn lesen. Für mich ist Lesen inzwischen zu einem Feierabendritual geworden, auch wenn es mal nur 10 Minuten sind. Und für die besondere Motivation gründe doch einen Buchclub mit einer Freundin oder einem Kommilitonen. So könnt ihr euch regelmäßig austauschen und über die Inhalte diskutieren.
„Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen, der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig.” - Ernst Reinhold Hauschka, Deutscher Aphoristiker und Lyriker (1926-2012)
Literatur
Nübling, R. (2019, 21.09.). PiA-Studie 2019 - Zur aktuellen Situation von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in Ausbildung. [Korrigierte/ergänzte Folienfassung]. Länderrat, Berlin. Online abrufbar (Stand 12/2022):
https://www.researchgate.net/publication/337275759_PiA-Studie_2019